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Würzburg: Atommüll-Endlager und Standort-Suche: Warum ein Lager in Unterfranken noch nicht ausgeschlossen ist

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Atommüll-Endlager und Standort-Suche: Warum ein Lager in Unterfranken noch nicht ausgeschlossen ist

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    Dagmar Dehmer von der Bundesgesellschaft für Endlagerung beim "3. Forum Endlagersuche" in Würzburg: Im Interview erklärt sie, warum Unterfranken als Standort in weiten Teilen nicht geeignet ist.
    Dagmar Dehmer von der Bundesgesellschaft für Endlagerung beim "3. Forum Endlagersuche" in Würzburg: Im Interview erklärt sie, warum Unterfranken als Standort in weiten Teilen nicht geeignet ist. Foto: Daniel Peter

    30 Sekunden. So lange dauerte die Sprengung der Kühltürme des AKW Grafenrheinfeld (Lkr. Schweinfurt) im August 2024. Daran erinnerte Christian Kühn, Präsident des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), am Freitag beim "3. Forum Endlagersuche" vor rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Würzburger Vogel Convention Center.

    Eine ganze Generation lang aber werde es dauern, bis die Wissenschaft einen sicheren Ort für den hochradioaktiven Atommüll in Deutschland gefunden haben wird. Und erst dann könnten die 54 Castor-Behälter aus Grafenrheinfeld in das zentrale Endlager transportiert werden, sagte Kühn.

    Warum auch Gebiete Unterfrankens noch als mögliche Standorte für ein Atom-Endlager infrage kommen, erklärt Dagmar Dehmer, Kommunikationsleiterin bei der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), im Interview.

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    Die Landkreise Würzburg, Kitzingen, Haßberge und Schweinfurt sind jetzt zum größten Teil als Endlager-Standort ausgeschlossen worden. Ebenso Nachbargebiete im Main-Tauber-Kreis, in Mittel- und Oberfranken. Teile der Landkreise Bad Kissingen, Rhön-Grabfeld, Main-Spessart, Aschaffenburg und Miltenberg sind noch im Rennen - richtig?

    Dagmar Dehmer: Nein. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen die Flächen, die in der Karte orange markiert wurden, zwar als "ungeeignet" an. Aber tatsächlich als Standort für ein Endlager ausgeschieden sind die Gebiete noch nicht. Das ist erst der Fall, wenn alle 90 Teilgebiete Deutschlands kategorisiert worden sind, wenn die BGE geeignete Standortregionen vorgeschlagen hat und wenn schließlich der Bundestag per Gesetz die Standortregionen festlegt, die im nächsten Schritt oberirdisch näher erkundet werden sollen.

    Warum sehen Wissenschaftler etwa die Hälfte Unterfrankens als "ungeeignet" an?

    Dehmer: Das als "ungeeignet" eingestufte Gebiet erstreckt sich über 32.000 Quadratkilometer über Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Der Untergrund besteht aus kristallinem Wirtsgestein. Mit anderen Worten: Granit. Es entstand vor mehr als 360 Millionen Jahren, zur Zeit des Urkontinents Pangaea. Damals ist der Untergrund aufgrund der großen Hitze aus dem Erdinneren geschmolzen und wieder zu Gestein erstarrt. Eigentlich sind diese Tiefengesteine aufgrund ihrer hohen Dichtigkeit, Festigkeit und dem hohen Druck für ein Endlager geeignet - aber nicht hier, weil sie tiefer als 1300 Meter unter der Erde liegen.

    Je tiefer der Atommüll unter der Erde verschwindet, desto sicherer - ist das falsch?

    Dehmer: Ja und nein. Wir suchen einen sicheren Ort in einer Tiefe zwischen 300 und 1500 Metern. In Granit, Salz oder Ton. Der Atommüll muss so tief eingeschlossen sein, dass theoretisch eine Eiszeit an der Oberfläche stattfinden könnte, ohne dass das Endlager zerstört wird. Aber es darf auch nicht zu tief sein. Pro 100 Meter wird es unter der Erde 3 Grad wärmer. 800 Meter unter der Erde herrschen etwa 30 Grad. Bei 1500 Metern sind es 45 bis 50 Grad. Und wir wollen dort Abfälle lagern, die selbst Hitze erzeugen, sobald bestimmte Zerfallsprozesse in den Behältern in Gang kommen. Je heißer es wird, desto höher ist das Risiko, dass sich die Rückhaltefähigkeit des Gesteins im Untergrund verschlechtert.

    Wie lange muss der Untergrund halten, bis von dem Atommüll keine Gefahr mehr ausgeht?

    Dehmer: Eine Million Jahre. Dann ist ein Großteil der radioaktiven Strahlung zerfallen. 

    Was könnte im schlimmsten Fall passieren?

    Dehmer: Die Dichtigkeit könnte nachlassen. Dann könnten sich Radionuklide mithilfe von Wasser oder Gas im Untergrund bewegen. Damit das nicht passiert, prüfen wir den Untergrund so aufwändig.

    Soll der Atommüll in Spezial-Behälter eingeschlossen werden?

    Dehmer: Ja. Es gibt verschiedene Konzepte, je nachdem, wo wir den Atommüll lagern werden. Kristallines Gestein ist sehr hart. Dort könnten Hohlräume oder Risse entstehen, wenn wir ein Bergwerk errichten. Daher müsste um die Behälter herum eine abdichtende Schicht eingebracht werden. Etwa aus Bentonit, einem Gestein, das ähnliche Eigenschaften hat wie Ton. Und die Behälter selbst müssen natürlich sehr, sehr lange halten.

    Um wie viele hochradioaktive Abfälle geht es?

    Dehmer: Es geht um 1900 Behälter mit 10.500 Tonnen Schwermetall. Das sind umgerechnet etwa 27.000 Kubikmeter. Nur die hochradioaktiven Abfälle, das sind etwa fünf Prozent des gesamten Atommülls, sind für das Endlager vorgesehen. Dazu zählen beispielsweise die abgebrannten Brennelemente aus den Atomkraftwerken.

    Müssten am Ort eines Endlagers alle Menschen wegziehen?

    Dehmer: Nein. Für die Endlagerung reicht ein Bergwerk auf einer Fläche von sechs bis acht Quadratkilometern unter Tage. Und wenn zum Beispiel 800 Meter Gestein zwischen Ihnen und dem Atommüll liegen, geht es Ihnen gut! Aber die konkrete Planung des Bergwerks wird noch dauern. Aktuell wurden erst 18 Prozent der Teilgebiete in Deutschland als ungeeignet eingestuft.

    Wann gibt es die nächsten Ergebnisse?

    Dehmer: In einem Jahr werden wir den nächsten Zwischenstand präsentieren. Bis 2027 wollen wir die Regionen bestimmen, die wir für gut geeignet halten. Dort werden dann Regionalkonferenzen für die Bevölkerung stattfinden und nach dem Parlamentsbeschluss auch Bohrungen gemacht.

    Wie viele Regionen werden als mögliche Standortregionen übrig bleiben?

    Dehmer: Zwischen 5 und 15.

    Bayern ist noch in der Auswahl, auch wenn Ministerpräsident Markus Söder anderer Meinung ist?

    Dehmer: Selbstverständlich. Etwa 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten gerade daran, den sichersten Ort in Deutschland zu finden - sowie viele weitere Institutionen, die extern deren Zwischenergebnisse überprüfen.

    Je länger die Endlager-Suche dauert, desto größer der Unmut der Menschen, die bei einem Zwischenlager leben. Wie lange ist der Atommüll in den Zwischenlagern, etwa in Grafenrheinfeld, noch sicher?

    Dehmer: Natürlich kann über der Erde mehr passieren als unter der Erde. Doch die massiven Gusseisen-Behälter, in denen der Atommüll gelagert wird, sind sicher. Ein Flugzeug könnte darauf fallen und sie gingen nicht kaputt.

    Zur PersonDagmar Dehmer (59) übernahm 2017 die Leitung der Unternehmenskommunikation der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE). Die frühere Politikerin war gemeinsam mit Fritz Kuhn 1991/92 Vorstandssprecherin der Grünen in Baden-Württemberg. Sie war viele Jahre als Journalistin tätig und beim "Tagesspiegel" in Berlin für Umweltberichterstattung zuständig. Später war sie u. a. Referentin beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und bei der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.Quelle: Wikipedia

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