Wieviel Impfstoff ist im Impfzentrum Rhön-Grabfeld zum Wochenende übrig? "Keine einzige Dosis", sagt Landrat Thomas Habermann (CSU). Auch die 1100 zugeteilten Portionen des umstrittenen Vakzins von Astrazeneca seien vollständig an Pflegepersonal und andere Berechtigte aus der höchsten Priorisierungsgruppe verimpft worden. Ist also nichts dran an der Klage von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), dass Hunderttausende Astrazeneca-Dosen ungenutzt in Kühlschränken lagern?
"Jede Impfdosis wird verwendet"
In den Impfzentren von der Rhön bis zum Steigerwald rechnet jedenfalls niemand damit, dass es so kommt. Alle vorhandenen Impfstoff-Bestände inklusive der für nächste Woche avisierten Lieferungen seien bereits fest verplant, heißt es beispielsweise in Schweinfurt. Auch in Würzburg verweist man auf eine "taggenaue Impfplanung". Bleibe am Ende eines Tages doch mal etwas übrig, sei dies gerade im Fall von Astrazeneca unproblematisch: Das Vakzin könne bis zu sechs Monate bei zwei bis acht Grad Celsius im Kühlschrank gelagert werden, sagt Michael Dröse, Verwaltungsleiter des Würzburger Impfzentrums. "Jede Impfdosis wird verwendet", betont man auch in Aschaffenburg.

Deshalb fällt es auch nicht weiter ins Gewicht, wenn einzelne hier und da in den Impfzentren Termine platzen lassen, weil sie der schlechte Ruf des Astrazeneca-Impfstoffs offensichtlich verunsichert. Die Ablehnung liege bei unter fünf Prozent, sagt Michael Dröse. Ähnlich die Lage im Landkreis Kitzingen: Auf 800 Frauen und Männer, die bislang mit Astrazeneca geimpft sind, kommen 23 Nein-Sager. In Bad Kissingen wurden bislang zwei Impftermine "ausdrücklich wegen Astrazeneca" abgesagt. Hinzu kommen jene, die ihren über das Impfportal gebuchten Termin stornieren, ohne Gründe zu nennen.
"Astrazeneca ist ein sehr, sehr guter Impfstoff."
Sabine Dittmar, SPD-Gesundheitsexpertin
Niemand wird hierzulande zum Impfen gezwungen, deshalb rückt bei Verzicht der nächste Bewerber nach. Während etwa in Rhön-Grabfeld oder in Aschaffenburg noch viele Berechtigte unter 65 Jahren aus der Gruppe mit höchster Priorität auf der Warteliste stehen, kommen anderswo jetzt auch Berechtigte aus der Gruppe zwei (hohe Priorisierung) an die Reihe. Sabine Sitter (CSU), die Landrätin in Main-Spessart, hat Senioren im Alter von 70 bis 80 Jahren, chronisch Kranke, Mitarbeiter medizinischer Einrichtungen, Polizei- und Ordnungskräfte, Erzieher sowie Grundschul- und Förderlehrer ausdrücklich aufgefordert, sich zeitnah für die Impfung zu registrieren. Während die Impfdosen von Biontech und Moderna vorerst noch für die Hochbetagten reserviert sind, kommt Astrazeneca bei Jüngeren zum Einsatz.
Unterdessen bemühen sich die Experten allerorts, Zweifel an der Wirksamkeit von Astrazeneca zu zerstreuen. Das Präparat sei ein "sehr, sehr guter Impfstoff mit hervorragenden Leistungsdaten", betont Sabine Dittmar, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. Alle in Deutschland zugelassenen Impfstoffe spielten in der gleichen Liga, weil sie mindestens einen schweren Krankheitsverlauf verhindern, so die Ärztin aus Maßbach (Lkr. Bad Kissingen).
Nichts Negatives über Astrazeneca gehört
Dass Astrazeneca nicht an Ältere über 65 Jahren verimpft werden soll, sage nichts über die Qualität oder Wirkung aus. Es liege allein daran, dass vergleichsweise wenige Menschen dieser Altersgruppe an den Zulassungsstudien teilgenommen hätten, sagen die Würzburger Experten Lars Dölken und Oliver Kurzai. In Großbritannien habe dies bei der Zulassung des Impfstoffs keine Rolle gespielt. Dort seien millionenfach auch Hochbetagte mit Astrazeneca geimpft worden - und bislang habe man nichts Negatives gehört. Man könne das Präparat ebenso wie die anderen zugelassenen Impfstoffe empfehlen, so der Virologe und der Mikrobiologe.

Unterdessen hat das bayerische Gesundheitsministerium auf die Frage geantwortet, ob den Corona-Hotspots in Ostbayern zusätzliche Astrazeneca-Dosen auf Kosten anderer Regionen im Freistaat zugeteilt werden. Demnach stammen die Sonderlieferungen aus der für Bayern bestimmten Astrazeneca-Menge. Erst würden diese entnommen, dann werde der übrige Impfstoff gemäß Bevölkerungsproporz auf alle Regierungsbezirke verteilt. Einen Nachteil, etwa für Unterfranken, sei das nicht, so das Ministerium.
Mitarbeit: Tim Eisenberger