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Würzburg: Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bistum Würzburg: Wie Betroffene beim Gutachten mitwirken können

Würzburg

Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bistum Würzburg: Wie Betroffene beim Gutachten mitwirken können

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    Die Würzburger Juristin Prof. Anja Amend-Traut ist unabhängige Aufarbeitungskommissionsvorsitzende im Bistum Würzburg:  "Ausschließlich der Gutachter und dessen Mitarbeiter werden die Akten sichten."
    Die Würzburger Juristin Prof. Anja Amend-Traut ist unabhängige Aufarbeitungskommissionsvorsitzende im Bistum Würzburg: "Ausschließlich der Gutachter und dessen Mitarbeiter werden die Akten sichten." Foto: Johannes Kiefer

    Nun wird auch in der Diözese Würzburg ein externes Missbrauchsgutachten erstellt - unabhängig von der Kirche. Bislang sorgte jede Veröffentlichung eines solchen Untersuchungsberichts für Aufregung – nicht nur in den betreffenden katholischen Bistümern. Besonders das Münchner Missbrauchsgutachten erschütterte vor einen Jahr, Ende Januar 2022, bundesweit die Menschen zutiefst. Viele kehrten der Amtskirche danach den Rücken zu. Würzburgs Bischof Franz Jung sah in der Münchner Expertise "das systemische Versagen von Kirche einmal mehr beschrieben".

    In Würzburg gab es Ende November auf die Mitteilung der Kommission, dass ein Gutachten in Auftrag gegeben worden sei, sofort Reaktionen. Missbrauchsbetroffene äußerten Kritik und beschrieben Unsicherheiten und Ängste. Die Juristin Prof. Anja Amend-Traut möchte diese gerne zerstreuen. Die Inhaberin des Lehrstuhls für Deutsche und Europäische Rechtsgeschichte, Kirchenrecht und Bürgerliches Recht an der Universität Würzburg ist als Vorsitzende der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung  sexuellen Missbrauchs im Bistum Würzburg (UKAM) eingesetzt. Fragen dieser Redaktion zur Arbeit der Kommission und zum Vorgehen hat sie schriftlich beantwortet.

    Was sind die Zielvorgaben des Würzburger Missbrauchsgutachten?

    Es geht nach Angaben der Unabhängigen Kommission um die Bestandsaufnahme der durch kirchliche Mitarbeiter begangenen Fälle des sexuellen Missbrauchs - zunächst aus juristischer Perspektive. Ziele sind nicht nur die umfassende Aufklärung, sondern auch die Untersuchung des Umgangs der Diözese mit Tätern und Betroffenen. Strukturen sollen identifiziert werden, die sexuellen Missbrauch ermöglicht oder erleichtert oder dessen Aufdeckung erschwert haben. Als Sachverständigen hat die Kommission den Wiesbadener Rechtsanwalt Prof. Hendrik Schneider. Der Untersuchungszeitraum umfasst die Jahre 1945 bis Ende 2019.

    Warum hat es viele Monate gedauert, bis das Würzburger Missbrauchsgutachten in Auftrag gegeben wurde?

    In der Ankündigung der Unabhängigen Kommission ist von einem zeitaufwändigen Verfahren die Rede. Die achtköpfige Kommission habe "eigenverantwortlich und ohne jegliche Einflussnahme der Diözese" die Grundlagen und die Aufgaben des Gutachtens erarbeitet und festgelegt. Dazu seien eine "Arbeitsgruppe Recht" geschaffen sowie externe Expertisen eingeholt worden, informiert die Vorsitzende Prof. Anja Amend-Traut.

    Die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals benötige enormes Engagement und stelle einen langen Lernweg dar, "der bei weitem noch nicht abgeschlossen ist", sagte Bischof Franz Jung zuletzt gegenüber der Deutschen Presse-Agentur dpa. "Dazu zählt auch, dass wir als Deutsche Bischofskonferenz jüngst unsere Struktur in diesem Bereich grundlegend neu aufgestellt haben", so Jung. Ziel sei es, den Anliegen der Betroffenen noch besser Rechnung tragen zu können und eine größere Unabhängigkeit der Aufarbeitungsprozesse zu gewährleisten. "Aber es sind große Aufgaben, die in den einzelnen Bistümern mit unterschiedlicher Geschwindigkeit angegangen werden." Diese Ungleichzeitigkeit sei sicher ein Problem, habe aber mehrere Gründe wie beispielsweise die Konstituierung der erforderlichen Gremien. Auch der Betroffenenbeirat zählt dazu.

    Wird die Anonymität bei der Auswertung der Kirchenakten gewahrt?

    Der beauftragte Gutachter wird die Kirchenakten sichten und auswerten. Betroffene äußerten Bedenken, dass dabei die Anonymität nicht gewahrt wird. Die Geheimhaltung der Erkenntnisse und Informationen, insbesondere der personenbezogenen Daten der Betroffenen, sowie die Wahrung deren Persönlichkeitsrechte sei während der Erstellung des Gutachtens gewährleistet, versichert  Amend-Traut: "Im Gutachten werden diese Erkenntnisse nur in anonymisierter Form verarbeitet."

    Wer schaut konkret in die Akten und welche Dokumente werden untersucht?

    Laut Amend-Traut werden ausschließlich der Gutachter und dessen Mitarbeiter die Akten sichten. Die einzelnen Mitglieder der Unabhängigen Kommission hätten keinen Einblick. "Die Gutachtenerstellung beschränkt sich nicht auf die von der Kirche geführten Akten", sagt die Vorsitzende. Miteinbezogen werde auch öffentlich zugängliches Archivgut, das keinen Einzelfallbezug hat.

    Der Gutachter hat eine "Berichtspflicht" - was heißt das?

    Die Berichtspflicht ist losgelöst vom Einzelfall. Sie bezieht sich laut Amend-Traut lediglich auf den Fortgang und Stand der Gutachtenserstellung.

    Die acht Mitglieder der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Würzburg (UKAM) mit Bischof, Finanzdirektor und Gutachter: (von li.) Sven Kunkel, Prof. Marcel Romanos, Bischof Franz Jung, Christine Göbel, Jörg Amrhein, Prof. Anja Amend-Traut, Dr. Hülya Düber, Prof. Andreas Warnke, der Sachverständige Prof. Henrik Schneider, Lars Müller-Mück und Erik Ohlenschlager
    Die acht Mitglieder der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Würzburg (UKAM) mit Bischof, Finanzdirektor und Gutachter: (von li.) Sven Kunkel, Prof. Marcel Romanos, Bischof Franz Jung, Christine Göbel, Jörg Amrhein, Prof. Anja Amend-Traut, Dr. Hülya Düber, Prof. Andreas Warnke, der Sachverständige Prof. Henrik Schneider, Lars Müller-Mück und Erik Ohlenschlager Foto: Markus Hauck

    Wird abgeklärt, wer bereits die Akten gesichtet hat?

    Die UKAM-Vorsitzende bejaht diese Frage: Der Gutachter werde alle dokumentierten Akteneingriffe wahrnehmen, so Amend-Traut. Dies sei auch notwendig, "um zu erkennen, zu welchen Reaktionen der Kirchenverwaltung die Kenntnisnahme von Missbrauchsfällen in der Vergangenheit tatsächlich geführt haben".

    Ist eine Mitwirkung von Betroffenen für das Würzburger Gutachten vorgesehen?

    Für das Münchner Missbrauchsgutachten waren auch Betroffene interviewt worden. "Die Mitwirkung der Betroffenen bei der Aufklärung, Bewertung und Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Diözese Würzburg ist von zentraler Bedeutung", betont Amend-Traut. Gerade den Betroffenen solle auch im Würzburger Gutachtensverfahren das – möglicherweise bisher vermisste – persönliche Gehör verschafft werden, insbesondere über das Hinweisgebersystem.

    "Dass die Betroffenen nicht gehört würden, könnte ich nicht sagen", sagte Bischof Franz Jung gegenüber der dpa. "Ob die bisherigen Maßnahmen und Entscheidungen bei der Aufarbeitung immer ihren Vorstellungen entsprechen, steht allerdings auf einem anderen Blatt."

    Wann startet das Hinweisgebersystem?

    Das Hinweisgebersystem soll im ersten Quartal 2023 freigeschaltet worden. Die Unabhängige Kommission ruft dazu auf, dass sich Betroffene melden. Durch das Hinweisgebersystem könnten bisher nicht entdeckte Missbrauchshandlungen anonymisiert und unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte bekannt gemacht werden. Zudem bestehe die Möglichkeit, mit dem Gutachter in persönlichen Kontakt zu treten. Ziel sei, die Missbrauchsfälle aus dem Dunkelfeld herauszuholen, so Amend-Traut.

    Das Hinweisgebersystem soll über die Webseite des eingesetzten Sachverständigen, Rechtsanwalt Hendrik Schneider, oder über die Homepage der Unabhängigen Aufarbeitungskommission aufrufbar sein: www.hendrikschneider.eu und www.ukam-wue.de.

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