Erstmals hat im Prozess um den erpresserischen Menschenraub in Karlstadt (Lkr. Main-Spessart) der Entführte jetzt selbst das Wort ergriffen. Bislang hatte der 34-Jährige in der Verhandlung nicht ausgesagt. Nach Angaben des Würzburger Landgerichts belastete ihn dies noch zu sehr. An diesem Donnerstag, dem vierten Verhandlungstag, trat er nun in den Zeugenstand - und sorgte für einen heftigen Streit im Gerichtssaal.
Der aus Syrien stammende Mann schilderte, wie er im November 2023 in Karlstadt von einem Fremden angesprochen wurde. Sekunden später sei er von mehreren Männern geschlagen, in ein Auto gezerrt und entführt worden. Der Beginn einer Tortur, die fünf Tage dauern sollte.
Zeuge: Fünf Tage ohne Schlaf, ohne Essen, mit Prügel und Drohungen
Der 34-Jährige spricht von fünf Tagen ohne Schlaf, ohne Essen, mit nur wenig Wasser. Immer wieder sei er mit einem Eisenrohr geschlagen und mit Füßen getreten worden. Mit Klebeband gefesselt und mit verbundenen Augen sei er in zwei verschiedenen Wohnungen gefangengehalten worden, sagt er aus. Mitunter sei er am Hals an ein Regal gebunden gewesen, damit er nicht habe einschlafen können.
Drei Männer aus Georgien sitzen wegen dieser Vorwürfe nun auf der Anklagebank. Die mutmaßlichen Entführer hätten ihm gedroht, Ohren und Füße abzuschneiden, sagt der Mann aus Karlstadt. Seine Frau und seine Kinder, die in der Türkei leben, seien bereits unter ihrer Gewalt. "Bitte tötet mich", habe er seine Entführer angesichts des Leids und der Schmerzen irgendwann angefleht.
Geschädigter äußert sich nur vage zu den Hintergründen
Am fünften Tag hätten die Männer ihn freigelassen, sagt der 34-Jährige vor Gericht. Die Gründe für die Entführung und ihr abruptes Ende kenne er nicht genau. Nur vage will er sich auf Nachfragen des Vorsitzenden Richters Reinhold Emmert und der Verteidigung zu den etwaigen Hintergründen der Tat äußern.
Nur soviel gibt er an: Es gebe einen Streit zwischen zwei Gruppierungen, eine davon aus Syrien. Darin verwickelt sei auch ein Freund von ihm, der laut den mutmaßlichen Entführern Geld gestohlen haben soll. Stellvertretend für diesen Freund habe die Gruppe ihn entführt und erpresst. Mal hätten die Entführer mehrere tausend Euro gefordert, mal mehrere Millionen.

Dem Geschädigten zufolge gehören die drei Angeklagten selbst jedoch keiner der beiden Gruppierungen an. Die Männer hätten ihm während der Gefangenschaft erklärt, von einer "gefährlichen Mafia" beauftragt worden zu sein. "Sie werden wie Söldner bezahlt", sagt der 34-Jährige über die Angeklagten. Seit der Tat sei er noch über 50 Mal bedroht worden. Er solle die Anklage zurückziehen und nicht vor Gericht aussagen.
Den Ermittlungen zufolge hatte der Geschädigte in Syrien eine Transportfirma. "Dort gab es Probleme mit einer anderen Person", hält ihm der Vorsitzende Richter vor. "Dazu möchte ich nichts sagen", antwortet er.
Anwältin brüllt, Vernehmung wird hitzig
Doch damit will ihn die Verteidigung nicht davonkommen lassen. Die Vernehmung wird hitzig. Die Anwältin eines Angeklagten brüllt den Syrer an: "Sie müssen den Namen nennen. Sie haben kein Recht, diese Aussage zu verweigern." Doch der 34-Jährige lässt sich von der Lautstärke und den bohrenden Fragen nicht beeindrucken.
Mehrmals fordern die Verteidiger eine Unterbrechung der Verhandlung, um sich mit ihren Mandanten besprechen zu können. Doch das Gericht will die Vernehmung des Zeugen nicht pausieren. Aus Protest verlässt einer der Anwälte den Saal und schlägt die Tür zu. Sein Kollege will es ihm nachtun. Auf halbem Weg kehrt er um, weil der Vorsitzende Richter ihm mit einer Anzeige bei der Anwaltskammer droht. Wenig später wird die Verhandlung schließlich doch unterbrochen.
Angeklagter erkrankt - Verhandlung endet abrupt
Nach der Mittagspause endet der Prozesstag dann abrupt. Eine Ärztin bescheinigt einem der drei Angeklagten, krank und deshalb nicht mehr verhandlungsfähig zu sein.
Für den ursprünglich auf fünf Tage ausgelegten Prozess sind am Landgericht Würzburg inzwischen sieben weitere Verhandlungstage veranschlagt worden. Fortsetzung ist voraussichtlich am kommenden Dienstag, 5. November, um 9 Uhr.