Weniger ist manchmal mehr – das hat Sebastian Klein mit Blinkist, einer App für Sachbuch-Zusammenfassungen, bewiesen. Mit der Idee, Bücher auf das Wesentliche zu reduzieren, hat er vor über zehn Jahren mit zwei Studienfreunden ein Start-Up gegründet, zum millionenschweren Unternehmen aufgebaut - und Erfolgsgeschichte geschrieben.
200 Millionen Euro brachte der Verkauf von Blinkist an die australische Firma Go1 im Jahr 2023. Sebastian Klein wurde reich. Doch statt sich auf seinen Millionen auszuruhen, investierte der gebürtige Würzburger 90 Prozent des Vermögens in die gemeinnützige Karma Capital gGmbH. Warum?
In seinem gerade erschienenen Buch "Toxisch Reich" beschreibt der 42-Jährige , wieso er extremen Reichtum für eine Gefahr für die Demokratie und für klimaschädlich hält. Er selbst will etwas dagegen tun, "sinnvolle Projekte" unterstützen - und Vorbild sein.
Reichtum verpflichtet, sagt Sebastian Klein. Wie er mit Geld Gutes bewirken möchte, schildert der Psychologe und Unternehmer im Interview.
Frage: Als Mitgründer von Blinkist: Gibt es ein Buch, das Sie besonders geprägt hat oder das Sie jedem empfehlen würden?
Sebastian Klein: Es gibt kein einzelnes Buch, das mich geprägt hat, aber das Lesen an sich hat mich stark beeinflusst – eine Gewohnheit, die ich aus meiner Familie mitgenommen habe. In den letzten Jahren haben mich besonders die Werke von Thomas Piketty zur Ungleichheit, "4000 Weeks" von Oliver Burkeman sowie die Bücher von Mariana Mazzucato zum Zusammenspiel von Staat und Wirtschaft inspiriert.
Welche Herausforderungen haben Sie bei der Gründung von Blinkist erlebt? Und wie hat das Ihre Sicht auf Unternehmertum geprägt?
Klein: Ich habe Psychologie studiert, das heißt, ich hatte wenig Wissen darüber, wie Unternehmen betriebswirtschaftlich funktionieren. Als wir gegründet haben, wusste ich noch nicht mal, was ein Investor ist. Und uns ging es wie den meisten selbstbewussten Startup-Gründern: Wir trauten uns viel zu, aber die ersten Jahre ging erst mal vieles schief. Ich denke, aus dieser Zeit habe ich besonders gelernt, dass es beim Gründen einfach dazu gehört, es immer wieder zu versuchen, zu scheitern und dann wieder zu versuchen.

Jetzt versuchen Sie, in Gemeinwohl zu investieren. Wie funktioniert "Karma Capital" und welche Ziele verfolgen Sie damit?
Klein: Karma Capital ist ein systemischer Investment-Fonds, der Geld gezielt nutzt, um gesellschaftliche und wirtschaftliche Systeme positiv zu verändern. Anders als traditionelle Fonds, die ausschließlich auf Gewinnmaximierung ausgelegt sind, setzt Karma Capital auf Investments, die soziale und ökologische Ziele fördern. Ein Beispiel: Gemeinsam mit Stiftungen wurde der Media Forward Fund gegründet, der journalistische Mediengründungen unterstützt, um die Demokratie zu stärken. Zudem arbeitet Karma Capital an einem Fonds, der ausschließlich in Unternehmen mit Verantwortungseigentum investiert – als Gegenentwurf zum schädlichen Shareholder-Kapitalismus. Ihr Ziel: den Finanzmarkt als Hebel für eine nachhaltige Transformation der Wirtschaft nutzen.

In Ihrem Buch "Toxisch Reich" kritisieren Sie die Vermögenskonzentration. Welche politischen oder wirtschaftlichen Maßnahmen halten Sie für am effektivsten, um soziale Ungleichheit zu bekämpfen?
Klein: Die extreme Vermögenskonzentration bedroht die Demokratie, wie man am Beispiel der USA sieht, wo Männer wie Elon Musk so viel Macht besitzen, dass von einer Oligarchie gesprochen werden kann. Auch in Deutschland ist die Vermögensverteilung extrem ungleich. Während Arbeit hoch besteuert wird, zahlen Reiche oft kaum Erbschaftsteuer und niedrigere Steuersätze auf Vermögenseinkünfte. Um das zu ändern, braucht es eine Reform der Erbschaftsteuer, die Einführung einer Vermögenssteuer und eine gerechtere Besteuerung von Einkommen aus Arbeit im Vergleich zu leistungslosen Einkünften.
Viele Menschen träumen von Wohlstand und finanziellem Reichtum...
Klein: Der Traum, sich durch Arbeit ein Vermögen aufzubauen, ist in Deutschland unrealistisch, da Vermögen meist vererbt wird und die Karten schon bei der Geburt gemischt sind. Ein gerechteres Steuersystem könnte dafür sorgen, dass alle die Chance haben, sich etwas aufzubauen, was auch der Wirtschaft zugutekäme. Selbst Reiche sollten sich für fairere Verhältnisse einsetzen, um langfristig eine funktionierende Gesellschaft zu erhalten.
"Irgendwann wurde mir klar: Ich bin ja selbst Teil dieses Problems."
Blinkist-Gründer und Investor Sebastian Klein über soziale Ungleichheit
Gab es einen bestimmten Moment in Ihrem Leben oder eine konkrete Erfahrung, die Sie dazu bewogen hat, 90 Prozent Ihres Vermögens zu spenden?
Klein: Bei mir war es so: Ich bin einerseits immer reicher geworden und habe mich parallel dazu mit der Ungleichheit beschäftigt. Mir wurde schnell klar, dass die Ungleichheit ein enormes Problem für unsere Gesellschaft ist, das wir dringend lösen müssen. Irgendwann wurde mir klar: Ich bin ja selbst Teil dieses Problems. Bis dahin hatte ich immer abstrakt über die Ungleichheit gesprochen. Ich kann das nicht mehr an einem bestimmten Moment festmachen, aber irgendwann war mir einfach klar, ich kann ja selbst dazu beitragen, das Problem zu lösen. Daher dann die Entscheidung, die ich bis heute richtig finde.
Wie hat sich Ihr Leben durch den Verkauf von Blinkist verändert – emotional und in Bezug auf Ihre Werte?
Klein: Nachdem ich beschlossen hatte, mich von 90 Prozent meines Vermögens zu trennen, konnte ich definitiv besser schlafen. Es fühlte sich dann sehr viel mehr so an, dass ich im Einklang mit meinen Werten lebte. An meinem Leben hat sich vor allem verändert, dass sich seitdem viele Menschen für meine Geschichte interessieren. Das hatte ich so nicht erwartet, dass ich auf einmal ins Fernsehen eingeladen und interviewt werde.

Was bedeutet für Sie persönlich denn "Reichtum"? Inwiefern fühlen Sie sich reich?
Klein: Wir sollten als Gesellschaft diskutieren, was Reichtum und Wohlstand wirklich bedeuten. Eine gute Gesellschaft ist für mich eine, in der möglichst viele finanziell abgesichert sind und niemand extrem reich ist,
. Ich kann finanziellen Reichtum nicht genießen, wenn ich Menschen sehe, die Flaschen sammeln müssen, um zu überleben. Eine Gesellschaft, die gleichzeitig extremen Reichtum und Armut zulässt, ist nicht reich, sondern arm. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der alle ein Leben in Würde führen können – das ist keine Forderung nach Sozialismus, sondern nach der sozialen Marktwirtschaft, wie sie im Grundgesetz verankert ist."Ich kann finanziellen Reichtum nicht genießen, wenn ich Menschen sehe, die Flaschen sammeln müssen, um zu überleben."
Sebastian Klein über das Leben als Millionär
Heute setzen Sie sich durch Ihr Engagement stark für soziale Gerechtigkeit ein. Wie reagieren Sie auf Kritik, dass das idealistisch oder naiv sei?
Klein: Ich denke, Menschen, die meine Gedanken für naiv halten, denken einfach nicht besonders weit in die Zukunft. Es ist wie mit dem Klimawandel: Klar ist es bequemer, heute einfach wie gehabt weiterzumachen. Langfristig wird es uns viel Wohlstand kosten. Die Welt dreht sich ja weiter, und wer denkt, er kann die Vergangenheit konservieren, wird irgendwann ein böses Erwachen erleben. Genauso ist es mit der Ungleichheit: Mann muss sich gar nicht aus Menschenliebe für mehr Gleichheit einsetzen. Man kann es auch einfach tun, weil man selbst in 20 Jahren in einer Gesellschaft leben will, die weiterhin funktioniert und in der auch künftige Generationen noch friedlich zusammenleben können.
Wie lautet - kurz zusammengefasst - Ihre Botschaft an die jüngere Generation, die in einer Welt mit zunehmenden sozialen und ökologischen Herausforderungen aufwächst?
Klein: Unsere Welt wird oft von privilegierten älteren Herren geprägt, die die großen Entscheidungen treffen. Wer etwas verändern will, muss lernen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, Gesetze zu ändern und finanzielle Hebel zu nutzen. Das sollte niemanden entmutigen, sich zu engagieren – aber es hilft, früh zu verstehen, wie Gesellschaft und Systeme gestaltet werden können, und Verbündete zu finden, um große Veränderungen anzustoßen. Ich ermutige alle, trotz möglicher Rückschläge weiter für eine bessere Zukunft zu arbeiten – es lohnt sich!
Sebastian Klein und sein UnternehmenSebastian Klein, 1982 in Würzburg geboren, ist Unternehmer und Autor. Er studierte Psychologie und arbeitete anschließend bei der Unternehmensberatung Boston Consulting Group. Mit Freunden er entwickelte er eine Sachbuch-App und gründete 2012 das Unternehmen Blinkist, das kurze Zusammenfassungen zum Lesen und Hören bietet. Durch den Verkauf von Blinkist wurde Klein über Nacht zum Multimillionär. Mit der "Karma Capital GmbH" entwickelt er heute einen gemeinwohlorientierten Investment-Fonds. Der 42-Jährige lebt in Berlin. Im Oekom-Verlag ist gerade sein Buch "Toxisch Reich: Warum extremer Reichtum unsere Demokratie gefährdet" erschienen (208 S., 19 Euro).MP