Die Ehrengäste, die am 8. Mai in Würzburg an der feierlichen Eröffnung von Forschungsräumen des Würzburger Fraunhofer-Instituts in der sanierten Alten Augenklinik teilnehmen, werden am Haupteingang womöglich die Namen Anna und Franziska sehen, zusammen mit jenem von Josef Schneider. Hinter den Namen verbirgt sich eine spannende Geschichte, die mit dem Besuch in einem Friseursalon beginnt.
Schöpfer der ersten Würzburger Augenklinik war 1855 Robert von Welz, ein Mann mit einem prächtigen Vollbart. Nachdem er einige Jahre lang in einem Privathaus Augenkranke behandelt hatte, kaufte er 1857 ein zuvor als Gebärhaus dienendes Gebäude in der heutigen Klinikstraße 6 und eröffnete dort eine Augenklinik. 1866 wurde er zum ersten Professor der Augenheilkunde an der Julius-Maximilians-Universität ernannt.

Dessen üppiger Bart erforderte regelmäßige Pflege, weshalb Welz allmorgendlich einen Friseur aufsuchte. Dieser hieß Josef Schneider und beeindruckte den Professor offenbar nicht nur durch seine Geschicklichkeit beim Barttrimmen und Haareschneiden. Welz ermunterte den 1845 in Schlesien geborenen Friseur, den Beruf zu wechseln und wie er Augenarzt zu werden. Da ein Studium damals viel Geld kostete – jede Vorlesung musste bezahlt werden –, suchte der hilfsbereite Professor in seinem Bekanntenkreis nach Sponsoren für den jungen Mann.
Zwei wohlhabende Damen finanzierten das Studium von Josef Schneider
Er fand sie in zwei wohlhabenden Damen der Würzburger Gesellschaft: der Arzttochter Anna Geigel (1818-1899) und der Großkaufmannstochter Franziska Wünsch (1838-1909). Die beiden – und wohl auch Welz selbst – finanzierten Schneiders Studium an der Würzburger Uni. Nach dessen erfolgreichem Abschluss nahm Welz im Jahr 1867 Schneider als Arzt in seine Klinik auf. Dort fiel dieser durch besondere operative Fähigkeiten auf.

Robert von Welz starb 1878. In seinem Testament machte er sein Krankenhaus durch Schenkung zur staatlichen Universitätsklinik und gründete eine Stiftung, die bedürftigen Augenkranken freie Aufnahme und Behandlung ermöglichte. Die Stadt widmete ihm aus Dank eine Straße in der Pleich, die von der Ziegelaustraße zur Veitshöchheimer Straße führt.

Nach dem Tod seines Gönners und Chefs leitete Schneider einige Wochen dessen Klinik, wanderte dann jedoch bald nach Milwaukee im amerikanischen Bundesstaat Wisconsin aus. Ein Patient aus den USA, den er in der Welz’schen Klinik behandelte, hatte Schneiders Begeisterung für jenes Land geweckt.

Bald besaß Schneider eine gut gehende Praxis und nach einigen Jahren war er auch Familienvater: Mit seiner Frau Louise hatte er die Töchter Louise (geborene 1894) und Josefine (1901). Der Augenarzt brachte es in den USA zu Ansehen und Reichtum. Er tat es seinem großzügigen Förderer Welz gleich und wurde zum Mäzen: 1911, als er 65 Jahre alt war, errichtete er die "Dr.-Josef-Schneider-Anna-und-Franziska-Stiftung" zugunsten der Würzburger Augenklinik, deren Erträge für die Beschaffung von wissenschaftlichen Geräten und Büchern dienen sollten.

Da die Inflation von 1923 die Stiftungssumme von 100.000 Mark auffraß, zahlte Schneider bei einem Würzburg-Besuch im Jahr 1925 neues Geld in die Stiftung ein. Damit nicht genug. Nach einem Gespräch mit Oberbürgermeister Hans Löffler erklärte er sich bereit, der klammen Stadt die Straßenbahnlinie vom Hauptbahnhof zum Luitpoldkrankenhaus zu finanzieren. Aus Dankbarkeit benannte die Stadt eine Straße nach ihm. Die Josef-Schneider-Straße zieht sich passenderweise am Lukra entlang.

Als Schneider 1927 im Alter von 81 Jahren starb, hinterließ er der Würzburger Augenklinik, die 1901 ihren Neubau am Röntgenring bezogen hatte, die damals exorbitant hohe Summe von 300.000 Dollar. Von den Zinsen sollten in den Worten des Klinikangestellten Otto Seidel "Freiplätze für arme alte Leute und Kinder, die an den Augen erkrankt sind, geschaffen werden, die bei uns unentgeltlich verpflegt und behandelt werden sollen". Im April 1932 wurden über dem Portal der Augenklinik der Name Schneiders und die Vornamen seiner beiden Gönnerinnen Anna und Franziska angebracht.
Die Stiftung existiert auch heute noch
Sie sind auch heute, nach der Sanierung, noch zu sehen, ebenso wie das steinerne Porträt von Robert von Welz. Gut zu erkennen ist sein dichter Bart, ohne den Josef Schneider wahrscheinlich nie Augenarzt geworden wäre.
Die Anna und Franziska gewidmete Stiftung existiert weiterhin. Die Augenklinik, die seit 1970 in der Grombühler Kopfklinik untergebracht ist, kauft davon, wie von Josef Schneider bestimmt, Geräte und Bücher. Doch die Zinsen dienen noch einem weiteren Zweck: Alljährlich an den Geburtstagen von Anna Geigel und Franziska Wünsch sowie an Allerseelen werden Blumen auf dem Ehrengrab der Universität auf dem Würzburger Hauptfriedhof niedergelegt.
Literaturtipp: "Heinz Fischer: Die Geschichte der Augenklinik zu Würzburg" (Stürtz Verlag 1971, nur noch antiquarisch erhältlich).
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