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Würzburg: Aufarbeitung von Missbrauch im Bistum Würzburg: "Alles tun, dass wir etwas aufdecken"

Würzburg

Aufarbeitung von Missbrauch im Bistum Würzburg: "Alles tun, dass wir etwas aufdecken"

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    Viele Missbrauchsbetroffene wissen nicht, was die Aufarbeitungskommission im Bistum Würzburg macht  und wie kirchenunabhängig sie ist. Die Vorsitzende Professorin Anja Amend-Traut gibt Antworten.
    Viele Missbrauchsbetroffene wissen nicht, was die Aufarbeitungskommission im Bistum Würzburg macht  und wie kirchenunabhängig sie ist. Die Vorsitzende Professorin Anja Amend-Traut gibt Antworten. Foto: Johannes Kiefer

    Die Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Bistum Würzburg (AAK) hat im Juni 2021 ihre Arbeit aufgenommen. Vorsitzende ist Prof. Anja Amend-Traut, Inhaberin des Lehrstuhls für Deutsche und Europäische Rechtsgeschichte, Kirchenrecht und Bürgerliches Recht an der Universität Würzburg. Dem Gremium gehören fünf weitere Mitglieder aus Politik, Medizin und Justiz an, zudem zwei Betroffene.

    Im Januar habe die inhaltliche Arbeit der Kommission erst richtig begonnen, sagt Leiterin Amend-Traut. Zuvor hätte unter anderem eine Geschäftsordnung erstellt werden müssen. Demnächst soll ein Gutachten in Auftrag gegeben werden. Im Interview erläutert die Juristin das Vorgehen.

    Betroffene von sexualisierter Gewalt legen großen Wert darauf, dass Aufarbeitungskommissionen kirchenunabhängig sind. Wie wichtig ist das für Sie?

    Prof. Anja Amend-Traut: Wir wollen in jeder Hinsicht unabhängig sein. Deshalb haben wir im Dezember den Personalchef der Diözese, der bis dahin Mitglied der Aufarbeitungskommission war, im einvernehmlichen Dialog mit ihm ersetzt. Die Deutsche Bischofskonferenz empfiehlt zwar, dass auch ein Vertreter der Diözese dabei sein soll. Wir haben uns dagegen entschieden, weil in der Außenwahrnehmung schnell der Vorwurf im Raum stand, dass wir nicht unabhängig seien.

    Argwohn gab es bei Betroffenen auch in Bezug auf ihre Vertreter: Die beiden Personen, die 2021 vom Betroffenenbeirat in die Kommission gewählt wurden, sind nach außen hin anonym.

    Amend-Traut: Nach der jüngsten personellen Veränderung im Betroffenenbeirat, die allein auf eine interne Entscheidung des Betroffenenbeirats ohne Einflussnahme seitens des Bistums Würzburg zurückgeht, haben sich die Mitglieder jetzt dazu entschlossen, öffentlich die Namen zu nennen. Und ich kann sagen, dass es sich bei den beiden Mitgliedern aus dem Betroffenenbeirat um Christine Göbel und Jörg Amrhein handelt.

    Wie geht es nun weiter in Sachen Aufarbeitung?

    Amend-Traut: Wir haben uns zunächst die strafrechtliche Aufarbeitung auf die Fahnen geschrieben. Aber nicht alleine im Hinblick auf die Identifizierung von Tätern oder einzelnen Taten. Wir wollen auch die Verantwortlichen in den Fokus nehmen und das – wie im Münchner Missbrauchsgutachten – ebenso in einem Gutachten untersuchen lassen.

    "Ich halte die Einbindung von Betroffenen für sehr wichtig."

    Professorin Anja Amend-Traut, Vorsitzender der Aufarbeitungskommission im Bistum Würzburg

    Strafrechtlich sind die meisten Fälle verjährt.

    Amend-Traut: Viele Betroffene fühlten sich vor den Kopf gestoßen, als sie erfahren mussten, dass ihr Fall verjährt ist. Die Frage, inwiefern sich der Beschuldigte strafbar gemacht hätte, wird nicht weiter untersucht. Strafrechtsrelevant sind aber auch Verdeckungstaten. Auch diese sollen im strafrechtlichen Gutachten untersucht werden. Wir werden uns an dem Zeitraum von 1945 bis 2019 orientieren – wie in München. Wir wollen den Betroffenen durch das Gutachten eine gewisse Anerkennung des zugefügten Unrechts verschaffen, aber damit auch die Grundlage für ein Konzept zur Vermeidung zukünftiger sexueller Übergriffe schaffen.

    Werden auch Betroffene gehört?

    Amend-Traut: Ich halte die Einbindung von Betroffenen für sehr wichtig. Möglich wäre ein öffentlicher Aufruf zur Mitarbeit an dieser strafrechtlichen Aufarbeitung.

    Wann wird die Kommission das Würzburger Missbrauchsgutachten in Auftrag geben?

    Amend-Traut: Wir formulieren gerade Fragen, die wir einem Gutachter oder einem Gutachter-Gremium vorlegen, und wollen die Expertise möglichst rasch auf den Weg bringen. Nicht nur wegen des Drucks von außen, sondern auch wegen des Drucks, den wir uns selbst gestellt haben. Die Kommission ist auf fünf Jahre angelegt. Und wir haben neben diesem Gutachten noch andere Ziele.

    Die Würzburger Professorin Anja Amend-Traut leitet die Aufarbeitungskommission, die ein Missbrauchsgutachten in Auftrag geben wird.
    Die Würzburger Professorin Anja Amend-Traut leitet die Aufarbeitungskommission, die ein Missbrauchsgutachten in Auftrag geben wird. Foto: Johannes Kiefer

    Wird dieses Gutachten, wird die Würzburger Missbrauchsstudie dann veröffentlicht?

    Amend-Traut: Das planen wir, allerdings unter Einhaltung sämtlicher datenschutzrechtlicher Bestimmungen. Ich sage das deshalb, weil die Befürchtung einzelner Betroffener doch sehr groß ist, dass Namen genannt werden oder dass eine einzelne Person ausgemacht werden kann. Ich möchte an dieser Stelle klarstellen, dass wir für die Betroffenen arbeiten und nicht gegen sie. Wir werden alles dafür tun, dass wir im Sinne der Betroffenen etwas aufdecken. Und wir sind, wie gesagt, unabhängig. Nicht das Bistum, wie das etwa in Köln oder in München der Fall war, vergibt den Auftrag, sondern wir als unabhängiges Aufarbeitungsgremium.

    "Nicht die Mitglieder der Kommission, auch nicht die Betroffenen in dieser Kommission, schauen in die Akten."

    Professorin Anja Amend-Traut

    Viele Betroffene haben die Angst, dass "ihre" Akten eingesehen werden.

    Amend-Traut: Nicht die Mitglieder der Kommission, auch nicht die Betroffenen in dieser Kommission, schauen in die Akten. Das Gutachtergremium wird in die Akten schauen. Es wird eine Kanzlei sein, weil es für unseren Auftrag einer juristischen Expertise für bedarf. Gutachter sind selbstverständlich zur Verschwiegenheit verpflichtet und unterliegen dem Datenschutz. Zudem sind es keine Personalakten der Betroffenen, sondern es geht um Personalakten von Bediensteten der Diözese.

    Können Sie die Bedenken der Betroffenen verstehen?

    Amend-Traut: Diese Bedenken berühren eine grundlegende Problematik. Wenn wir dem Wunsch der Betroffenen nachgehen, dass sexueller Missbrauch aufgearbeitet wird, dann benötigen wir die Information dazu: Wie alt war ein Opfer? Aus welchem sozialen Umfeld kommt es? In welchem Obhutsverhältnis befand sich das Opfer? Solche Aspekte müssen berücksichtig werden, um am Ende zum Beispiel sagen zu können: Im Durchschnitt handelte es sich bei den Opfern um Jugendliche im Alter zwischen 12 bis 14 Jahren. Oder: Die Opfer waren überwiegend weiblich. Solche Aspekte sind wichtig, nicht nur juristisch. Sie geben Antworten darauf, wie ein Täter getickt hat. Oder wie die Strukturen gewesen sind. Aber, ohne dass wir in die Akten schauen, können wir das nicht aufklären.

    Wer zahlt das Gutachten der Aufarbeitungskommission?

    Amend-Traut: Wir haben einen Fonds, über den wir frei verfügen können. Das Geld hat die Diözese zur Verfügung gestellt. Aber die Aufarbeitungskommission hat den unmittelbaren Zugriff. Sie muss dem Bischof keine Rechenschaft ablegen und keine Ergebnisse vor Veröffentlichung zur Prüfung vorlegen.

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