Wer bringt ihnen das Jagen bei? Diese Frage steht im Zentrum der Arbeit von Karl-Josef Kant, wenn in einigen Wochen wieder hilflose Eulen-, Bussard- oder Falkenküken bei ihm abgegeben werden. Seit 20 Jahren gibt es seine Auffangstation für Greifvögel am Schenkenturm.
In Freiheit hätten sie keine Chance „Gäähr, gäähr, gäähr.“ In einer Voliere des weitläufigen Geländes kreischt die Rabenkrähe Zoro. Die Polizei hat das schwarz glänzende Tier beschlagnahmt, am Schenkenturm fand es eine neue Heimat. Genauso wie der Kolkrabe Bernd, dessen Besitzer verstorben ist.
In Freiheit würden die bei Menschen aufgewachsenen Tiere nicht überleben.
„Also füttern wir sie halt durch“, scherzt Kant. Denn wie sehr er seine Schützlinge schätzt, wird deutlich, wenn er der Krähe Bernd einen Leckerbissen zu steckt, von Uhu Alfons mit „schuuhuu“ begrüßt wird oder daran, wie vorsichtig er einen flugunfähigen Turmfalken auf die Waage setzt.
500 Vögel in 20 Jahren
Rund 500 Vögel hat Kant in den vergangenen 20 Jahren betreut. Fast genauso viele Geschichten kann er über die Tiere erzählen. Manche gehen gut aus, manche nicht. . .
Greifvögel faszinieren den 72-Jährigen schon immer. „Ich bin hier oben in der Natur aufgewachsen“, erzählt er. Nach Molchen, Fischen, Hasen, bekam er mit 15 Jahren einen verwaisten Turmfalken, später legte Kant die Falkner-Prüfung ab und bald sprach sich herum, dass er sich um verletzte Vögel kümmert. „So hat sich der Garten meines Elternhauses zur Auffangstation entwickelt.“
Mit seiner Frau Christine füttert Kant zweimal täglich seine Schützlinge mit Eintagsküken, Tauben- oder Rindfleisch. In Volieren oder an einer Lockschnur befestigt auf Sitzstangen sitzen dauerhafte Pflegefälle wie die Krähe, der Rabe oder der Turmfalke, der von seinem vorherigen Besitzer in einem Hasenkäfig gehalten wurde und seitdem nicht mehr richtig fliegen kann.
Nicht alle Schützlinge haben überlebt
Mit ihren sechs eigenen Vögeln gehen die Kants auf die Jagd und machen Flugvorführungen für Kindergärten oder Schulen. Dazu kommen immer wieder akute Fälle.
Zum Beispiel ein Wanderfalke mit gebrochener Schwinge, ein halb verhungerter Rotmilan oder ein Mäusebussard, der vom Zug überfahren worden war – diese Tiere sind trotz liebevollem Aufpäppelns in der Auffangstation gestorben. „Die werden im Tierkörper-Krematorium verbrannt, in die Mülltonne stopfen will ich sie nicht.“
Wenn verletzte Altvögel sich erholen, fahren die Falkner sie zurück zum Fundort. Ist dieser nicht bekannt, gewöhnen die Falkner sie langsam wieder an das Leben in Freiheit, bieten ihnen dabei noch weiter Futter an.
Der Mäusbussard Hermann kam jeden Abend zum Fressen
„Unser Mäusebussard Hermann ist lange Zeit jeden Abend zum Fressen zu uns gekommen. Bis er eines Tages dann weg blieb“, erinnert sich Kant. Ob Hermann etwas zugestoßen oder eine Partnerin gefunden hat, weiß der Tierfreund nicht, für den die Fähigkeit Loszulassen zur Tierliebe dazu gehört. „Der Sinn unserer Arbeit ist ja, ihnen wieder ein Leben in Freiheit zu ermöglichen.“
Bei Jungvögeln ist das manchmal schwierig. In der Schlupfzeit zwischen Mai und Juli erreichen ihn mehrmals die Woche Anrufer, die ihm über einem Waldohreulenküken auf einem Gehsteig in der Lindleinsmühle oder von einem kleinen Kauz unter einer Parkbank im Hofgarten erzählen. Dann springt er ins Auto und sucht das Nest.
Hilfe von der Feuerwehr
Um das Küken wieder ins Nest zu setzen hilft gelegentlich die Berufsfeuerwehr Würzburg.
Mit deren Dreh-Leiter wurde zum Beispiel ein junger Falke wieder an seinen Platz in Schwindel erregender Höhe unter der Autobahnbrücke gebracht. Wackelige Nester verstärkt Kant, damit der Jungvogel nicht gleich wieder raus purzelt, sondern von seinen Eltern solange versorgt wird, bis er richtig fliegen und mit ihnen gemeinsam jagen kann.
Bei Lohrle hat das leider nicht geklappt. Die Waldohreule aus der Nähe von Lohr war die einzige Überlebende eines Nestes, das wohl von einem Sturm zerstört wurde.
Bitte sitzen lassen und den Falkner anrufen
Also haben die Falkner das Federbüschel mitgenommen und Christine Kant fütterte es anfangs stündlich. Heute ist Lohrle gesund und munter – aber nur in menschlicher Obhut. „In freier Natur würde sie verhungern“, erklärt Kant. Deshalb bittet der Experte: „Wer einen jungen, flugunfähigen Greifvogel findet, soll ihn möglichst da lassen, wo er ist und mich anrufen.“ „Denn das Jagen kann sie ja nur von ihren Eltern lernen.“
Notfall-Telefone Eulen und Greifvögel sind streng geschützt. Das ehrenamtliche Engagement der Falkner Kant wird von der Stadt Würzburg finanziell unterstützt. Zu erreichen ist die Auffangstation unter Tel. 0931/942 14 oder 0170/551 57 26. Auch der Verein Greifvogel- und Eulenhilfe Würzburg unterhält seit 2015 eine Auffangstation, Falkner Harald Dellert Tel. 0931/991 10 33 oder 0171/6 86 16 66.