Freitag, 8.30 Uhr, im Sitzungssaal des Landratsamtes Würzburg. Heute beginnt, was das Umweltamt seit 1992 fordert: Würzburgs wichtigste Trinkwasser-Quelle, die Zeller Stollen, soll besser geschützt und das Wasserschutzgebiet von acht auf 66 Quadratkilometer vergrößert werden. Es ist der erste Erörterungstermin. "Was für ein Tag für die Trinkwasserversorgung der Stadt Würzburg nach über 30 Jahren und zig Anläufen", sagt der Geschäftsführer der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV), Armin Lewetz.
Für rund 85.000 Menschen in Stadt und Landkreis Würzburg wird der Ausgang des Verfahrens auf die ein oder andere Art Folgen haben. Fast 160 Einwendungen muss das Landratsamt erörtern. Von SuedLink bis A3, von den Bayerischen Staatsforsten bis zum Bauernverband, vom Flugplatz Hettstadt bis zu mobilen Hühnerställen – sämtliche Interessenvertreter kommen jetzt zu Wort.

Juristisch geht es gleich heftig zur Sache: hier die Sorge ums Trinkwasser der Stadt, da große Wirtschaftsinteressen im Landkreis. Die Anwälte der Trinkwasserversorgung Würzburg (TWV), einer Tochterfirma der WVV, liefern sich mit den Anwälten des Gips-Weltmarktführers Knauf aus Iphofen, der Recylingfirma Beuerlein aus Volkach (beide Lkr. Kitzingen) und der Baustofffirma Benkert aus Thüngersheim (Lkr. Würzburg) einen harten Schlagabtausch.
Das Ziel der Unternehmen: am geplanten Wasserschutzgebiet rütteln, Gebiete ausklammern, die ihren Interessen in Sachen Bergwerk, DK1-Deponie und Steinbruch entgegenstehen, oder zumindest Ausnahmen für einzelne Firmen im Vorfeld in die Verordnung hineinverhandeln. So ähnelt der erste Erörterungstermin zeitweise einem Gerichtssaal, zeitweise einem Basar.
Hinter verschlossenen Amtstüren – die Termine sind nicht öffentlich – wird schnell klar: Hier ist Potenzial für einen Behördenkrimi. Der Wettlauf um Genehmigungen hat begonnen. Da gegen die Anwesenheit der Presse auf Nachfrage der Sitzungsleiterin niemand Einspruch erhebt, berichtet diese Redaktion exklusiv.
Das sind die brisantesten Zitate der wichtigsten Akteure:
1. Trinkwasserversorgung Würzburg: "Wir wissen, dass es keine Alternative gibt"
"Wir müssen unser Trinkwasser schützen. Wir wissen, dass die Quellschüttung durch den Klimawandel rückläufig ist. Wir wissen, dass es keine Alternative gibt", sagt TWV-Abteilungsleiter Alfred Lanfervoß.
Die halbe Stadt Würzburg sei darauf angewiesen, dass die Zeller Quellen auch in Zukunft sprudeln. Sie decken 50 Prozent des Trinkwasserbedarfs: rund fünf Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr, für etwa 65.000 Menschen.
Von Helmstadt und Altertheim aus fließe das Grundwasser durch stark zerklüftetes Gestein in Richtung Würzburg. Weil nur etwa zehn Prozent der darüber liegenden Bodenschichten das Wasser ausreichend schützten, müssten laut Trinkwasserversorger die gesamten 66 Quadratkilometer als Schutzgebiet ausgewiesen werden.
2. Wasserwirtschaftsamt: Schutzgebiet "zum Wohl der Allgemeinheit zwingend erforderlich"
Geologin Cornelia Wolfram vom Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg bestätigt: Das Schutzgebiet müsse so groß werden. Die Unterlagen der TWV seien geprüft und plausibel, die Schutzzonen richtig bemessen, Auflagen und Verbote angemessen.
Die Zeller Stollen seien "unverzichtbar", um die Stadt Würzburg mit Trinkwasser zu versorgen. Alternative Grundwasservorkommen in dieser Größe gebe es im Raum Würzburg nicht. Die Ausweisung des Wasserschutzgebietes sei "zum Wohl der Allgemeinheit zwingend erforderlich".
3. Bergamt: Rohstoffgewinnung als "lebenswichtige Grundlage" von "öffentlichem Interesse"
Das sieht das Bergamt Nordbayern, angesiedelt bei der Regierung von Oberfranken, anders. Die genehmigende Behörde für Knaufs geplantes Gipsbergwerk und Beuerleins DK1-Deponie bezweifelt, dass es nötig sei, ein Schutzgebiet auszuweisen. Vorratshaltung allein sei kein Grund dafür. Die Prüfung der Alternativen sei fehlerhaft.
Bergamtsleiter Norbert Weiß sagt: "Bodenschätze sind als lebenswichtige Grundlage der Volkswirtschaft" von "öffentlichem Interesse", die Versorgung mit Rohstoffen im Interesse des "Allgemeinwohls". Naturgips werde immer wichtiger, weil der künstliche REA-Gips als Nebenprodukt der Kohleverstromung bald wegfalle, der Bedarf für den Wohnungsbau aber zunehme.
"Die Betriebe, die Bodenschätze gewinnen, sitzen im selben Boot wie die Wasserversorger", sagt Weiß. Man könne das Wasser nur dort fördern, wo Wasser vorhanden sei. Und Bodenschätze nur dort gewinnen, wo sie liegen. Er vermisse eine Abwägung der beiden Interessen.
"Nicht diskussionswürdig", widerspricht der Anwalt der TWV, Markus Deutsch. Trinkwasserschutz sei Gesundheitsschutz: "Bei der menschlichen Gesundheit gibt es keine Abwägung, sie hat Vorrang."
4. Konzern Knauf: "Einvernehmliche Lösung" im "Interesse des Wirtschaftsstandortes Bayern"
Den Interessenskonflikt zwischen Trinkwasser- und Gipsgewinnung in der Altertheimer Mulde vergleicht Herbert Posser, Anwalt der Firma Knauf, mit zwei "besonders schützenswerten Nutzungen", die "wie Züge aufeinanderprallen". Er plädiert für eine "einvernehmliche Lösung" im "Interesse des Wirtschaftsstandortes Bayern". Im Grunde gebe es gar keinen Konflikt: Vom geplanten Bergwerk gehe keine Gefahr für das Grundwasser aus. Selbst das Wasserwirtschaftsamt spreche nur noch von einem "Restrisiko".

Bemerkenswert: Der Knauf-Jurist wendet sich nun direkt an die oberste Juristin des Umweltamtes im Landkreis, Edith Schulz: "Ich erwarte eine ergebnisoffene Prüfung" des Verfahrens, sagt Posser zu ihr. Und fügt hinzu: "Ich hoffe, dass sich das Landratsamt nicht das Verständnis der Trinkwasserversorgung Würzburg zu eigen macht." Denn dieses sei eine "einseitige Überzeichnung der öffentlichen Wasserversorgung".
Edith Schulz habe jetzt drei Optionen: erstens, den Antrag der TWV abzulehnen, zweitens, das Schutzgebiet räumlich zu verkleinern und Bereiche für das Bergwerk herauszunehmen oder drittens, das Bergwerksvorhaben inhaltlich auszuklammern. Posser sagt: "Was nicht passieren sollte – auch politisch nicht – ist, ein Unternehmen wie die Firma Knauf in solch eine Lage zu bringen!"
Die Umweltamtsleiterin antwortet: "Wir haben uns nicht vorher festgelegt." Erst "nach rechtlicher Würdigung" erlasse das Landratsamt eine Wasserschutzgebietsverordnung – oder eben nicht. "Wir wägen die Belange noch mal ab."
5. Firmen Beuerlein und Benkert: "Erhebliche Mängel" beim Wasserschutzgebiet
"Erhebliche Mängel" bei der Ermittlung des Wasserschutzgebiets, "unvollständige" und "fehlerhafte" Antragsunterlagen – die Liste der Kritikpunkte der Recyclingfirma Beuerlein und des Baustoffunternehmens Benkert ist lang.
Beuerlein möchte seine Tongrube in Helmstadt zu einer Deponie für leicht toxischen Bauschutt (DK1) umwidmen lassen. Gegen die Genehmigung durch das Bergamt klagten die Stadt Würzburg, Trinkwasserversorger TWV und Stadtwerke. Nun laufen Mediationsgespräche.
Beuerlein-Anwalt Thomas Gerhold sagt: "Bis das Deponieverfahren entschieden ist, darf kein Wasserschutzgebiet ausgewiesen werden."

Benkert betreibt in Roßbrunn einen Steinbruch. Auf angrenzenden Grundstücken, die ins geplante Wasserschutzgebiet hineinragen, wollte die Firma weiteren Muschelkalk abbauen. Eine Genehmigung hatte das Landratsamt bereits erteilt, doch kürzlich haben die Verantwortlichen des Regionalen Planungsverbands Würzburg entschieden: Auf der Fläche, die sich mit dem Schutzgebiet überlappt, soll dem Muschelkalkabbau kein Vorrang mehr eingeräumt werden.
Anwalt Steffen Kautz fordert deshalb, die Grundstücke der Firma Benkert aus dem künftigen Schutzgebiet heraus- oder als Ausnahmen in die Verordnung aufzunehmen.
6. Landkreis: "Unsere Bürger tragen die Kosten, damit die Würzburger ihr Wasser haben"
Auch beim zweiten Erörterungstermin am Montag brodelt es – dieses Mal zwischen Stadt und Landkreis. Johannes Bohl, Anwalt der Gemeinden Altertheim, Eisingen, Hettstadt und Waldbüttelbrunn sowie der Zweckverbände Abwasserentsorgung und Abwasserbeseitigung Ahlbachgruppe, bezweifelt sogar, dass der Klimawandel ursächlich sei für den Rückgang der Quellschüttung in den Zeller Stollen.
Den Menschen im Landkreis bringe das Trinkwasserschutzgebiet nur "repressive Verbote" und Mehrkosten. Bohl: "Unsere Bürger tragen die Kosten, damit die Würzburger ihr Wasser haben. Das kann nicht sein!" TWV-Anwalt Deutsch stellt klar: Auch Landkreisbewohner nutzten Würzburger Wasser in Schulen, am Arbeitsplatz oder in öffentlichen Einrichtungen.
Steffen Jodl, Unterfrankens Regionalreferent beim Bund Naturschutz, findet es "unerträglich, dass hier immer ein Stadt-Land-Konflikt aufgemacht wird". Die Erweiterung des Trinkwasserschutzgebietes müsse möglichst schnell umgesetzt werden: "Es geht hier um das Lebensmittel Nummer eins, und das geht uns alle an."