Bernhard Reiser staunte nicht schlecht, als im Sommer 2018 ein kleiner Junge in seiner Küche stand, sagte, ihm sei langweilig und fragte, ob er mal mitkochen könne. Friedrich Bönisch, der mit einer genetisch bedingten Kleinwüchsigkeit durchs Leben geht, war damals zwölf. Schon damals half der Junge aus Würzburg auch daheim gerne beim Kochen, im Fernsehen schaute er am liebsten Kochsendungen an.
Friedrich Bönisch wohnte mit seinen Eltern ganz in der Nähe des damaligen Würzburger Sternerestaurants "Reisers am Stein". Nach Rücksprache mit den Eltern stellte Bernhard Reiser dem Jungen, wenn der mal wieder vorbeischaute, weil ihm langweilig war, eine Metzgerwanne in die Küche. So konnte der Zwölfjährige zuschauen und auch mal was helfen. "Schon damals hat er sich sehr geschickt angestellt", sagt der Spitzenkoch.
Eines Tages fragte Friedrich Bönisch den Gastronomen dann, ob er bei ihm nach der Schule eine Ausbildung machen könne. Reisers Antwort: "Wenn Du es dann immer noch willst, mache ich Dich zum Koch."
Kochausbildung als Kleinwüchsiger: Bürokratische Hürden für den Küchenchef
Friedrich Bönisch wollte. "Mich reizt das Handwerk und die Kreativität, dass ich mit meinen Händen ein tolles Gericht erschaffen kann", sagt der 18-Jährige. Noch während der Schulzeit absolvierte der Würzburger ein Praktikum bei "Reisers am Stein" und eines in einer Hotelküche.
Nach dem Mittelschulabschluss stand er mit seiner Bewerbung dann wieder vor Bernhard Reiser. Und bekam die Zusage. Er habe gespürt, dass dieser Junge es wirklich will, sagt der 58-jährige Koch und Gastro-Unternehmer. Das sei wichtigste. "Und ich bin ja auch nicht der größte und habe in meiner Lehrzeit öfter mal eine Bierkiste gebraucht, um an die obersten Regale zu kommen."

Doch dann kam die Bürokratie, sagt Reiser. Ihm sei klar gewesen, dass es einige Vorkehrungen brauchte, einen kleinwüchsigen Koch auszubilden. "Der ist ja mit den Augen viel zu nah an der Flamme und braucht bestimmt einen speziellen Spritzschutz", habe er gedacht. Doch den brauchte der neue Azubi zu Reisers Überraschung gerade nicht: Heiße Spritzer gehören zum Berufsrisiko.
Dafür gab es andere Hürden. Über 40 Stunden habe er verzweifelt über den Vorschriften gesessen, sagt Reiser. Die zuständige Berufsgenossenschaft und die Gewerbeaufsicht würden teilweise sehr unterschiedliche Prioritäten setzten: "Ich war nah dran aufzugeben. Aber ich hatte es ja versprochen und den sportlichen Ehrgeiz, es auch zu schaffen."
Ansprechstelle für Betriebe: Berater unterstützten Arbeitgeber
Der Koch hörte von der EAA-Bayern: Die "Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber" beraten Betriebe in allen Fragen rund um die Beschäftigung, Einstellung und Ausbildung von schwerbehinderten Menschen. Gerda Hoh vom Integrationsfachdienst Würzburg übernahm fortan die Recherche und stellte einen Ordner mit den Vorschriften zusammen, die Friedrich Bönisch durch seine Ausbildung begleiten. Ohne diese Hilfe, sagt Ausbilder Reiser, hätte er es nicht geschafft.

Jetzt braucht der Azubi zwar keinen speziellen Spritzschutz am Herd, aber beispielsweise einen DIN-genormten, rutschfesten Hocker. Es gibt klare Anweisungen, damit kein anderer Koch über diesen Hocker stolpern kann. Bönisch muss ihn nach Gebrauch immer gleich wieder mitnehmen. Und in jeder neuen Küche muss er speziell auf mögliche Gefahren hingewiesen werden.
Die erste Zeit der Lehre: Am Abend tat dem Azubi alles weh
Zu Beginn sei seine Körpergröße von 1,45 Metern schon ein Problem gewesen, sagt Bönisch. Vor allem, weil es für ihn sehr anstrengend sei, den ganzen Tag zu stehen. Die erste Zeit der Lehre im Sommer 2022 sei er nach Feierabend so fertig gewesen, dass er gleich ins Bett gefallen sei. "Am Abend hat mir alles wehgetan, vor allem die Beine."

Gleich im ersten Lehrjahr hatte er sich einer Operation unterziehen müssen, bei der seine Beine um fünf Zentimeter verlängert wurden, erzählt Bönisch. Dadurch sei er ein paar Monate ausgefallen, aber alles sei gut gelaufen.
Der neue Auszubildende habe ihm da schon leid getan, sagt Bernhard Reiser. Aber sie hätten vereinbart, dass Friedrich Bönisch ohne Sonderbehandlung die ganz normale Lehre wie die 14 anderen Auszubildenden auch durchlaufe.
Vorbild ist Foodblogger und Kochbuch-Autor Joshua Weissmann
Inzwischen habe er sich an das viele Stehen gewöhnt, sagt der Nachwuchskoch. Ravioli oder Agnolotti, gefüllte Teigtäschchen aus dem Piemont, bereitet er am liebsten zu - und äußert geschickt, wie sein Chef sagt. Das Lieblingsessen des 18-Jährigen: Nudeln mit einer veganen Linsenbolognese. Sich selbst ernährt der Würzburger vegetarisch. Aber er habe kein Problem, auch Fleischgerichte oder fleischhaltige Soßen und Suppen abzuschmecken, sagt Bönisch.

Sein Vorbild ist der bekannte, 28-jährige Koch Joshua Weissmann aus den USA, der als Foodblogger einen eigenen YouTube-Kanal betreibt und Kochbücher schreibt.
Was er selbst nach seiner Prüfung im Sommer 2025 machen will? Der Azubi weiß es noch nicht. Er könne sich auch die eher stressige Aufgabe in einem À-la-carte-Restaurant vorstellen, sagt Friedrich Bönisch. Die Abläufe, die Präzision und die Zusammenarbeit, bis der fertige Teller die Küche verlasse, würden ihn nach wie vor faszinieren. Und warum also nicht Sterneküche?
Friedrich Bönischs Rezept für die LinsenbologneseZutaten für 4 Personen: 100 g Karotten, 100 g Knollensellerie oder Staudensellerie, 100 g Zwiebeln, 3 Knoblauchzehen, 100 g Austern-Pilze, 2 Tomaten, ½ Liter Gemüsebrühe, 2 Dosen (à 350 ml) gehackte Tomaten, 200 g rote Linsen (gewaschen), 3 Lorbeerblätter, Kräuter der Provence, 1 EL Tomatenmark, Salz, Pfeffer, kleiner Schuss Weißweinessig Zubereitung: Gemüse in kleine Würfel (Brunoise) und Tomaten in grobe Würfel schneiden, Pilze klein hacken. Gemüse im Topf mit Rapsöl andünsten, Zwiebeln und Pilze dazugeben, dann Knoblauch mit andünsten.
Tomatenmark dazu geben und warten, bis sich der Boden rot bis dunkelrot färbt (nennt man "abbrennen"). Im Anschluss Tomaten und Gemüsebrühe, Linsen und Lorbeerblätter dazu geben und alles ca. für 30 Minuten köcheln lassen, bis die Linsen bissfest sind.
Mit Kräutern der Provence, Salz, Pfeffer, Olivenöl und Weißweinessig abschmecken.
Die Bolognese schmeckt besonders gut zu Spaghetti, mit etwas geriebenem Parmesan oder Pecorino verfeinern.Quelle: Bönisch/Reisers