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Würzburg: Berufung im Eisenheim-Prozess: Angeklagte hüllen sich in Schweigen

Würzburg

Berufung im Eisenheim-Prozess: Angeklagte hüllen sich in Schweigen

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    Nach einem knappen Jahr Unterbrechung wurde der sogenannte Eisenheim-Prozess vor dem Landgericht Würzburg fortgesetzt. Die Verhandlung findet im Gut Wöllried bei Rottendorf statt.
    Nach einem knappen Jahr Unterbrechung wurde der sogenannte Eisenheim-Prozess vor dem Landgericht Würzburg fortgesetzt. Die Verhandlung findet im Gut Wöllried bei Rottendorf statt. Foto: Silvia Gralla

    Genau 362 Tage war die Berufungsverhandlung im sogenannten Eisenheim-Prozess ausgesetzt. Weil plötzlich nicht mehr nur fahrlässige Tötung im Vollrausch, sondern ein Mord im Raum stand. An diesem Dienstag wurde weiter verhandelt – näher kam man dem Ziel an diesem Tag allerdings noch nicht: der Wahrheit, die vor allem die Familie von Theresa Stahl endlich erfahren will. Denn nach der langen Unterbrechung musste das Landgericht Würzburg, das in der Festscheune im Gut Wöllried bei Rottendorf (Lkr. Würzburg) tagte, wieder bei Null anfangen.

    Dabei versuchte Michael Schaller, der neue Vorsitzende Richter in dem Prozess, anfangs zumindest einen Teil des Falls um den Tod der 20-Jährigen im April 2017 zu den Akten zu legen und neue Möglichkeiten in der Beweisaufnahme zu eröffnen. Bei zwei der insgesamt vier Angeklagten laufe es wie in erster Instanz auf eine Verurteilung wegen unterlassener Hilfeleistung hinaus, so der Richter.

    Nachdem der Hauptangeklagte Niclas H. nach einem Weinfestbesuch mit mehr als drei Promille Alkohol im Blut die Fußgängerin bei Untereisenheim (Lkr. Würzburg) überfahren hatte, hatten die beiden heute 23 Jahre alten Mitinsassen ein "erbärmliches Nachtatverhalten" gezeigt, wie es Staatsanwalt Ingo Krist formulierte, und sich nach eigener Darstellung einfach schlafen gelegt.

    Werden frühere Urteile gegen zwei Angeklagte bald rechtskräftig?

    Schallers Vorschlag: Würden Staatsanwaltschaft und Nebenklage die Berufung gegen die beiden Mitangeklagten, die auf der Rückbank saßen, zurücknehmen, würde das Urteil des Amtsgerichts Würzburg vom Herbst 2019 – Geldstrafen zwischen 1000 und 2000 Euro – gegen sie rechtskräftig. Da die beiden dann nicht mehr Angeklagte in dem Fall wären, "hätten sie kein Zeugnisverweigerungsrecht mehr und müssten als Zeugen aussagen", erklärte Schaller.

    Hanjo Schrepfer, Verteidiger des Hauptangeklagten Niclas H., brachte das auf die Palme. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, insbesondere der Nebenklage zu helfen, neue Beweismittel gegen seinen Mandanten zu finden. Schaller erwiderte, der Gedanke des Gerichts sei nicht gerade "gerichtliches Neuland". Philipp Schulz-Merkel, Anwalt von Theresas Vater, wollte am Dienstag ohnehin nicht über einen solchen Schritt nachdenken. Er wolle erst abwarten, vor allem Zeugen hören, die bislang noch nicht gehört worden waren.

    Theresas Freund leidet bis heute

    Das war am Dienstag noch nicht der Fall. Stattdessen musste erneut Theresas Freund aussagen und erzählen, wie er miterleben musste, wie seine Freundin von dem Golf erfasst und in ein angrenzendes Feld geschleudert wurde. Wie er den Notruf abgesetzt und gleichzeitig Erste Hilfe geleistet habe. Bis heute leidet der 24-Jährige unter dem schrecklichen Erlebnis. Seine schlechte psychische Verfassung wirke sich massiv auf seinen Alltag und sein Berufsleben aus, erklärte der Zeitsoldat.

    Außerdem sagte abermals der heute 51-Jährige aus, vor dessen Anwesen in Eisenheim das Auto mit Niclas H. am Steuer letztlich zum Stehen kam. Unter anderem standen auch ein Polizist, der Notarzt und eine Sanitäterin, die zu diesem zweiten Unfallort gerufen worden waren, im Zeugenstand.

    Angeklagte sehen sich nicht in der Lage, erneut auszusagen

    Keine weiteren Angaben machten unterdessen die vier Angeklagten. Ihre Anwälte verwiesen auf frühere Aussagen, insbesondere die vor dem Amtsgericht vor zwei Jahren. Sein Mandant habe die Verantwortung an Theresas Tod übernommen, aber "an das eigentliche Tatgeschehen keine Erinnerung", so Verteidiger Schrepfer über Niclas H. Er bleibe bei seinen Äußerungen, sehe sich aber nicht in der Lage, erneut auszusagen. Die psychische Verfassung des heute 22-Jährigen sei schlecht, er leide unter dem Verfahren.

    Ähnlich äußerten sich die Verteidiger von Beifahrer Marius H., dem zwischenzeitlich Anstiftung zum Mord vorgeworfen worden war, weshalb er drei Monate lang in Untersuchungshaft gesessen hatte. Die unterlassene Hilfeleistung räume er weiterhin ein. Eine Zeugin hatte kurz nach dem Start des Berufungsprozesses im vergangenen Jahr behauptet, dass Niclas H. Theresa Stahl gezielt überfahren haben soll, nachdem Marius H. ihn "im Spaß" dazu aufgefordert habe. Die daraufhin eingeleiteten Nachermittlungen, wegen denen der Prozess ausgesetzt worden war, konnten diese Version jedoch nicht erhärten.

    Auch die Verteidiger der beiden weiteren Angeklagten betonten, dass es ihren Mandanten nicht mehr möglich sei, mehr zur Aufklärung beizutragen. Sie seien "mehrfach als Mörder beschimpft" worden. Für sie sei "das alles eine riesige Belastung".

    Richter Schaller erinnerte daran, dass sich die Angeklagten auch vor einem Jahr, als die Berufungsverhandlung startete, zunächst nicht äußern wollten – es nach einer Beratungspause aber doch taten. Staatsanwalt Krist appellierte an die Angeklagten, sie hätten "zwar keine rechtliche Verpflichtung, aber eine moralische Verantwortung", zur Aufklärung beizutragen. Doch diesmal blieben sie bei ihrem Schweigen.

    Die Verhandlung wird an diesem Donnerstag, 23. September, fortgesetzt.

    Hinweis: Der Autor dieses Textes steht trotz Namensgleichheit mit der Familie des Opfers in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis.

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