Im vergangenen Jahr waren 16,1 Prozent der 65- bis 69-Jährigen erwerbstätig. Das geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor. 2007 waren es nur 7,1 Prozent – also nicht einmal halb so viele. Vor allem in den ersten drei Jahren nach dem Übergang in eine Altersrente sind viele noch erwerbstätig: Über ein Viertel der Älteren geht in diesem Zeitraum noch arbeiten, bei den Frauen sind es 31 Prozent, bei den Männern 28 Prozent. Doch die eigene Rente aufzubessern ist nicht der einzige Grund dafür.
"Viele Leute arbeiten freiwillig weiter, besonders oft Selbstständige, die sich ihre Zeit frei einteilen können", sagt Thomas Zwick, Professor für Organisation und Personal an der Universität Würzburg. Und es sei auch gesellschaftlich gewollt. "Man will die Älteren halten, man kann auf ihre Expertise nicht verzichten. Aber man will auch die Rentenkassen entlasten."
Spaß an der Arbeit ist der Hauptgrund
Die meisten Rentner arbeiten aus sozialen und persönlichen Gründen. In einer Befragung durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gaben über 90 Prozent der jetzigen berufstätigen Rentner an, sie hätten Spaß an der Arbeit und bräuchten Kontakte zu Menschen. Fast ebenso viele nannten als Grund, sie bräuchten weiterhin eine Aufgabe. Allerdings gaben auch 53 Prozent der Männer und sogar 70 Prozent der Frauen an, sie bräuchten das Geld, wie das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit mitteilt.

"Die Berufswelt verändert sich ständig."
Dr. Lukas Kagerbauer, IHK Würzburg-Schweinfurt
Lukas Kagerbauer, Bereichsleiter Berufsausbildung bei der IHK, stellt klar, dass die Potenziale, die Ältere in der Arbeitswelt darstellen, nicht länger vernachlässigt werden können. "Es macht Sinn, gerade in Zeiten, in denen Unternehmen nicht ausreichend Fachkräfte finden, das Potenzial Älterer länger zu nutzen", sagt Kagerbauer. Schon jetzt fehlen der mainfränkischen Wirtschaft 20 000 Fachkräfte, bis zum Jahr 2030 wächst der Bedarf auf 45 000 Personen. Erfreulich sei, dass viele Unternehmen in der Region bereits Anreize für ältere Arbeitnehmer schaffen. Sie bieten zum Beispiel Gesundheitskurse, Teilzeit-Arbeitsmodelle oder betriebliche Weiterbildungen an. Denn: "Die Berufswelt verändert sich ständig. Lebenslanges Lernen wird in Zukunft immer wichtiger."
Es ist gar nicht so einfach länger zu arbeiten
"Ältere Mitarbeiter haben eine positivere Einstellung der Arbeit gegenüber, sind zufriedener, fühlen sich Unternehmen stärker verbunden, sind gewissenhafter und gehen planmäßiger vor", sagt Tanja Bipp, Professorin für Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie an der Universitätin Würzburg. Das ist das Ergebnis mehrerer Studien, die Bipp zu diesem Thema betreut hat. Auch das Erfahrungswissen nehme zu. "Wir wissen aus der Forschung, dass ältere Mitarbeiter keine schlechteren Arbeitsleistungen erbringen als jüngere." Ergrauende Belegschaften sind also kein Problem? Doch, denn hierzulande ist es gar nicht so einfach, länger zu arbeiten – auch wenn man das möchte. "Die Firmen müssen hier viel mehr individuelle Lösungen finden", sagt Bipp. Sie denke dabei an flexible Arbeitszeitmodelle oder generell kürzere Arbeitszeiten.
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Und was passiert mit jenen Älteren, die nicht mehr arbeiten können, obwohl sie eine kleine Rente erwarten, von der sie einmal nicht leben können? Hier möchte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mit dem Konzept seiner Grundrente ansetzen. Doch wie diese einmal aussehen wird, darüber sind sie die Koalitionspartner noch nicht einig.
Flexi-RenteIm vergangenen Jahr gingen mehr als 220 000 Menschen im Ruhestand einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Fast 900 000 Rentner haben einen Minijob. Im Durchschnitt arbeiten die Erwerbstätigen im Ruhestandsalter knapp 32 Stunden in der Woche. Mehr als 350 000 Menschen im Alter von 65 bis 74 Jahren waren selbständig. Das geht aus einem Report der Bundesagentur für Arbeit aus dem Jahr 2017 hervor.Im Jahr 2017 wurde die Flexi-Rente 7188 Mal abgerufen, davon 1169 Renten an Berechtigte mit Wohnsitz in Bayern. Im Vorjahr waren es bundesweit 4309 Fälle, 605 davon in Bayern. Jedoch dominieren weiterhin die Rentenzugänge in eine Vollrente. Der Anteil der Flexi-Rente an allen Altersrentenzugängen liegt weiterhin unter 1 Prozent (2017: 0,64 Prozent, 2016: 0,36 Prozent). Quelle: Bundesagentur für Arbeit/Rentenversicherung Nordbayern