Mitten auf einer Straße im Würzburger Stadtteil Lindleinsmühle gingen im Oktober 2022 zwei Brüder aufeinander los. Der eine war mit einem Hammer bewaffnet, der andere mit einem Küchenmesser. Am Donnerstag mussten sich beide wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Schöffengericht am Amtsgericht in Würzburg rechtfertigen. "Ich komme jetzt und steche dich ab", soll der jüngere zum älteren Brüder laut Anklage gesagt haben.
Der Auslöser für den eskalierten Streit: Das Elternhaus der beiden Angeklagten hätte auf Vordermann gebracht werden sollen, weil Mutter und Vater der beiden von einem längeren Urlaub zurückkehren sollten. Die Brüder aus dem Raum Würzburg waren sich am Telefon uneinig darüber, wessen Ehefrau die Wohnung putzen muss. Und auch vor Gericht waren der 43-Jährige und der 41-Jährige nur selten einer Meinung.
Stich mit einem Küchenmesser in die Nierengegend
Was unstrittig ist: Beide Männer haben nach dem Streit am Telefon ihre Wohnungen verlassen, sind ins Auto gestiegen und haben sich ohne vorherige Absprache zufällig im Stadtteil Lindleinsmühle getroffen. Der jüngere Bruder bringt ein Küchenmesser mit und der ältere Bruder hat ohnehin einen Hammer im Auto, weil er gerade umgezogen ist.
Ein Gerangel zwischen den beiden endet damit, dass der jüngere Brüder dem älteren ein Messer in die Nierengegend sticht, der wiederum den Hammer gegen seinen Kontrahenten erhebt und ihm leichte Verletzungen zufügt. Ob er damit auch auf den Kopf- und Schulterbereich zugeschlagen hat, ist unklar. Notdürftig stillte der 41-Jährige die blutende Wunde seines Bruders mit einer Jacke, bis der Notarzt eintraf.

Beide Brüder sagen vor Gericht aus, vor dem Kampf vom jeweils anderen bedroht worden zu sein und streiten ab, den anderen bedroht zu haben. Die Ehefrauen stärken die Aussagen ihres jeweiligen Ehemanns. Obwohl die Richterin zahlreiche Augenzeuginnen und Augenzeugen zu Wort kommen lässt und beharrlich nachfragt, ist der Ablauf der Tat nicht zu rekonstruieren.
"Unschuldig ist hier keiner."
Jan Paulsen, Strafverteidiger
Die Aussagen widersprechen sich darin, wer zuerst auf wen losging und ob der jüngere Bruder von dem Hammer getroffen wurde oder nicht. Mal hat der Hammer einen gelben Griff, mal war er rot. Andere sahen am Tatort gar keinen Hammer, wieder andere kein Messer, sondern einen Meißel. Von den beiden Tatwerkzeugen fehlt jede Spur: Mehrere Zeugen beschreiben, dass ein junger Mann mit einem der beiden Brüder am Tatort gesprochen habe und dann mit Hammer und Messer "verschwunden" sei.
Verteidigung schlägt Einstellung des Verfahrens vor
Schließlich ist es Hans-Jochen Schrepfer, der Strafverteidiger des jüngeren Angeklagten, der eine Einstellung der Verfahren vorschlägt. "Keiner weiß am Ende, wem man was glauben kann", argumentiert er. Beide Seiten könnten ihm zufolge für ihren Mandanten Notwehr geltend machen. Strafverteidiger Jan Paulsen vertrat den älteren Bruder und schließt sich der Meinung an, betont aber: "Unschuldig ist hier keiner."
Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach merkt im Prozess an, dass die Angeklagten nach den Drohungen die Polizei hätten rufen können – dann wäre es ihm zufolge vermutlich erst gar nicht so weit gekommen. Er stimmt der Einstellung des Verfahrens zu, macht aber Zahlungen für einen gemeinnützigen Zweck zur Voraussetzung. Der jüngere Bruder muss demnach 1500 Euro bezahlen, der ältere 1000 Euro. Der Prozess endet damit ohne Urteil.
Die Berufsrichterin des Schöffengerichts hält das für eine "vernünftige und pragmatische Lösung". Sie gibt den beiden Brüdern mit auf den Weg, dass es einem "glücklichen Zufall" zu verdanken sei, dass beide noch am Leben seien und der Streit auch anders hätte ausgehen können. "So etwas darf nie wieder passieren", mahnt sie.