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WÜRZBURG: Besucher verprellt, Besucher gewonnen

WÜRZBURG

Besucher verprellt, Besucher gewonnen

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    Communio-Modell: Die Stühle sind in einer lang gestreckten Ellipse angeordnet.
    Communio-Modell: Die Stühle sind in einer lang gestreckten Ellipse angeordnet. Foto: Foto: Norbert Schwarzott

    Eine mutige Initiative der Würzburger Augustiner schied vor einem Jahr die Geister: Für 1,7 Millionen Euro gestaltete der Konvent seine Kirche in der Würzburger Fußgängerzone um – auf für viele Menschen verstörende Weise. Man sitzt nun auf ellipsenförmig angeordneten Stühlen, in der Mitte steht ein mobiler Altar ohne Kreuz. Für Trauernde wurde ein „ZwischenRaum“ geschaffen. Das neue Konzept entsprang einer „Standortbestimmung“, die sich 2013 fortsetzen wird. Heuer nämlich feiert die Gemeinschaft „750 Jahre Augustiner in Würzburg“.

    Die Umgestaltung der Kirche war eine knifflige Angelegenheit. Denn es sollte um mehr als um die „Aufhübschung“ eines Gotteshauses gehen. „Bettelorden haben die Aufgabe, durch ihr seelsorgerliches Tun Defizite in einer Stadt auszugleichen“, erläutert Prior Peter Reinl. Was sind nun aber Defizite in einer Stadt, die, so der Augustiner, mit Gottesdiensten „übersättigt“ ist? Wo fallen Menschen seelsorgerlich durchs Netz?

    Diese Fragen standen 2009 am Beginn eines Diskussionsprozesses um die Identität der Augustiner heute, der noch längst nicht abgeschlossen ist. Die Antwort damals hieß: Menschen mit Verlusterlebnissen haben in Würzburg noch keine echte Heimat. Sie sollen in den Fokus rücken.

    Es dauerte lange, bis für sie in der Kirche ein geeigneter Platz gefunden war. Ein ökumenisches Planungsteam rasterte alle Kirchenräume durch – und verwarf sie als wenig adäquat für den neuen „ZwischenRaum“. Schließlich wurde direkt nach dem Eingang ein Raum konstruiert. Wer sich hier niederlässt, um seine Trauer über den Tod eines geliebten Menschen, über das Zerbrechen der Familie oder Arbeitslosigkeit zu verarbeiten, schaut auf eine Hoffnung verheißende, goldene Wand. In das aufwändig gestaltete „Buch der Namen“ wurden inzwischen 15 000 Namen von Menschen eingetragen, zu denen die Trauernden in besonderer Verbindung stehen.

    Lange währte der Protest über das in der Diözese Würzburg einmalige Konzept. „Teilweise ging die Kritik in Ton und Art deutlich unter die Gürtellinie“, sagt Bruder Peter. Abgeflaut ist der Missmut ein Jahr nach der Wiedereröffnung noch immer nicht: „Doch es gibt ihn nicht mehr in der anfangs aggressiven Form.“

    Allmählich gewöhnten sich die Gottesdienstbesucher an die lang gestreckte Ellipse aus Stühlen in der Mitte des Kirchenraums, die alle zu Gleichen unter Gleichen macht. Das „Communio-Modell“ löst das traditionelle Hierarchiemodell ab. „Verprellt“ wurden laut Reinl dadurch allenfalls zehn Prozent der einstigen „Stammgäste“. Dafür konnten neue Besucher gewonnen werden – Katholiken, Protestanten, Menschen anderer Religion oder auch Religionslose. Angezogen wurden sie von der neuen Gottesdienstgestaltung, den Trauerangeboten und nicht zuletzt vom hochkarätigen, bewusst kostenlosen Kulturprogramm.

    Viele Menschen können heute kein Geld mehr für Kultur aufbringen, begründet dies Bruder Peter. Alle Veranstaltungen, die die Mönche in ihrer Kirche organisieren, sollen deshalb unentgeltlich sein. Insgesamt 13 000 Euro investierte die Gemeinschaft vergangenes Jahr in Kultur. Immerhin 7000 Euro flossen durch Kollekten in den Kultur-Topf zurück.

    Während sich bei den einen noch immer die Nackenhaare über die „Verunstaltung“ der vor einem Jahr wiedereröffneten Kirche sträuben, schätzen andere, dass sie endlich einen Ort „zum Sein“ gefunden haben. „Wir konnten Menschen ansprechen, die der Kirche schon lange den Rücken gekehrt haben“, so Bruder Peter. Weitere Neugierige sollen im Jubiläumsjahr auf die Kirche, aber auch auf den Prozess der Standortbestimmung der Augustiner heute aufmerksam gemacht werden. Das Jubiläum ist übrigens ein Doppeltes: Zum einen sind die Augustiner seit inzwischen 750 Jahren in Würzburg ansässig. Am Dominikanerplatz sind sie 2013 genau 200 Jahre zu finden.

    Augustiner in Würzburg

    Im Jahr 1256 wurde der Augustinerorden von Alexander IV. aus mehreren Eremitenverbänden unter der Regel des Hl. Augustinus zusammengeschlossen. 1263 – vor 750 Jahren – erschienen die ersten Augustiner-Eremiten in Würzburg. 1813 – vor 200 Jahren – zogen die Augustiner von ihrem Kloster in der heutigen Augustinerstraße in das leerstehende Dominikanerkloster am Dominikanerplatz. Heute ist das Würzburger Haus das größte des Ordens in Deutschland. Mitten in der Fußgängerzone leben hier 29 Augustiner, die drei verschiedenen Konventen angehören. PAT

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