Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Stadt Würzburg
Icon Pfeil nach unten

Unterfranken: Angepöbelt und aggressiv attackiert: Wie 5 Feuerwehrmänner aus Unterfranken Gewalt im Einsatzalltag erlebten

Unterfranken

Angepöbelt und aggressiv attackiert: Wie 5 Feuerwehrmänner aus Unterfranken Gewalt im Einsatzalltag erlebten

    • |
    • |
    Feuerwehrmänner aus Unterfranken, die mit Aggression konfrontiert waren und berichten: (von links)  Michael Schubert, Moritz Hornung, Joachim Mantel, Wolfgang Seidl und Michael Kirchner.
    Feuerwehrmänner aus Unterfranken, die mit Aggression konfrontiert waren und berichten: (von links)  Michael Schubert, Moritz Hornung, Joachim Mantel, Wolfgang Seidl und Michael Kirchner. Foto: v.l.: F. Gebert, S. Gralla, L. Lenzen, K. Hagelstein, R. Kirchner

    Ist es nur ein Gefühl, oder stimmt es, dass der Ton auf den Straßen rauer wird? Verkehrsteilnehmer fluchen, schimpfen, beleidigen andere, zum Teil unter der Gürtellinie. Einsatzkräfte der Feuerwehren in Unterfranken bekommen dies immer wieder zu spüren. Nicht nur, wenn sie Unfallstellen absperren und den Verkehr umleiten. Auch an anderen Einsatzorten werden sie angepöbelt und Opfer verbaler, teils sogar körperlicher Gewalt. Was ihnen besonders bitter aufstößt: Die allermeisten von ihnen üben den Job als Retter ehrenamtlich aus, ohne Bezahlung und in der Freizeit.

    Vorfall in Bad Kissingen mit uneinsichtigem Autofahrer

    Zuletzt gab es einen solchen Vorfall in Bad Kissingen. Mitte Juni, an einem frühen Sonntagabend, kam es auf dem Ostring zu einem Unfall mit mehreren Fahrzeugen. Feuerwehrleute und Polizisten regelten  den Verkehr, um ein Verkehrschaos zu verhindern. Eine Fahrspur wurde gesperrt. Ein Autofahrer missachtete die Straßensperre und fuhr auf der Gegenfahrbahn weiter – mit Karacho, wie es Stadtbrandinspektor Harald Albert später schilderte. Ein Taxifahrer wollte partout weiterfahren und drohte Feuerwehrmännern mit einer Anzeige. Ein weiterer Autofahrer soll zu einer Einsatzkraft gesagt haben: "Bloß weil Sie eine Uniform anhaben, führen Sie sich hier auf!" 

    Ist das ein Einzelfall - oder gehören solche Szenen für Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmänner mittlerweile zum Alltag? Fünf Einsatzkräfte von unterfränkischen Feuerwehren berichten, wie die Ehrenamtlichen mitunter sogar ihre Gesundheit aufs Spiel.

    1. Michael Kirchner (37) von der Feuerwehr Unterspiesheim (Lkr. Schweinfurt): Ausraster an der Absperrung

    Michael Kirchner ist Kommandant der Feuerwehr Unterspiesheim (Lkr. Schweinfurt).
    Michael Kirchner ist Kommandant der Feuerwehr Unterspiesheim (Lkr. Schweinfurt). Foto: Erhard Scholl

    "Im September 2021 sperrten wir an einem Werktag vormittags nach einem Unfall eine Auffahrt zur B 286. Wir waren mit zwei Fahrzeugen im Einsatz. Mehrere Verkehrsteilnehmer beleidigten uns, weil sie nicht weiterfahren konnten. Einer versuchte, die Absperrung zu umfahren.

    Die Spitze war dann ein Sprinter-Fahrer. Der verursachte mit einer Vollbremsung nicht nur fast einen Unfall, sondern bezeichnete mich als 'Hurensohn' und uns alle als 'unfreundliche Arschlöcher'. Das war die siebte Beleidigung bei diesem Einsatz, da dachte ich mir: Jetzt reicht's, wir holen die Polizei und zeigen das an.

    Bis die Polizei da war, war der Sprinter mit quietschenden Reifen davongefahren. Doch wir hatten eine gute Beschreibung des Ganzen. So landete die Sache in Schweinfurt vor Gericht. Dabei stellte sich heraus, dass der Kerl insgesamt sechs Verfahren am Hals hatte. Als der Angeklagte dann noch behauptete, er hätte sich bei uns schon entschuldigt – was nicht der Fall war –, nagelte der Richter ihn mit Worten richtiggehend an die Wand. 750 Euro musste der Fahrer als Spende an unsere Feuerwehr zahlen. Als das Geld überwiesen war, haben wir es nicht behalten, sondern weitergegeben, als Spende für eine Säuglingsstation in der Ukraine.

    Wenn mir im Einsatz jemand einen Vogel oder den gestreckten Mittelfinger zeigt, kann ich damit umgehen. Aber wenn, wie in diesem Fall, jemand eine Absperrung durchbricht, dann macht mir das zu schaffen. Wir haben uns alle gefragt: Steigt der jetzt aus? Und was passiert dann mit uns? Dabei hatte ich an dem Tag Urlaub und wollte mit meiner Familie eigentlich etwas Schönes unternehmen."

    2. Wolfgang Seidl (34), Feuerwehr Kitzingen: Ein Boxhieb in den Bauch

    Wolfgang Seidl von der Feuerwehr Kitzingen.
    Wolfgang Seidl von der Feuerwehr Kitzingen. Foto: Katharina Hagelstein

    "Ein Einsatz bleibt mir im Gedächtnis. Wobei ich glaube, dass es dabei nicht direkt um uns als Feuerwehrleute ging, sondern wir in diesem Moment einfach als Blitzableiter gedient haben. Der Alarm vor ein paar Jahren kam am Freitagabend. Aus einem Hochhaus in Kitzingen war ein Zimmerbrand gemeldet worden, mit Menschenleben in Gefahr. Als wir eintrafen, sahen wir tiefschwarzen Rauch aus der Wohnung aufsteigen. Es hieß, ein Mann sei noch dort drinnen.

    Als Teil des Angriffstrupps ging ich ins Gebäude. Als wir zur Wohnung kamen, stand dort ein, ich muss es so sagen, Mannsweib in der Tür, ein Kopf größer als wir. Hinter ihr quoll Rauch hervor. Sie wollte uns nicht in die Wohnung lassen, obwohl sich dort noch ihr Mann befand.

    Mit einem Mal holt die Frau aus und boxte mir in den Bauch. Die Beleidigungen dazu waren da fast schon Nebensache. Meine Kollegen und ich brachten uns in Sicherheit. Polizisten haben den Vorfall im verglasten Treppenhaus von draußen beobachtet. Sie kamen sofort herauf und legten der Frau Handschellen an. Die Polizisten wollte sie ebenfalls schlagen, im Rettungswagen hat sie dann noch dem Notarzt einen Einsatzhelm über den Kopf gezogen.

    Zum Glück war am Ende niemand verletzt worden. Wir verzichteten auf eine Anzeige wegen versuchter Körperverletzung oder Beleidigung. Die rabiate Frau kam dann in die Psychiatrie.

    Nachwirkungen hatte der Einsatz bei mir keine. Ich mache den Job bei der Feuerwehr ja, weil's mir Spaß macht. Das ist meine innere Einstellung dazu. Und zum Glück haben wir nicht tagtäglich mit solchem Klientel zu tun. Angst habe ich keine, nochmals einen solchen Einsatz zu erleben. Uns ist aber klar geworden, dass wir uns nicht alles gefallen lassen dürfen."

    3. Joachim Mantel (62), Feuerwehr Lohr (Lkr. Main-Spessart): Garstige Kommentare

    Joachim Mantel war 18 Jahre lang Kommandant der Feuerwehr Lohr (Lkr. Main-Spessart).
    Joachim Mantel war 18 Jahre lang Kommandant der Feuerwehr Lohr (Lkr. Main-Spessart). Foto: Lucia Lenzen

    "In meiner 18-jährigen Zeit als Kommandant der Feuerwehr Lohr habe ich viel erlebt. Zum Thema aggressive Autofahrer fällt mir ein Einsatz vor circa zehn Jahren ein. Ein 18-Jähriger war mit seinem Auto auf der B 26 zwischen Sackenbach und Neuendorf, auf Höhe der Schleuse Steinbach, unter einen Lastwagen geraten. Er war tödlich verletzt im Auto eingeklemmt. Der Laster stand quer zur Fahrbahn. Die Straße war dicht.

    Wir sperrten in Neundorf die B 26 für den Verkehr. Da kam ein Taxifahrer und fuhr um die Sperre herum. Dabei fuhr er Feuerwehrleuten fast über die Füße, einer musste sogar rennen, um sich in Sicherheit zu bringen.

    An der Schleuse kam er dann nicht weiter und ich habe ihn gefragt, wie er hierher gekommen ist. Er wollte einfach nicht einsehen, dass er hier nicht weiterkommt. Dabei hatte nicht einmal einen ungeduldigen Fahrgast an Bord, er war auf Leerfahrt. Ich habe ihm zwei Optionen gelassen: Er kann hier ein paar Stunden warten, bis es weitergeht, oder zurückfahren – und sich bei den Leuten an der Absperrung, die er fast überfahren hatte, entschuldigen.

    Ich habe immer versucht, denen gegenüber, die zu uns garstig waren, höflich zu bleiben. Viele wissen nicht, dass bei einem Unfall mit Todesfolge ein Vertreter der Staatsanwaltschaft vor Ort kommt. Das kann dauern. Und bis dahin ruhen alle Arbeiten der Feuerwehr, manchmal stundenlang.

    Auf der anderen Seite weiß ich: Die Absperrungen der Feuerwehr sind vor allem in der Anfangsphase eines Einsatzes, bis dieser geordnet läuft, auch nicht immer perfekt. Das erfordert auf beiden Seiten Verständnis und Geduld. Die Feuerwehr sperrt aber nie länger ab als nötig, denn letztlich wollen auch wir Einsatzkräfte möglichst schnell wieder zurück, zu unserer Arbeit oder nach Hause."

    4. Michael Schubert (55), Feuerwehr Schwebheim (Lkr. Schweinfurt): Frontal erfasst worden

    Michael Schubert ist Gruppenführer bei der Feuerwehr Schwebheim (Lkr. Schweinfurt).
    Michael Schubert ist Gruppenführer bei der Feuerwehr Schwebheim (Lkr. Schweinfurt). Foto: Fabian Gebert

    "Auf der B 286 lagen nach starken Schneefall etwa 20 Zentimeter Schnee und es hatten sich bereits mehrere Unfälle ereignet. Da wurden wir alarmiert, um die Straße zu sperren und den Verkehr von Schweinfurt kommend bei Schwebheim abzuleiten. Doch ein Autofahrer wendete mitten auf der Fahrbahn, behinderte dabei sogar andere Verkehrsteilnehmer.

    Als er zur Abfahrt kam, zeigten wir ihm mit der roten Kelle, dass er anhalten sollte. Doch statt zu bremsen gab er richtig Gas und erwischte mich mit dem Auto. Ich landete auf der Motorhaube und flog übers Dach hinters Heck. Zum Glück habe ich Helm und Schutzausrüstung getragen und blieb unverletzt.

    Bei der folgenden Gerichtsverhandlung in Schweinfurt stellte sich heraus, dass es sich bei dem Fahrer um einen pensionierten Polizeihauptkommissar aus München gehandelt hat. Der war über 80 Jahre alt. Er zeigte keine Einsicht und behauptete, dass er kein Stoppsignal gesehen habe. Doch das war gar nicht zu übersehen.

    Das Gericht hat dem Mann klar gemacht, dass er die Gesundheit und das Leben eines Feuerwehrmannes riskiert hat. Er erhielt eine hohe Geldstrafe und ein Fahrverbot. Damit ist er aus meiner Sicht ausreichend bestraft worden, so dass ich auf eine zusätzliche Schadensersatzforderung verzichtet habe."

    5. Moritz Hornung (24), Feuerwehr Volkach (Lkr. Kitzingen): Sportbootfahrer behindert Notarzteinsatz

    Moritz Hornung ist Pressesprecher der Feuerwehr Volkach (Lkr. Kitzingen).
    Moritz Hornung ist Pressesprecher der Feuerwehr Volkach (Lkr. Kitzingen). Foto: Silvia Gralla

    "Die Meldung kam an einem Sonntag um 12.04 Uhr: Bewusstlose Person auf dem Dschungelpfad, Herzinfarkt. Schon als wir in Volkach mit dem Feuerwehrboot losfuhren, fiel uns im Augenwinkel ein großes Sportboot am Campingplatz auf.

    Keine zehn Minuten, nachdem wir an der Einsatzstelle angekommen waren, tauchte das Boot dort auf. Diesmal fuhr es mit Vollgas an uns vorbei. Die Wellen erfassten unser Boot und liefen kurze Zeit später am Ufer auf, wo meine Kameraden gerade mit dem Notarzt um das Leben des Mannes kämpften.

    So eine Reanimation ist kräftezehrend, Rettungsdienst und Feuerwehr arbeiten Hand in Hand. Da kommt der Mann mit dem schwarzen Sportboot erneut. Wieder wirft er Wellen ans Ufer, wieder werden unsere Männer und der Patient nass. So geht das etliche Male.

    Eine solche Situation hatte ich noch nie erlebt. Ich fragte mich: Wie kann ich das unterbinden? Das Sportboot besitzt keinen Schifffahrtsfunk, die Wasserschutzpolizei war nicht greifbar und auf laute Schreie folgte kein Einlenken, sondern nur Grinsen. Doch wir durften uns bei der Versorgung des Patienten nicht ablenken lassen.

    Auch wenn die Umstände viel schwerer nicht hätten sein können, brachten wir den Mann unter laufender Reanimation mit einem Boot auf die andere Seite des Mains. Von dort flog ihn ein Hubschrauber in ein Krankenhaus. Dort starb er.

    Im Nachhinein betrachtet, glaube ich, dass der Bootsfahrer nicht ansatzweise den Ernst der Lage umrissen hatte. Alles andere würde sein Verhalten noch surrealer machen. Oder war es doch die Ellenbogen-Mentalität eines verkorksten Egoisten?

    Ich zeigte den Sportbootfahrer am Tag darauf bei der Polizei an. Doch die Ermittlungen wurden eingestellt. Denn: Auch wenn eine Schifffahrtssperre während des Einsatzes galt, darf die Feuerwehr diese auf einer Bundeswasserstraße nicht durchsetzen. Hingegen 100 Meter weiter, in einem angrenzenden See, das als Landesgewässer deklariert ist, schon. Irre.

    Trotz solcher Erlebnisse überwiegen die schönen und glücklich machenden Momente im Ehrenamt bei weitem, was uns zum Weitermachen motiviert."

    Absperren und Verkehrsregelung: Rechte der FeuerwehrZwei Gesetze regeln, inwieweit Feuerwehren in Bayern Einsatzstellen und auch Orte bei Übungen absperren und den fließenden Verkehr dort leiten dürfen.Im Artikel 24 des Bayerischen Feuerwehrgesetzes heißt es, dass Feuerwehrleute anstelle der Polizei "das Betreten der Schadensstelle und ihrer Umgebung verbieten oder Personen von dort verweisen und die Schadensstelle und den Einsatzraum der Feuerwehr sperren" können.Das Gesetz über Zuständigkeiten im Verkehrswesen legt in Artikel 7a fest, dass Feuerwehren zur Sicherung von Einsatzstellen Befugnisse der Polizei ausüben und nötige Verkehrszeichen und -einrichtungen aufstellen dürfen. Damit hat die Feuerwehr – zeitlich und örtlich begrenzt – das Recht, den Verkehr zu regeln. Die Polizei, die laut Straßenverkehrsordnung grundsätzlich dafür zuständig ist, kann dies beim Eintreffen am Unfallort auch an die Feuerwehr delegieren. Das ist Alltag, weil die verfügbaren Polizeikräfte für die Absicherung von Einsatzstellen oft nicht ausreichen.Wer Zeichen und Anweisungen zur Regelung des Verkehrs nicht befolgt, handelt laut Paragraf 36 der Straßenverkehrsordnung ordnungswidrig.Quelle: Merkblatt der Staatlichen Feuerwehrschule Würzburg

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden