Eigentlich, so hatten es Landtagspräsidentin Barbara Stamm (72) und ihre Tochter Claudia (46) vereinbart, wollten sie keine gemeinsamen Interviews mehr geben. Für dieses Gespräch machten die CSU-Politikerin und die Landtagsabgeordnete der Grünen eine Ausnahme, weil beide das Thema genauso spannend finden wie wir: Heimat. Was macht sie aus? Wie tief ist die Verwurzelung? Welche Bedeutung hat der Begriff noch in unserer von Mobilität getriebenen Welt? Fragen, die sich auch die Stamms stellen.
Ort für das Treffen war Würzburg, die Heimatstadt der beiden politisch und gesellschaftlich engagierten Frauen, die doch oft unterschiedlicher Auffassung sind. Die Voraussetzungen für das Interview an einem typischen Herbsttag waren eigentlich ungünstig: Claudia Stamm kam direkt vom Zahnarzt, Barbara Stamm hatte es eilig, sie musste noch Vorbereitungen treffen für eine Urlaubsreise, die am Abend beginnen sollte. Trotzdem entwickelte sich ein spannendes, unterhaltsames und kontroverses Gespräch, das die Landtagspräsidentin erst nach knapp eineinhalb Stunden beenden musste, weil vor dem Kofferpacken noch ein Friseurbesuch anstand.
Die erste Frage an die Tochter. Frau Stamm, im Vorfeld unseres Gesprächs haben Sie Heimat in Anführungszeichen gesetzt. Warum?
Claudia Stamm: Weil ich sehr viel in der Weltgeschichte unterwegs war und an vielen Orten auch gerne gewohnt habe – anders als meine Mutter. Ich fühle mich durchaus auch anderswo beheimatet als in Würzburg. Anders herum gesagt: Eine Zeit lang habe ich mich hier überhaupt nicht zuhause gefühlt. Das kommt jetzt eher wieder mit dem Alter.
Das Gefühl, nicht zu Hause zu sein – woran lag das?
Claudia Stamm: Naja, lustig ist es nicht mit so einer prominenten Mutter in einer sehr konservativen Stadt. Besonders für jemanden, der nicht unbedingt auf der gleichen Linie und politisch nicht gleich beheimatet ist. Der Begriff Heimat ist meiner Meinung nach ausgrenzend. Im Deutschen ist es automatisch die Heimat, also nur in der Einzahl – damit grenzt Du manche Menschen sofort aus. Für mich gibt es den Begriff deshalb nur in der Mehrzahl: Heimaten. Migrationsforscher Professor Klaus Bade spricht von ,Heimaten in der Heimat', das finde ich am schönsten.
Es gibt also nicht nur eine Heimat?
Claudia Stamm: Ja. Ich würde das sogar behaupten für meine Mutter. Du bist in Bamberg groß geworden und verbindest damit auch einiges.
Barbara Stamm: Mit Bamberg ja. Bamberg war ein Stück Heimat, das ist schon richtig. Aber das war es dann schon.
Haben Sie deshalb auch ganz bewusst im Vorfeld dieses Gesprächs von Ihrer ,Herkunftsstadt' Würzburg gesprochen?
Claudia Stamm: Das war eher scherzhaft gemeint. Nein, Herkunftsstadt – das klingt dann schon sehr distanziert. Aber im Grunde genommen: Ich bin hier geboren, aufgewachsen, dann sofort weggegangen und war zwischendurch fast nicht hier. Ich bin wirklich viel umgezogen, und habe mich an vielen Orten zu Hause gefühlt. Es gibt Jahre, da bin ich so gut wie nicht in Würzburg gewesen.
Sie sagten, Zuhause-Fühlen kehrt zurück im Alter. Sie sind noch jung, aber spricht das nicht dafür, dass Würzburg im Herzen doch so etwas ist wie ein Fixstern ist, um den die anderen Heimaten als Satelliten kreisen?
Claudia Stamm: Da kann ich jetzt nicht uneingeschränkt ja sagen. Weil ich tatsächlich an einem Ort in Oberbayern gelebt habe – wenn ich da hinkomme, dann ist es gleich der Geruch, bei dem ich mich heimisch fühle.
Das habe ich in Würzburg nicht. Vielleicht auch, weil ich in der Nähe der Kläranlage großgeworden bin (lacht).
Barbara Stamm: Das ist mir jetzt auch gleich eingefallen.
Claudia Stamm: Aber Würzburg hat sich verändert, massiv – zum Positiven. Würzburg ist eine sehr schöne, wahnsinnig offene Stadt geworden. Das war es nicht, als ich hier großgeworden bin. Da war eine ganz andere Atmosphäre, ein ganz anderes Klima.
Barbara Stamm: Es sind ja auch mehr Studenten geworden mit ihrer Vielfalt, das macht natürlich was aus. Ich glaube, dass da die junge Generation Würzburg sehr, sehr gut getan hat.
Dann die Mutter gefragt: Frau Stamm, was würden Sie sagen, was die Heimat Ihrer Tochter ist?
Barbara Stamm: Das ist jetzt schwer. Heimat muss ja nicht gebunden sein an Orte wie München oder Würzburg. Ich höre oft, dass die Claudia sagt: Ich gehe erst schnell heim, damit ich die Kinder noch sehe. Die Kinder, das kommt immer wieder.
Und was sagt die Tochter: Ist das die richtige Antwort?
Claudia Stamm: Da, wo die Kinder sind? Kinder, Mann, Familie. Ja.
Wenn Ihre Tochter von mehreren Heimaten spricht – ist denn München für Sie irgendwann mal eine zweite, weitere Heimat geworden?
Barbara Stamm: Für mich? Nie! Nein. Nie, also wirklich. Sie müssen nur meinen Kleiderschrank sehen. Da ist so gut wie nichts aus München drin. Das war für mich auch immer ganz wichtig: Ich gehe, wenn es geht, in Würzburg einkaufen.
Also besteht München nur aus Landtagsarbeit?
Barbara Stamm: Landtag und Arbeit, ja. Und bevor man in sein Zimmer geht ein Absacker im ,Vereinsheim', wie wir sagen.
Claudia Stamm: Und Du gehst gerne in die Oper.
Barbara Stamm: Ja, Oper. Leider auch viel zu wenig.
Und wie viel fränkische Heimat haben Sie in München dabei?
Barbara Stamm: Die hat man immer dabei. Dadurch, dass ich mich doch relativ viel um Dinge gekümmert habe, damit es in Unterfranken weiter geht. Immer wieder die Initiative ergreifen, Sachen durchsetzen. So wie jetzt mit dem Helmholtz-Institut, da habe ich mich unwahrscheinlich reingekniet. Die Menschen in der Heimat von München aus im Blick zu haben, ist eine schöne Aufgabe.
Claudia Stamm: Das haben wir im Haushaltsausschuss schon gemerkt, was so alles nach Würzburg ging in den letzten Jahren.
Wir haben mehr an Dinge aus der Heimat gedacht.
Barbara Stamm: Ein paar Stiche aus Würzburg habe ich schon in meiner Wohnung.
Sie sind der totale Heimat-Gegenentwurf zu Ihrer Tochter, wenn man auf Ihrer Homepage liest: ,Ich liebe und genieße diese Region zwischen Spessart und Steigerwald, weil unser Herrgott sich bei der Erschaffung der Welt hier selbst übertroffen hat.'
Claudia Stamm (lacht): Ich dachte, die CSU war das.
Barbara Stamm (auch lachend): Sei nicht unqualifiziert. Ich habe es heute Morgen auf der Fahrt in den Steigerwald erst wieder gesagt, wie wir durch den Nebel gefahren sind und plötzlich kommen die bunten Blätter heraus. Egal ob wir im Spessart sind, oder in der Rhön . . .
CLAUDIA STAMM: . . . ja, den Wald hier mag ich auch sehr gern. Aber es gibt auch Ecken, die sind nicht so schön. Da, wo die Flurbereinigung zu arg gewütet hat. Oder wo bei der Dorferneuerung nicht darauf geachtet wurde, dass schöne alte Häuser erhalten wurden. Ich sag‘ immer: Die Wälder und die Weinhügel sind Wahnsinn, so schön und anmutig. Aber wenn ich hinter die Weinhügel gehe und die Landwirtschaft, die großen, fränkischen flurbereinigten Felder sehe – dann ist das nichts fürs Auge.
Barbara Stamm: Wir haben ja gekämpft innerhalb Europas wegen unserer Steillagen in den Weinbergen. Ich muss mal sagen: Dorferneuerung und Sanierungen – da ist wirklich viel Gutes entstanden in den letzten Jahren. Unsere Innerortskerne – das ist überhaupt das beste Investitionsprogramm, das es gibt. Da geht es eben genau darum, Heimat so zu gestalten, dass die Menschen in ihrer Heimat ihre Zukunft haben.
Die Tochter gefragt: Wie ist die Wahrnehmung in München? Wie viel Heimat trägt Ihre Mutter immer mit sich?
Claudia Stamm: Sehr viel. Natürlich in den nicht ausgesprochenen harten Konsonanten und bei jeder Veranstaltung. Wie gestern, wo sie sich mit dem Schauspieler Udo Wachtveitl über Oberbayern und Franken gekappelt hat.
Barbara Stamm: Wegen des Tatorts! Ich hab ihm gesagt, die Münchner müssen sich jetzt anstrengen, unsere Quote ist wesentlich höher.
Claudia Stamm: Das ist vielleicht eine Qualität, die ich habe, in Anführungszeichen, für die ich nichts kann. Ich bin in einem Teil Bayerns großgeworden und wohne in einem ganz anderen. Und unterschiedlicher kann es ja kaum sein zwischen diesem München und Würzburg. Vielleicht Westmittelfranken noch. Aber sonst ist es schon sehr unterschiedlich, wie alles tickt.
Ist der Heimat-Begriff auch abhängig von Ihrer Konstellation? Prominente Mutter, konservativer Haushalt . . .
Claudia Stamm: . . . konservative Stadt vor allem! Als ich groß geworden bin, war der Begriff Heimat überhaupt nicht en vogue. Zumindest nicht da, wo ich mich bewegt habe. Jetzt reflektiert man schon darüber, weil ja immer der Versuch da ist, dass eine Partei (blickt ihre Mutter an) diesen Begriff für sich pachtet.
Haben Sie als Mutter zu wenig Wert auf Heimatkunde gelegt?
Barbara Stamm: Die Mutter vielleicht ja, aber der Vater bestimmt nicht. Der ist so verwurzelt und geschichtsbewusst – wer da von unseren Kindern ein bisschen aufgeschlossen war, hat alles mitbekommen können.
Den Geruch in einer Ihrer Heimaten haben Sie schon erwähnt. Mit welchen Dingen verbinden Sie als Weitgereiste die Heimat Würzburg positiv – außer mit dem Federweißen, den Sie gerade trinken?
Claudia Stamm: Geruch gehört in Würzburg wirklich keiner dazu. Die Landschaft, die Kulisse, der Main, ganz klar. Und die Residenz! Die liebe ich ohne Ende. Bei meiner Tochter gehört die Festung dazu. Sie dachte immer, das sei ihre Burg. Weil mein Vater dort so oft mit ihr hinspaziert ist. Und dann natürlich Menschen. Aber die Menschen, die mir wichtig sind, sind eigentlich alle weg.
Was würde Ihre Mutter antworten? Was sind für sie die wichtigen Dinge hier?
Claudia Stamm: Ihr daheim, ihr Zuhause. Die Kartlrunde.
Dann die Frage an die Ältere: Hat die Besinnung auf Heimat mit dem Bewusstsein von Endlichkeit zu tun, das im Alter zunimmt?
Barbara Stamm: Ich weiß es nicht. Es ist einfach in einem drin. Ich spüre das an Kleinigkeiten. Oft zögere ich es heute raus, bis ich von Zuhause wegfahre. Es wäre weniger stressig für mich, wenn ich mich schon wie früher am Sonntagnachmittag auf den Weg nach München machen würde. Aber ich fahre lieber erst am Montagmorgen, was viel anstrengender ist.
Lange galt der Begriff Heimat als verstaubt, Heimatfilme wurden belächelt.
Barbara Stamm: Mich hat das immer gestört. Heimat ist nicht verstaubt. Heimat ist auch einfach zusammensitzen, zusammensingen, Schafkopf spielen. Das ist doch schön.
Wir haben das Gefühl, Heimat erlebt eine Renaissance. Hängt das auch mit der Flüchtlingskrise zusammen? Denken wir bewusster über unsere Heimat nach, seit so viele Menschen auf der Flucht sind und ihr Zuhause wegen Krieg und Not verlassen müssen?
Barbara Stamm: Ich glaube, dieses Gefühl ist schon weit vor der Flüchtlingskrise stärker geworden. Schauen Sie sich an, was die Menschen im Ehrenamt leisten – gerade im ländlichen Raum. Ich bin immer begeistert, wie beispielsweise Ortsjubiläen gefeiert werden. Wie da Fassaden gestrichen werden, nur weil der Festzug vorbeiführt. An jedem Haus hängt eine Fahne, toll. Deutlich wurde mir das während der Fußball-WM 2006 in Deutschland. Das war eine Initialzündung, plötzlich war unsere nationale Identität wieder spürbar. Man muss sich nicht mehr schämen.
Viele Menschen, die ihre Heimat lieben, müssen sie verlassen. Sie haben in ihren politischen Reden oft die positiven Leistungen Deutschlands hervorgehoben.
Warum gelingt es uns dennoch nicht, gerade mit unserer Historie, Flüchtlinge offener zu empfangen? Ihnen zu sagen, Du darfst auch hier daheim sein?
Barbara Stamm: Wenn man sich die Geschichte der Vertrieben anschaut, dann war das auch nicht nur ein Honigschlecken. Die sind auch nach dem Krieg nicht alle empfangen worden mit dem Satz: ,Schön, dass ihr da seid.' Natürlich waren die kulturellen Gegensätze nicht so groß wie heute. Dennoch: Wir reden leider viel zu viel über das, was nicht gelingt. Deutschland und vor allem Bayern haben doch eine gelingende Integration. Warum wir es nicht schaffen, das positiv darzustellen, verstehe ich nicht. Viele Menschen mit Migrationshintergrund haben sich wunderbar integriert.
Claudia Stamm: Das, was Sie gesagt haben und das, was meine Mutter gesagt hat, bestärken mich immer mehr darin: Heimat ist ein Begriff, über den wir reden müssen. Es gibt nicht die eine. Denn wir haben nicht nur Geflüchtete, auch in unsrer globalisierten Welt gibt es viele, die eine neue Heimat finden wollen oder müssen.
Sie sprechen nüchtern über Heimat. Aber ist das nicht ein Begriff aus der Sprache des Herzens? Kann ein Flüchtling hier überhaupt eine Heimat finden oder geht es viel mehr um Sicherheit, um ein Zuhause?
Barbara Stamm: Richtig. Deshalb habe ich überhaupt kein schlechtes Gewissen, wenn ich sage, dass wir erwarten, dass die Flüchtlinge nach Kriegsende wieder in ihre Heimat zurückkehren. Ich glaube, die meisten wollen das auch. Dass der Begriff Heimat wieder positiver besetzt ist, hat auch mit der Zeit zu tun: Die Menschen müssen mobil sein, man muss den Anforderungen dieser globalisierten Welt gerecht werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass für viele Heimat immer wichtiger wird. Man geht berufliche Wege, aber will seine Erdung spüren. Sehen Sie sich die Medienwelt an, jede Lappalie wird geschrieben, gepostet, und trotzdem: Da, wo man Menschen begegnen kann, sind die Plätze voll. Ich will zum Einkaufen auch in einen Laden gehen, wo ich beraten werde.
Bezeichnen Sie die CSU als eine Heimat?
Barbara Stamm: Das ist meine politische Heimat, ja. Ich habe so viele Jahre mit so vielen Menschen in und mit dieser Partei gelebt und erlebt, und mir wurden auch so viele Möglichkeiten gegeben, warum sollte ich mich distanzieren? Mir passt nicht alles, ein Stück ,Ich' habe ich mir immer bewahrt. Aber verleugnen würde ich meine politische Heimat nicht.
Und die Grünen-Politikerin? Sprechen Sie auch von politischer Heimat?
Claudia Stamm: Bei meiner Mutter schon.
Und bei Ihnen selbst?
Claudia Stamm: Nachdem ich grundsätzlich Probleme mit dem Begriff Heimat habe, weil er mir zu starr, zu exklusiv ist, würde ich sagen: Ich bin bei den Grünen daheim.
Haben Sie einen Lieblingsplatz in der Region?
Barbara Stamm: Ich bin wahnsinnig gerne auf der Steinburg, dort werden Erinnerungen an frühere Zeiten geweckt. Der Blick auf Würzburg ist einmalig. Und dann der Würzburger Marktplatz, wo ich immer zuerst eine Bratwurst esse, wenn ich in die Stadt zurückkehre.
Eine Bratwurst kann auch Heimat sein?
Barbara Stamm: Aber sicher.
Claudia Stamm: Mein Lieblingsplatz ist der Main. Dort bin groß geworden. Wir sind am Ufer Rad gefahren, haben gespielt, ich habe meine Schwester spazieren gefahren, das Hochwasser beobachtet, zugeschaut, wenn die Schifferkinder über den Main von ihren Eltern abgeholt wurden. Ich bin Untere-Zellauerin. Das verbinde ich sehr mit Zuhause, auch wenn ich nur noch sehr selten dort bin. Ich erinnere mich auch gerne daran, wie wir als Jugendliche mit einem Bocksbeutel auf der Festungsmauer saßen. Das war vielleicht nicht gerade anarchisch, aber schon eine Art Subkultur. Manchmal waren es sogar ziemlich gute Bocksbeutel, weil ich ab und an in den Weinkeller meiner Mutter gegangen bin.
Barbara Stamm: Und der Vater hat dann immer gesagt: ,Jetzt ist schon wieder der Wein weg.' Heute findet das öffentliche Weintrinken auf der Alten Mainbrücke statt. Das ist jedes Mal ein Erlebnis. Dort eine Gläserbeschränkung oder Ähnliches einzuführen, auf die Idee muss man erst einmal kommen.
Claudia Stamm: Hat das jemand gefordert?
Barbara Stamm: Freilich. Die Stadt wollte das reglementieren.
Claudia Stamm: Typisch Würzburg.
Barbara Stamm: Einige Radfahrer hatten sich aufgeregt. Ich sag immer: Wer sein Rad liebt, schiebt.
Die inzwischen Auswärtige gefragt: Sind für Sie als Zellerauerin dann die Blauen eine fußballerische Heimat?
Claudia Stamm: Nein, Sie werden sich wundern. Ich bin als Jugendliche häufig ausgebrochen und am Wochenende, wenn meine Mutter in Würzburg war, nach München. Dort habe ich in ihrem Appartement gewohnt und bin oft ins Olympia-Stadion, mitten rein in die Südkurve. Ich habe München zwar nicht so gemocht, war aber sehr gern im Stadion und in manchen Kneipen.
Sie sind als Grüne also Fan des FC Bayern?
Claudia Stamm: Nein, nicht mehr. Seitdem der Trainer Van Gaal hieß. Jetzt schaue ich eher nach Würzburg. Das ist echt toll, was hier läuft.
Barbara Stamm: Ich kenn ja auch noch die Geschichten, als Würzburg schon einmal in der Zweiten Bundesliga war. Auch an den Konkurs der damaligen Nullvierer kann ich mich erinnern. Da habe ich für mein Leben gelernt: Bürge nie, zahle gleich. Und trotzdem kann ich nicht nachvollziehen, wieso sich die Stadt Würzburg mit der Unterstützung für die Kickers so schwer tut. So viel Geld für Öffentlichkeitsarbeit kann diese Stadt niemals ausgeben, wie das, was wir gerade erleben.
Die Wahrnehmung Würzburgs außerhalb hat sich durch die Kickers verändert?
Barbara Stamm: Natürlich, und zwar massiv. Mittlerweile ist für uns in Franken die Zweite Bundesliga ja interessanter als die Bundesliga.
Claudia Stamm: Ich finde etwas ganz besonders bemerkenswert: die Stimmung. Vor den Aufstiegsspielen war ich in einer Bäckerei in Würzburg, und alle haben über Kickers enthusiastisch gesprochen. Das finde ich so schön, diese Euphorie zu spüren. Das ist ein positiver Kick für Würzburg. Es ist natürlich auch eine schöne Geschichte mit Bernd Hollerbach, der in die Heimat zurückkommt. Dazu dieses Underdog-Image von Kickers Würzburg.
Barbara Stamm: Deshalb verstehe ich nicht, wieso der Stadtrat in der Frage der Unterstützung so kleinkariert diskutiert. Fußball ist auch Heimat. Das gilt auch für Handball und Basketball, wo Würzburg ja auch bekannt und erfolgreich ist.
Frage an die Jüngere: Wie alt müssen Sie werden, bevor Sie sagen: Ich ziehe wieder nach Würzburg?
Claudia Stamm: Ich war vor meiner Zeit in der Politik schon mal an dem Punkt. Die Lebenshaltungskosten in München sind einfach so hoch. Da hat mich Würzburg schon gelockt. Dazu finde ich den Garten bei meinen Eltern so toll . . .
Barbara Stamm: Unsere guten Tomaten.
Claudia Stamm: Ja, die sind der Hammer. Aber im Moment ist das kein Thema mehr, auch weil die Familie dagegen ist.
Barbara Stamm: Die Kinder auch?
Claudia Stamm: Ja, schon. Natürlich gab es immer wieder mal Überlegungen, ob ich nach Würzburg gehen soll. Aber mein Mann war und ist dagegen.
Was machen Sie als erstes, wenn Sie jetzt nach Ihrem Urlaub nach Hause nach Würzburg zurückkehren?
Barabara Stamm: Eine Bratwurst essen. So schnell wie möglich. Normalerweise fahre ich in Sitzungswochen nicht weg. Das ist das erste Mal, eine Kreuzfahrt mit meinen Freunden aus der „Fastnacht in Franken“.
Fastnacht gehört für Sie auch zur Heimat.
Barbara Stamm: Ja, das ist wahr. Ich spreche mittlerweile ja schon von unserer Fastnachtsfamilie.