Die Wanderausstellung „erfasst, verfolgt, vernichtet – Kranke und behinderte Menschen im Nationalsozialismus“ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) ist seit 2014 weltweit unterwegs. Erstellt wurde sie mit den Stiftungen Denkmal für die ermordeten Juden Europas und Topographie des Terrors. Von 19. Juni bis 18. August ist die Ausstellung in Würzburg in der Neuen Universität am Sanderring zu sehen – ergänzt mit Informationstafeln über die spezielle Situation in Würzburg und Umgebung.
Eröffnung im Audimax
Die Eröffnung der Ausstellung ist am Dienstag, 20. Juni, um 19 Uhr im Audimax. Zur Einführung spricht Professor Frank Schneider, ehemaliger Präsident der DGPPN. Der Vortrag von Professor Martin Krupinski, Leiter der Abteilung für Forensische Psychiatrie im Zentrum für Psychische Gesundheit der Uniklinik Würzburg, lautet: „Zur Täterbiografie des Würzburger Arztes Werner Heyde – angeklagt des Mordes in mindestens 100 000 Fällen“.
Begleitprogramm
Zum umfangreichen Begleitprogramm der Ausstellung gehört neben Filmvorführungen und einer Stolpersteinverlegung zum Gedenken an Andrzej Rostecki (29. Juni, 14 Uhr) auch eine Vortragsveranstaltung am Samstag, 15. Juli, von 10 bis 14 Uhr im Audimax der Neuen Universität:
• Professor Johannes Dietl: „Zwangssterilisation und Zwangsabtreibung an der Universitätsfrauenklinik Würzburg 1934-1945“
• Privatdozentin Karen Nolte (Institut für Geschichte der Medizin): „Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in der Universitätsnervenklinik Würzburg in den 1940er Jahren“
• Dr. Thomas Schmelter (Krankenhaus Werneck): „Die Heil- und Pflegeanstalten Lohr und Werneck im Nationalsozialismus“
• Julius Scharnetzky (Gedenkstätte Flossenbürg): „Zwischen Pragmatismus und Terror. Die Geschichte eines Außenlagers des KZ Flossenbürg in Würzburg“.
Arbeitskreis zur Erforschung der NS-„Euthanasie“
Drei dieser Vorträge waren bereits auf der Frühjahrstagung des Arbeitskreises zur Erforschung der nationalsozialistischen „Euthanasie“ und Zwangssterilisation zu hören. Sie fand Ende Mai im Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin Schloss Werneck statt.
Oberarzt Dr. Thomas Schmelter, seit vielen Jahren Mitglied im Arbeitskreis, hat die Tagung nach Werneck geholt in „eine der alten bayerischen Psychiatrien“. Die Heil- und Pflegeanstalt war während des Krieges ab 1940 geschlossen. Patienten aus Werneck wurden aber ebenso Opfer der NS-„Euthanasie“ beziehungsweise der „Aktion T4“.
Insgesamt wurden laut Angaben des Arbeitskreises in den Jahren 1933 bis 1945 in Deutschland zehntausende psychisch kranke, geistig behinderte oder sozial auffällige Männer, Frauen und Kinder verstümmelt oder ermordet. Ihre Versorgungs- und Unterstützungsbedürftigkeit habe sie zu „Ballastexistenzen“ gemacht, die es zu beseitigen galt.
Der Arbeitskreis entstand 1983. Damals trafen sich erstmals in Deutschland haupt- und nebenamtliche Forscherinner und Forscher unterschiedlicher Fachrichtungen, um die Geschichte der NS-Verbrechen an den als „minderwertig“ erachteten Personen aufzuklären.
In Werneck wurde nicht nur über lokale Themenschwerpunkte diskutiert, sondern auch über historische und moralische Lehren aus der NS-„Euthanasie“ bzw. über „Medizin als Opfer und Täter“ (PD Dr. Walter Bruchhausen, Medizinhistorisches Institut der Uni Bonn) sowie über das Thema „Medizinische Forschung am Menschen ohne persönliche Einwilligung – die Geschichte einer ethischen Normverschiebung“ (Dr. Michael Wunder, Beratungszentrum Alsterdorf, Hamburg).
Mehr Informationen zum Arbeitskreis im Internet: www.ak-ns-euthanasie.de/ sowie zur Wanderausstellung in Würzburg: www.dgppn.de/