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Würzburg/Schweinfurt: Betonflut oder nicht? 10 Fakten zum Flächenverbrauch in Unterfranken

Würzburg/Schweinfurt

Betonflut oder nicht? 10 Fakten zum Flächenverbrauch in Unterfranken

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     Beispiel für vorbildlichen Flächenverbrauch: In die neue barrierefreie Seniorenwohnanlage in Nüdlingen (Lkr. Bad Kissingen) können ältere Alleinstehende ziehen, ohne ihr soziales Umfeld im Ort zu verlieren. Pflegeaufwändige Einfamilienhäuser werden so für junge Familien frei.
     Beispiel für vorbildlichen Flächenverbrauch: In die neue barrierefreie Seniorenwohnanlage in Nüdlingen (Lkr. Bad Kissingen) können ältere Alleinstehende ziehen, ohne ihr soziales Umfeld im Ort zu verlieren. Pflegeaufwändige Einfamilienhäuser werden so für junge Familien frei. Foto: Daniel Peter

    Beim Thema Flächenverbrauch schlagen die Emotionen hoch. Die einen sehen ihre Heimat zubetoniert. Die anderen sind der Ansicht, verbindliche Maßnahmen gegen den Flächenverbrauch wie etwa ein Hektar-Budget kosteten vielen Gemeinden ihren Wohlstand. Gerade jenen Kommunen, die mit Einfamilienhäusern im Grünen und neuen Gewerbegebieten Einwohner und Firmen in den ländlichen Raum locken wollen.

    Im Jahr 2020 sind in Bayern pro Tag 11,6 Hektar naturbelassene oder landwirtschaftliche Fläche verschwunden. Auf ihr entstanden neue Siedlungen, Straßen, Industrieflächen oder Sportplätze. Das entspricht einem Flächenverbrauch von 16 Fußballfeldern pro Tag. Ein Jahr zuvor waren es noch 10,8 Hektar landesweit. Der Flächenverbrauch ist also gestiegen. Und das, obwohl Bayern laut dem Landesamt für Umwelt schon 2019 im Vergleich zu allen anderen Bundesländern den höchsten Flächenverbrauch hatte.

    Dabei wollte die Bayerische Staatsregierung den Flächenverbrauch laut Koalitionsvertrag von 2018 bis zum Jahr 2023 "deutlich und dauerhaft" senken. Bis 2030 sollen es bayernweit maximal fünf Hektar pro Tag sein. Diese Richtgröße wurde im Dezember 2020 auch im Bayerischen Landesplanungsgesetz festgeschrieben.

    Doch ist das überhaupt realistisch? Und wie hoch sind Flächenverbrauch und Bodenversiegelung in Unterfranken? 10 Fakten.

    1. In Unterfranken wurde 2020 eine Fläche von 238 Fußballfeldern verbraucht

    Im Jahr 2020 ist in Unterfranken laut Bayerischem Landesamt für Statistik 170 Hektar Fläche für neue Siedlungen, Straßen, Gewerbegebiete, Freizeitanlagen, Grünanlagen, Friedhöfe oder Berg- und Tagebaue verbraucht worden. Das entspricht etwa 238 Fußballfeldern. Der Flächenverbrauch in der Region ist damit rückläufig, dies zeigen Daten der Vorjahre, die Anne Weiß gesammelt hat. Laut der Geografin, eine von zwei Flächensparmanagerinnen bei der Regierung von Unterfranken, wurden im Jahr 2019 etwa 219 Hektar in Unterfranken für Siedlungs- und Verkehrszwecke in Anspruch genommen. In den Vorjahren waren es noch mehr: Zwischen 2014 und 2019 wurden 1500 Hektar (also etwa 2080 Fußballfelder) in der Region verbraucht. Die Zahlen schwanken von Jahr zu Jahr - je nachdem, welche Bauvorhaben geplant und wie schnell diese umgesetzt werden.

    "Der Boden, den wir überbauen, ist nicht nur das Geld wert, das man aktuell an diesem Standort bezahlt."

    Anne Weiß, Flächensparmanagerin der Regierung von Unterfranken

    2. Bayernweit wurde 2020 in Unterfranken am wenigsten Fläche verbraucht

    Im Bayern-Vergleich gab es in Unterfranken im Jahr 2020 den geringsten Flächenverbrauch. Die meiste neue Siedlungs- und Verkehrsfläche im Freistaat kam laut Statistischem Landesamt im vergangenen Jahr in Oberbayern (1197 Hektar) und Niederbayern (896 Hektar) hinzu. Trotzdem bestehen mittlerweile 12,2 Prozent der Fläche Unterfrankens aus Siedlungs- und Verkehrsfläche. Das entspricht genau dem bayerischen Durchschnitt. Etwa 43 Prozent der Fläche Unterfrankens wird landwirtschaftlich genutzt. Auf 40 Prozent der Fläche stehen Wälder. Zu den restlichen rund fünf Prozent gehören unter anderem Wasserflächen und Moore.

    3. In Unterfranken wurde 2020 der Boden auf einer Fläche von etwa 119 Fußballfeldern versiegelt

    Flächenverbrauch ist nicht mit Bodenversiegelung gleichzusetzen. Laut Statistischem Landesamt wird im Durchschnitt etwas mehr als die Hälfte der Siedlungs- und Verkehrsfläche in Bayern tatsächlich versiegelt, also asphaltiert oder überbaut. Das entspräche einer Bodenversiegelung von etwa 1040 Fußballfeldern zwischen 2014 und 2019 in Unterfranken. Allein im Jahr 2020 wurde demnach in der Region eine Fläche von mindestens 119 Fußballfeldern versiegelt. Auf der restlichen genutzten Fläche entstanden Gärten, Parks, Sportplätze, Grünstreifen, Friedhöfe oder Spielplätze.

    4. Verlierer des Flächenverbrauchs ist die Landwirtschaft

    Flächensparmanagerin Anne Weiß warnt: "Der Boden, den wir überbauen, ist nicht nur das Geld wert, das man aktuell an diesem Standort bezahlt." Der Flächenverbrauch habe viele Folgen. Während zwischen 2014 und 2019 in Unterfranken 1500 Hektar neue Siedlungs- und Verkehrsfläche hinzukamen, hat die Landwirtschaftsfläche in der gleichen Zeit um 2900 Hektar abgenommen. Von 1992 bis 2019 hat sie sich von 410 000 Hektar auf 363 000 Hektar reduziert.

    "Es werden auch sehr fruchtbare Böden verbaut, die für die heimische Lebensmittelproduktion wichtig wären."

    Stefan Köhler, Präsident des Bayerischen Bauernverbands (BBV) in Unterfranken

    Stefan Köhler, Präsident des Bayerischen Bauernverbands (BBV) in Unterfranken, bedauert: "Es werden auch sehr fruchtbare Böden verbaut, die für die heimische Lebensmittelproduktion wichtig wären." Da vielen Landwirten ihre Fläche selbst nicht gehöre, stiegen die Pachtpreise überall dort, wo sich Flächen verknappen. Köhler sagt: "Wir haben mancherorts Pachtanteile bis zu 80 Prozent." In Mittelfranken werde vielerorts Fläche sogar nur noch jährlich verpachtet. Ein neuer Stall zum Beispiel werde aber über 20 Jahre abgeschrieben. "Die Landwirte haben keine Planungssicherheit mehr", sagt der unterfränkische BBV-Präsident.

    5. Flächenverbrauch hat Folgen für Grundwasserneubildung und Hochwasserschutz

    Der Flächenverbrauch wirkt sich auch auf den Wasserhaushalt aus. "Wir brauchen den Boden für die Grundwasser-Neubildung, damit Niederschlagswasser versickern kann und im trockenen Unterfranken genügend Wasser zur Verfügung steht", sagt die Flächensparmanagerin der Regierung. Auch Steffen Jodl, Regionalreferent für Unterfranken beim Bund Naturschutz, warnt vor den Folgen der Urbanisierung. Durch fortschreitende Versiegelung, Flurbereinigungen, Begradigungen von Fließgewässern und intensive Landwirtschaft werde das Wasser kaum noch in der Fläche zurückgehalten. "Das Wasser fließt immer stärker und schneller ab", sagt Jodl. "Starkregen führen auch in Unterfranken immer häufiger zu Überschwemmungen und Hochwasser."

    6. Flächenverbrauch begünstigt Artensterben

    Wissenschaftlern der Uni Würzburg zufolge wirkt sich der Flächenverbrauch auch direkt auf das Insektensterben aus. In einer in diesem Oktober vorgestellten Studie belegen Forscherinnen und Forscher vom Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie: Während intensive Landwirtschaft vor allem die Artenvielfalt beeinträchtigt, führt Urbanisierung zu einem Rückgang der Biomasse bei Insekten - sprich: Ihre schiere Anzahl wird weniger. Die Wissenschaftler hatten im Frühjahr 2019 an 179 Orten in ganz Bayern Netzfallen aufgestellt: in Wäldern, auf Feldern und in Siedlungen. "Den größten Unterschied bezüglich der Insektenbiomasse fanden wir zwischen naturnahen und städtischen Gegenden", schreibt Johannes Uhler, Erstautor der Studie. In der Stadt war die Biomasse im Vergleich zu naturnahen Lebensräumen um 42 Prozent niedriger. Im Agrarbereich war dagegen  im Vergleich zu naturnahen Lebensräumen die Insektenvielfalt um 29 Prozent geringer.

    7. In ländlichen Regionen wird die meiste Fläche verbraucht

    Seit dem Jahr 2000 entkoppelt sich in Bayern das Bevölkerungswachstum immer mehr vom Flächenverbrauch. In Gegenden, in denen immer weniger Menschen leben, wird am meisten Fläche verbraucht. Und auch der Flächenverbrauch pro Kopf ist auf dem Land höher als in der Stadt. Laut Marina Klein, der zweiten Flächensparmanagerin der Regierung von Unterfranken, wurden zwischen 2017 und 2020 im ländlichen Raum in Bayern zwischen acht und zehn Hektar pro Jahr für Siedlungs- und Verkehrszwecke in Anspruch genommen. Das waren zwischen vier und fünf Quadratmeter pro Einwohner jährlich. Im Verdichtungsraum waren es zwischen 1,2 und 2,2 Hektar jährlich sowie zwischen 0,7 und 1,4 Quadratmeter pro Einwohner.

    Auch in Unterfranken wird die meiste Fläche im ländlichen Raum verbraucht. Von 1992 bis zum Jahr 2013 nahm der Flächenverbrauch in den Landkreisen Bad Kissingen, Haßberge, Main-Spessart und Rhön-Grabfeld jeweils um durchschnittlich 20 Prozent zu, während die Zahl der Einwohner im gleichen Zeitraum um ein bis fünf Prozent schrumpfte.

    8. Den höchsten Versiegelungsgrad in Unterfranken haben die großen Städte

    Den meisten Beton in Bayern findet man aber in den Städten. Im ländlichen Raum betrug der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der Gesamtfläche laut Marina Klein und Anne Weiß zuletzt elf Prozent, im Verdichtungsraum hingegen 26 Prozent, also mehr als doppelt so viel.

    In Unterfranken haben drei Städte den höchsten Anteil an Siedlungs- und Verkehrsfläche. Im Jahr 2019 war rund 49 Prozent der Fläche der Stadt Würzburg als Siedlungs- und Verkehrsfläche ausgewiesen, 55 Prozent der Fläche der Stadt Schweinfurt und knapp 40 Prozent der Fläche der Stadt Aschaffenburg.

    Zum Vergleich: In den Landkreisen Haßberge, Main-Spessart, Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen betrug der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche 2019 zwischen neun und elf Prozent. Die Folge, so die Flächensparmanagerinnen: Die Städte müssten mit der begrenzten und teureren Ressource Fläche wirtschaften und würden daher häufiger auf Geschosswohnungsbau und mehr Dichte setzen.

    9. Immer mehr Einfamilienhäuser zu bauen widerspricht der demografischen Entwicklung

    Bis zum Jahr 2040 wird die Zahl der Drei- und Mehr-Personen-Haushalte in Unterfranken um zehn Prozent sinken. Die Ein- und Zweipersonen-Haushalte dagegen werden dann rund 75 Prozent aller Haushalte ausmachen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Prognose des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Alleinstehende Senioren oder junge Singles bräuchten andere Wohnformen, sagt Anne Weiß: "Wir müssen uns fragen, für welche künftige Gesellschaft wir bauen. Für nicht jede Haushalts- und Altersgruppe ist das Einfamilienhaus die ideale Wohnform."

    10. Ländliche Städte und Gemeinden haben es in der Hand, ob der Flächenverbrauch sinkt

    "Unterfrankens unbebaute Naturräume sind nicht nur wertvoll für den Tourismus, sondern auch für die Lebensqualität in unserer Region", sagt Oliver Weidlich, Sachgebietsleiter der Raumordnung, Landes- und Regionalplanung an der Regierung von Unterfranken. Es sei möglich, den Flächenverbrauch drastisch zu senken, wenn sich die Menschen und Kommunen vor allem im ländlichen Raum dem Wert ihres Bodens bewusst würden.

    "Unterfrankens unbebaute Naturräume sind nicht nur wertvoll für den Tourismus, sondern auch für die Lebensqualität in unserer Region."

    Oliver Weidlich, Leiter der Regionalplanung in Unterfranken

    Susanne Richter vom Bund Naturschutz in Rhön-Grabfeld nennt als Beispiel Bischofsheim in der Rhön: Hier würden seit Jahren keine neuen Baugebiete ausgewiesen und stattdessen Leerstände und Baulücken genutzt. Weitere Best-Practice-Beispiele aus Unterfranken stellt das Bayerische Umweltministerium auf seiner Internetseite vor.

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