Zum ersten Mal fand der Geroldshäuser Weihnachtsmarkt auf dem neuen Dorfplatz statt. Über ein Dutzend Buden mit Essen und weihnachtlichem Kunsthandwerk gab es zu bewundern. Mitten drin, als selbstverständlich wahrgenommen und daher wenig beachtet, steht eine alte Kastanie. Mit ihren mannsdicken Ästen überdeckt sie große Teile des neuen Dorfplatzes. Wie die Gemeinde nun festgestellt hat, handelt es sich wohl um den dickstes Kastanienbaum in einem unterfränkischen Dorf. Mit 4,24 Metern Umfang und 1,33 Meter Durchmesser weist sie, so Bürgermeister Gunther Ehrhardt, eine stattliche Größe auf.
Mit dem Weihnachtsmarkt am 2. Adventssonntag feierten Bürger und Gemeinde die Eröffnung des neuen Dorfplatzes. Bei Kosten von knapp 800.000 Euro hat Geroldshausen erstmals einen Versammlungs- und Begegnungsort erhalten. Etwas mehr als die Hälfte stammen aus Fördermitteln des Amtes für ländliche Entwicklung (ALE). Die Kastanie hat großen Anteil am besonderen Ambiente des Platzes. Dem Baumriesen galt denn auch bei den umfangreichen Bauarbeiten im Umfeld ein besonderes Augenmerk. Noch bevor die Bagger für den Abriss der Gaststätte, der Kegelbahn und des Bauhofs anrückten, erhielt die Kastanie eine Absicherung, um die Wurzeln vor Beschädigungen und einer Verdichtung des Bodens zu schützen.
Regelmäßige Überprüfung
Zuvor hatten Zugversuche und Bohrwiderstandsmessungen stattgefunden, mit denen die Standsicherheit der Bäume geprüft wurde. Regelmäßig war ein Baumgutachter zu Besuch, um den Zustand zu beobachten. Der Baum scheint bislang die Bauarbeiten gut überstanden zu haben: Er wirkt weiterhin kerngesund und so, als ob er noch eine lange Zukunft vor sich hat. Dies soll auch so bleiben: In einem weiten Bereich um den Baum herum verzichtete man auf festes Pflaster. Der Baum wird weiterhin regelmäßig geprüft.
Auch der Kindergarten-Neubau passt sich dem Platz mit der Kastanie mit einer Holzverkleidung und einer halbrunden Öffnung zum Baum hin an. Hier befindet sich der Zugang des zweigruppigen Kindergartens samt Kinderkrippe. Das 3,4 Millionen Euro teure Gebäude hat bereits im September seinen Betrieb aufgenommen. Nach Süden schließt sich ein Spielplatz und eine parkähnliche Anlage an. Derzeit laufen zudem Planungen für eine Neugestaltung des nahen Bahnhofs und der Bahnübergänge.
Neue Erinnerungstafel
Die Kastanie ist Teil der Dorfgeschichte. Sie und ein kaum weniger mächtiger Ahorn-Baum sind letzte Zeugen des Gasthauses Zur Eisenbahn. Beide Bäume dienten unweit des Bahnhofs als Schattenspender eines Biergartens. Am Rande des Dorfplatzes befindet sich jedoch auch ein deutlicher Hinweis auf die dunklen Seiten der Dorfgeschichte. Geroldshausen hatte im 19. Jahrhundert ein blühendes jüdisches Gemeindeleben aufzuweisen, das mindestens 600 Jahre zurückreichte. Zeitweise war rund ein Drittel Bewohner jüdischen Glaubens.
Zu Beginn der NS-Herrschaft 1933 lebten nur noch neun Juden im Ort. Eine neu errichtete Erinnerungstafel erinnert daran, dass vier von ihnen vom Bahnhof Geroldshausen aus deportiert und ermordet wurden. Die Tafel und die Skulptur eines Koffers sind Teil des DenkOrt Deportationen 1941 – 1944 am Würzburger Hauptbahnhof.