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WÜRZBURG: Am Viehmarkt-Parkplatz: Das letzte Kassenhäuschen schließt

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Am Viehmarkt-Parkplatz: Das letzte Kassenhäuschen schließt

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    Zum letzten Mal saß Parkplatzwächter Peter Schwindt (77) am Samstag im Kassenhäuschen am Viehmarktparkplatz. Das Kassenhäuschen wird geschlossen. Hier brechen jetzt für die Stellplätze mit automatischen Schranken und Ticketautomaten moderne Zeiten an.
    Zum letzten Mal saß Parkplatzwächter Peter Schwindt (77) am Samstag im Kassenhäuschen am Viehmarktparkplatz. Das Kassenhäuschen wird geschlossen. Hier brechen jetzt für die Stellplätze mit automatischen Schranken und Ticketautomaten moderne Zeiten an. Foto: Fotos: Patty Varasano

    „Guten Tag, darf ich mich kurz vorstellen? Man nennt mich Kassenhäuschen. Sie kennen mich bestimmt. Ich wohnte viele Jahre am Viehmarktparkplatz.

    Historisches Relikt

    Wenn sie das lesen, gibt es mich nicht mehr. Seit heute bin ich nutzlos, ein überflüssiges, historisches Relikt. Eine Schönheit bin ich trotz aller Historie nicht. Der Lack ist ab. Buchstäblich. Da hilft weder der länger zurückliegende Versuch eines Sprayers, mich mit seinen Zeichen zu „verschönern“, noch die „Frohe Ostern“ wünschende Postkarte, die mein Fenster heute, am Ostersamstag, ziert.

    Opfer der Digitalisierung

    Die Karte hat Peter aufgehängt. Seine Frau hat sie ihm mitgegeben. Sie kennen Peter und seine Frau nicht? - Das ändern wir gleich. Nur immer schön der Reihe nach.

    Meine Auflösung ins Nichts ist dem Zeitgeist geschuldet. Das digitale Zeitalter kann mir, als Teil eines altmodischen Systems, nichts mehr abgewinnen. Ich stehe für Ungenauigkeit, für Glauben-ohne-zu-Wissen, für Zeit-Haben statt Zeittakt, für menschliche Begegnung statt Technik.

    Freundliche Menschen

    In mir saßen Menschen wie Ingrid und Peter Schwindt. 74 und 77 Jahre sind die Beiden alt. Ein Alter, das ich nie erreichen werde. Insofern kann ich mich vor den beiden Rentnern nur in Ehrfurcht verneigen. Und stelle fest: Rentner sind offenbar sehr freundliche und über Jahre, in Peters Fall 20 Jahre, zuverlässige Leute.

    Peter, der mein warmes Öfchen liebt, in meinem Inneren nie fror und allenfalls an allzu sonnigen Tagen mein Innerstes scheute, kennt mich weniger gut, als meinen Verwandten, das Kassenhäuschen am Nautiland. Gott hab‘ es selig, hat es doch noch vor mir in diesem Jahr das Zeitliche gesegnet.

    Ein Anflug von Trauer

    Peter sagt, er vermisst es nicht. Ich glaube, dass das stimmt. Wenn er allerdings erzählt, dass er auch meine anderen Verwandten - oben auf der Festung - eventuell ab Juni nicht mehr besuchen wird, dann meine ich, doch Trauer zu spüren. Und die Hoffnung, dass ihm und seinen Rentnerkollegen wenigstens dieser Teil der Familie noch etwas erhalten bleiben möge.

    Immer viel los

    Zweimal in der Woche kam Peters Frau zu mir. Er selbst war als Aushilfe da, etwa wenn der Dienstagsmann oder - wie heute - die Samstagfrau mal ausfielen und er deren Platz einnahm.

    Ich war nach den langen und einsamen Nächten und Sonntagen immer froh, nicht allein bleiben zu müssen. Sie glauben gar nicht, wie viel los war, wenn ich Peter wochentags oft schon morgens um 7 Uhr empfing. Er kam fast nicht mehr nach damit, die gelben, grünen oder rosafarbenen Belege durch mein geöffnetes Fenster an ankommende Autofahrer zu reichen.

    Manch einer hatte ein ganzes Sammelsurium davon vorne im Auto liegen. Mengenrabatt und einmal frei Parken gab es trotzdem nicht. Peter schüttelt noch heute den Kopf, wenn er von diesem Ansinnen mancher Schlaumeier hinterm Steuer erzählt.

    Nur kein Stress

    Im Großen und Ganzen aber reihten sich die Tage mit Peter und seinen Kollegen - die mir mal vier, mal acht Sunden Gesellschaft leisteten - wie Perlen ruhig aneinander. Genauso wie die Autos vor meinen Scheiben. Stress war nicht unsere Sache. Die Fahrer der Wohnmobile, die gerade in den vergangenen Jahren immer häufiger unsere Parkgäste wurden, waren sich da meist einig mit uns.

    Nicht selten kamen diejenigen, die nachts während unseres Schlafs einfuhren, am Morgen vorbeigeschlendert, um einen der begehrten Zettel für die Windschutzscheibe zu ergattern.

    Manchmal verschwand Peter kurz. Dann besuchte er einen weiteren entfernten Verwandten, das Toilettenhäuschen, gleich nebenan. „Bin gleich wieder da“, dieses Schild hängte er mir dann an. Und genau das geschah: Peter war gleich wieder da.

    Unklare Zeitmessung

    Wobei mir nicht klar ist, wie Menschen die Zeit messen. Ich weiß nur, dass zwei im Voraus bezahlte Parkstunden manchmal recht kurz sein können und manchmal fast einen ganzen Tag dauern. Das Universum steckt voller Rätsel.

    Einfache Rechnung

    Es gab auch Tage, da musste Peter feststellen: Der Parkplatz ist voll. Woher er das wusste? Nichts einfacher als das: Das war der Fall, wenn Autofahrer samt Auto zurückkamen und ihr Geld wieder wollten, weil sie keinen Platz mehr fanden. Dann kriegten die ihre Euros wieder und Peter und ich mussten gut aufpassen. Jetzt durfte nur einer rein, wenn ein anderer raus fuhr.

    Dehnbare Stunden

    Das wird wohl auch künftig so bleiben, wenn Peters und meine vollautomatischen Nachfahren die Regie übernehmen. Ob die das Rätsel mit den dehnbaren Stunden lösen können? Peter und die Kollegen sicher nicht. Die litten auch darunter, dass manche Stunden doppelt so langsam vergingen. Meist, wenn keiner kam, den man dazu hätte befragen können. - Machen Sie es gut!“

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