Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Ochsenfurt
Icon Pfeil nach unten

UFFENHEIM: Bergsteiger Roland Brand im Himalaya

UFFENHEIM

Bergsteiger Roland Brand im Himalaya

    • |
    • |

    Am 3. September ging es ab nach Indien in die Region Garhwal, zur höchsten Spitze des Zanskar Gebirges. Dort wollten wir in einer fünfeinhalb Wochen dauernden Expedition, die sich aus drei Deutschen, einem Österreicher, einem Schweizer und einem Franzosen zusammensetzte, dem Kamet aufs Haupt steigen.

    Der Kamet – tibetisch Kang-med bedeutet „Brennender Berg“, wird als die „Urgroßmutter des heiligen Schnees“ verehrt. Er ist nach dem Kanchenjunga (8586 Meter) und der Nanda Devi (7816 Meter) der dritthöchste Berg in Indien. Auf der Rangliste der höchsten Berge nimmt er Rang 29 ein.

    Äußerst abgeschieden und nur schwer zugänglich liegt der Kamet direkt an der Grenze von Indien zu Tibet. Seit fast 50 Jahren ist der Kamet wegen Grenzstreitigkeiten zwischen China und Indien militärisches Sperrgebiet und erst 2005 wurde er wieder für eine Besteigung frei gegeben.

    Allein um an den Fuß des Berges zu gelangen, waren wir so zwei volle Wochen, mit Jeeps und zu Fuß unterwegs, bis wir unser Basislager auf 4700 Metern errichten konnten. Die Wetterverhältnisse waren während dieser Zeit sehr stark vom Monsun geprägt: Wolken verhangen der Himmel mit nicht enden wollenden Regenfällen, die in den größeren Höhen zu enormen Schneeauflagen führten. Aus den Fels- und Eisflanken krachten in regelmäßigen Abständen immer wieder Eis- und Schneelawinen nieder.

    Nach dem Aufbau eines Zwischenlagers auf 5040 Metern, sowie der ersten Zelte unseres Basislagers (ABC) auf 5350 Metern, mussten wir erkennen, dass ohne Trägerunterstützung der Aufbau eines vorgeschobenen Basislagers uns so viel an Kraft und Zeit rauben würde, dass wir nach dessen vollständigem Einrichteten, dies sofort wieder auflösen müssten, da uns hier die Zeit zur eigentlichen Besteigung des Berges davon gelaufen wäre.

    Drei Mann im Zweimann-Zelt

    Konsequenz: wir werden das ganze im Alpinstil machen. Also wurde alles zusammengepackt, was wir für die nächsten acht Tage plus zwei Reservetage am Berg brauchten: Verpflegung und Gaskartuschen für zehn Tage, Zelte für alle Hochlager, außerdem Dreimann-Belegung von Zweimannzelten, um Gewicht zu sparen. Dies und noch zusätzliche persönliche Ausrüstung wie Daunenhose/Jacke für die oberen Bereiche am Berg, ließen die Rucksäcke zu wahren Monstern heranwachsen.

    Zuversicht kam auf, als nach 19 Tagen zum ersten Mal unser Ziel der „Kamet“, aus den Wolken spitzte. Trotz der nun endlich stabilen Wetterlage war die Wegsuche aufgrund der Verhältnisse durch die massigen Schneeauflagen im Blockgelände sehr kraftraubend und äußerst zeitaufwendig. So mussten wir auf dem Weg zum ABC auf etwa 5350 Metern, nochmals zwei zusätzliche Zwischenlager aufschlagen, nachdem wir an einem Tag auch mal nur 2,3 Kilometer schafften.

    Von den bei unserem ersten Anlauf aufgestellten Zelten im Zwischenlager und ABC, war nichts mehr zu sehen. Diese fanden wir letztlich etwa 1,5 Meter unter den Schneemassen begraben und vollständig zerstört. Auch auf dem weiteren Weg Richtung Hochlager 1 wurde dann nochmals ein Zwischenlager auf 5540 Meter fällig. Anschließend ging es aber nun endlich in die Senkrechte. Der Durchschlupf zwischen den mächtigen Felsflanken führte uns zum Teil fixseilgesichert hinauf zum Hochlager 1, das wir auf etwa 6140 Metern aufbauten.

    Die Nacht war kalt, ungefähr minus 15 Grad im Zelt gemessen, so stiegen wir mit den ersten Sonnenstrahlen durch die 400 Meter 50 bis 70 Grad steile Felswand, die mit mehreren Eis- und Schneerinnen durchzogen war, zum Hochlager 2 auf 6600 Meter auf. Nach Erreichen des Lagers ließ mich ein weiterer Blick nach oben, optimistisch werden, dass wir es wirklich schaffen könnten. Der Aufstieg zum Hochlager 3 führte über einen spaltenreichen Gletscherrücken. Ein etwa 50 Meter hoher Steilaufschwung war noch zu überwinden, bevor der Sattel der zwischen dem Kamet und dem Abi Gamin erreicht wurde. Dort schlugen wir auf 7100 Meter Höhe Hochlager 3 auf.

    Mit einer gewissen Vorfreude verkrochen wir uns in die Schlafsäcke. Nochmals ein sonniger Tag, dann liegt es nur an uns ob wir es schaffen oder nicht. Noch in der Nacht um 3 Uhr, bei eisigen Temperaturen (geschätzt minus 30 Grad im Gipfelbereich), jedoch relativ windstill, brachen wir auf um die Gipfeletappe anzugehen. Wir hielten uns auf der rechten Seite des Gipfeltrapezes nahe am Nordostgrat. Die Spurarbeit in knietiefen Schnee teilte ich mit Oliver aus der Schweiz und Nicola aus Frankreich. Bernd sowie Herbert, der sich an den beiden Vortagen vor allem beim Verlegen der Fixseile verausgabt hatte, folgten mit etwas Abstand.

    Noch 150 Höhenmeter

    Wir kamen den Verhältnissen entsprechend zügig voran. Noch 150 Höhenmeter trennten uns vom ersehnten Ziel, als mir Oliver plötzlich zurief, er traue sich nicht mehr weiter. Die Schneedecke höre sich sehr dumpf an, ähnlich der bei einer seiner Frühjahrstour in der Schweiz, der ein Lawinenabgang folgte. Sollten wir abbrechen oder nicht? „Wir müssen nach links auf den mit kleinen Felsköpfen durchsetzten Grat queren und über diesen zum Gipfelgrat aufsteigen,“ sagte ich zu Oliver und Nicola. Auch Herbert und Bernd waren der gleichen Ansicht. Irgendwie war Oliver nun so erleichtert und bekam einen solchen Motivationsschub, dass er die letzten 150 Meter zum Gipfelgrat durchspurte. Nicola und ich konnten gerade noch so mithalten. Als wir am Gipfelgrat angelangt waren und gerade mal über die Kante schauen wollten, wurden wir dort von einem derartig massiven Sturm empfangen, der es uns fast unmöglich machte, noch einigermaßen sicher auf den Beinen zu stehen. Doch noch mussten wir 100 Meter entlang, dem Gipfelgrat leicht ansteigend zum höchsten Punkt aufsteigen, was uns trotz des eisigen Windes mit letzter Willenskraft gelang.

    So stand am 28. September, um 12.56 Uhr, nach neun Stunden mühsamen Aufstiegs, Oliver am Gipfel; Nicola und ich folgten mit jeweils drei Minuten Abstand; Bernd und Herbert erreichten 25 Minuten später ebenfalls den Gipfel des Kamet.

    Wegen des gewaltigen Höhensturms konnten wir leider nur kurz die gigantische Rundumsicht genießen. Dieses war erst die 13. Besteigung des Kamet und die erste Besteigung eines Schweizers, sowie eines Österreichers. Meine Besteigung zählt als erste Besteigung des Kamet durch einen Deutschen.

    Die nächsten drei Tage vollzog sich der Abstieg mit unseren schwer bepackten Rucksäcken über die einzelnen Hochlager hinunter ins Basislager. Dort kam fast jeder mit der einen oder anderen Blessur an, so hatte ich mir leider die beiden großen Zehen wohl etwas angefroren. Auf den großen Erfolg unserer Expedition ließen wir schon mal einige Sektkorken knallen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden