Spätestens seit dem Missbrauch von sieben behinderten Jungen durch einen Würzburger Logopäden vor vier Jahren ist der Schutz minderjähriger Opfer von sexueller und körperlicher Gewalt bei den Behörden und Institutionen in Stadt und Landkreis Würzburg zum wichtigen Thema geworden. Um betroffenen Kindern und Jugendlichen in einer geschützten Umgebung bei der Verarbeitung ihrer schlimmen Erlebnisse zu unterstützen, soll auf dem Hubland-Campus der Universität Würzburg demnächst ein sogenanntes "Childhood-Haus" eröffnet werden.
Monika Kraft, stellvertretende Leiterin des städtischen Fachbereichs Jugend und Familie, und Professor Christoph Härtel, Direktor der Kinder- und Poliklinik der Universität, stellten das Projekt kürzlich im Interkommunalen Ausschuss (IKA) von Stadtrat und Kreistag erstmals vor. Die Würzburger Einrichtung soll das zehnte Childhood House in Deutschland und das zweite in Bayern werden: Mitte Juni hat Königin Silvia von Schweden in München das erste eröffnet. Die Monarchin ist Gründerin und Schirmherrin der "World Childhood Foundation", die Trägerin der Münchner Einrichtung ist.
Etwa zwei Kinder pro Klasse, die Opfer oder Zeuge von sexuellem Missbrauch geworden sind
In Würzburg werden viele Partner zusammenarbeiten, allen voran die Jugendämter von Stadt und Landkreis Würzburg, die Kinder- und Jugendpsychiatrie und die Kinderklinik sowie der auf die Betreuung von Missbrauchsopfern spezialisierte Wildwasser e.V.. Nach Aussage von Monika Kraft wollen sich die Landkreise Main-Spessart und Kitzingen bisher nicht an dem Projekt beteiligen. Dabei ist der Bedarf groß: Laut Christoph Härtel sitzen in jeder Schulklasse der Region im Durchschnitt "etwa zwei Kinder, die Opfer oder Zeuge von sexuellem Missbrauch geworden sind".

Sie sollen im Childhood-Haus eine kinderfreundliche Umgebung vorfinden, die ihnen die Verarbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse und die Ermittlungen von Polizei und Justiz so wenig belastend wie möglich macht. Die Opfer erhalten dort nicht nur die nötige psychologische und medizinische Betreuung: Auch der Spießrutenlauf mit vielen Terminen bei den in einem Missbrauchsfall beteiligten Behörden fällt weg. "Alle Institutionen kommen zum Kind und nicht das Kind zu den Institutionen, wie es an vielen Orten in Deutschland leider noch Standard ist", betonte Härtel, der das Projekt zusammen mit Professor Marcel Romanos, dem Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uni-Klinik, federführend vorantreibt. "Ein ganz entscheidender Aspekt ist, dass die Kinder durch die vielen Kontakte und Befragungen nicht immer wieder neu traumatisiert werden."
500.000 Euro als Anschubfinanzierung für die ersten drei Jahre
Ein weiteres Ziel sind gerichtsfeste Zeugenaussagen, die im Childhood-Haus in Räumen mit moderner Video- und Tontechnik durchgeführt werden können. "Das heißt auch, dass keine Konfrontation mit dem Täter oder der Täterin stattfindet", so Härtel weiter: "Das ist wichtig, weil es sich dabei häufig um engere Bezugspersonen handelt." Ein passendes Gebäude ist bereits gefunden: Das Childhood-Haus für die Region Würzburg wird im neuen Institutsgebäude des Deutschen Zentrums für Präventionsforschung und Psychische Gesundheit (DZPP) am Hubland-Campus der Universität Würzburg untergebracht.
Nach der entsprechenden Zusage der Universität werden für die neue Kinderschutz-Einrichtung rund 500.000 Euro als Anschubfinanzierung für die ersten drei Jahre benötigt. Härtel berichtete von vielversprechenden Gesprächen mit verschiedenen Stiftungen.