"Oft klingt es so, als gebe es im ländlichen Raum keine Geschichte", sagt Historiker Gerrit Himmelsbach. Dass an dieser Behauptung nicht viel dran ist, beweist ein neuer Kulturwanderweg in Aub und seinen Stadtteilen. Wer sich fragt, wie die Reichelsburg früher ausgesehen haben könnte oder was hinter der Teufelsschmiede steckt, findet künftig auf dem insgesamt 16 Kilometer langen Rundweg mit dem Titel "Vom feurigen Hund zum Gollachgrund"Antworten. Am 17. September wird er offiziell eröffnet.
Sieben Stationen liefern Informationen über die Gegend
Der "feurige Hund" bewacht einer Sage nach einen Schatz auf der Reichelsburg, die eine Station auf der Route bildet. Viel mehr habe der Kulturwanderweg nicht mit dem Fantasiewesen zu tun, gibt Aubs Bürgermeister Roman Menth zu. Viel mehr gehe es um Recherchen und wissenschaftliche Forschung. "Unser Ziel war es, uns mit der eigenen Geschichte auseinander zu setzen und sie anschaulich zu machen", sagt Menth.

Dafür befinden sich Informationstafeln an insgesamt sieben Stationen entlang der Strecke, die aufgeteilt in eine Ost- und eine Westschleife alle Auber Stadtteile verbindet. Sie geben Einblicke in die Historie verschiedener Bauwerke – vom Startpunkt Schloss Aub bis zur Lämmermühle – und das Leben der Menschen in vergangenen Zeiten.
"Wir haben versucht, nicht nur Zahlen aneinander zu reihen", sagt Himmelsbach. Die könne sich ohnehin niemand merken. Der Historiker hat als Projektleiter des Archäologischen Spessart-Projekts (ASP) schon die Entstehung vieler Kulturwanderwege angeleitet. Auch in Aub hat ein Arbeitskreis mit seiner Unterstützung über Jahre Wissen gesammelt, Bildmaterial gesichtet und archäologische Forschungen angestoßen. Insgesamt haben sich laut Bürgermeister Menth etwa 50 Personen ehrenamtlich an dem Projekt beteiligt. Die Kosten für das Projekt belaufen sich auf insgesamt etwa 16.000 Euro, so Menth. Förderung gab es vom Bezirk Unterfranken.
Besonderheiten der Auber Stadtteile sollen herausgestellt werden
"Wir haben uns überlegt, was das Besondere an den Orten ist", erklärt Historiker Himmelsbach. Aus Burgerroth seien etwa viele alte Fotografien von Kindern und Jugendlichen aufgetaucht. Außergewöhnlich, sagt der Historiker. Denn auf dem Land seien Fotoapparate bis in die 1960er Jahre hinein nicht sonderlich verbreitet gewesen. Deshalb nehme eine Info-Tafel genau dieses Thema in den Fokus.

Als Highlights gelten allerdings die Stationen an der Reichelsburg und der sogenannten Teufelsschmiede. Denn der Kulturwanderweg präsentiert einige neue Erkenntnisse zu den historischen Stätten, die archäologische Untersuchungen erst während des Projekts ans Licht gebracht haben. So ausführliche Untersuchungen seien gar nicht geplant gewesen, gibt Bürgermeister Menth zu. Doch schnell seien Fragen aufgekommen, die sich anders nicht ohne weiteres beantworten ließen.
"Es gab schon verschiedene Sagen zur Teufelsschmiede. Aber was dahinter steckt, wusste niemand so genau", sagt Himmelsbach. Diese historische Stätte befindet sich etwa 2,5 Kilometer entfernt von Aub am Fluss Gollach und besteht heute auf den ersten Blick nur aus einem mit Bruchsteinen gemauerten Wall und den Resten eines früheren Grabens. Ähnlich sei es bei der Reichelsburg gewesen. In deren Fall habe es zwar Forschungsergebnisse gegeben. "Die waren aber auch schon 50 Jahre alt."

Archäologische Untersuchen an der Reichelsburg und der Teufelsschmiede
Deshalb sei der Auber Archäologe Markus Schußmann in das Projekt eingestiegen. Um der Vergangenheit der Teufelsschmiede auf die Spur zu kommen, habe eine Fachfirma eine Magnetometerprospektion vorgenommen, so Schußmann. "Flächen werden dabei mit einer Sonde abgelaufen", erklärt der Archäologe. "Diese können Veränderungen im Erdmagnetfeld feststellen, die zum Beispiel durch Eingrabungen oder Hitzeeinwirkung entstanden sind."
Die Ergebnisse sowie weitere Nachforschungen legen Schußmann zufolge nahe, dass sich an der Stelle im späten 14. oder frühen 15. Jahrhundert ein Damm, der die Gollach zu einem großen Teich aufstaute, sowie ein Hammerwerk befunden haben könnten. Eine Flutkatastrophe Mitte des 16. Jahrhunderts könnte das Werk später nachhaltig zerstört haben.

Auch für die Reichelsburg gibt es neue Erkenntnisse. Von der Burg bei Baldersheim ist heute nicht viel mehr übrig als eine Ruine. Auf dem neuen Kulturwanderweg können Besucherinnen und Besucher nicht nur einiges über die Geschichte der Burg erfahren, sondern auch Rekonstruktionen ansehen.
Dank Untersuchungen könne hier etwa zurückverfolgt werden, wie im Hochmittelalter eine hölzerne Vorgängeranlage der späteren Burg aus Stein ausgesehen haben könnte, erklärt Archäologe Schußmann. Aber auch, was später mit der Reichelsburg geschah, können Gäste nun vor Ort nachlesen. Außerdem wurden parallel zum eigentlichen Projekt 360-Grad-Aufnahmen von der Reichelsburg erstellt, die eine Online-Besichtigung möglich machen.

Die Wanderung sei auch für Familien mit Kindern gut geeignet, sagt Andrea Trumpfheller. Im Auftrag des Spessartbunds hat sie die Markierung der Wege angeleitet. Zwar sei der Weg nicht rollstuhlgerecht, allerdings böten Bänke immer wieder die Möglichkeit, sich auszuruhen.