Die Bewerbung der stellvertretenden CSU-Fraktionschefin Judith Jörg für das Amt der Kultur-, Schul- und Sportreferentin hat Diskussionen nicht nur im Stadtrat hervorgerufen. Auch mehrere Leserbriefe erreichten diese Redaktion, seit Judith Jörg Ende Dezember ihre Ambitionen auf die Nachfolge von Muchtar Al Ghusain bekannt gegeben hatte. Der bisherige Referent verlässt Würzburg und wird in Essen Beigeordneter für Bildung und Kultur.
Befeuert wird die Debatte nicht zuletzt durch den Umstand, dass im Falle einer Wahl Jörgs eine ausgewiesene CSU-Kommunalpolitikerin dem Amtsinhaber Al Ghusain nachfolgen würde.
Dem SPD-Mann und Würzburger Parteichef (bis November 2017) war unter anderem von der CSU vorgeworfen worden, nicht klar zwischen Partei- und Verwaltungsamt zu trennen. Über die Haltung der CSU-Fraktion zur Bewerbung Judith Jörgs sprach diese Redaktion mit Fraktionschefin Christine Bötsch.
Frage: Gab es zur Bewerbung von Frau Jörg eine Aussprache in der CSU-Fraktion?
Christine Bötsch: Judith Jörg hat es sich gut überlegt, ob sie ihren Hut in den Ring wirft. Deshalb hat sie zuvor auch mit den einzelnen Mitgliedern unserer Fraktion gesprochen. Danach haben wir das Thema auch in größerem Kreis diskutiert. Aber man muss ganz klar sagen: Unsere Fraktion schickt keinen Bewerber ins Rennen. Wir suchen für den Posten des Kultur-, Schul- und Sportreferenten ja auch keinen Parteifunktionär.
Welchen Rückhalt hat Frau Jörg mit ihrer Bewerbung in der Fraktion?
Bötsch: Es gibt diesen Rückhalt absolut, bei allen. Wir schätzen ihre Kompetenzen und unterstützen es, dass sie sich für das Bewerbungsverfahren zur Verfügung stellt.
Frau Jörgs Mann – Oliver Jörg – ist nicht nur Landtagsabgeordneter, sondern auch CSU-Kreisvorsitzender in Würzburg. Inwieweit hat dieser Umstand bei der Unterstützung von Frau Jörgs Bewerbung in der CSU-Fraktion eine Rolle gespielt?
Bötsch: In den drei Jahren ihrer Stadtratsarbeit hat die Fraktion Judith Jörg engagiert erlebt, deshalb waren die Mitglieder frei von dieser Überlegung und frei von Beeinflussung. Entsprechende Angriffe mit diesem Tenor haben wir übrigens auch erwartet. Wir trennen da scharf zwischen den Funktionen und Personen, außerdem ist Judith Jörg eine unabhängige Person. Zugleich ist es aber sicher kein Nachteil, wenn jemand in einer solchen Funktion jemanden kennt, der gute Beziehungen nach München hat.
Gerade die CSU hat Muchtar Al Ghusain vorgeworfen, in seiner Referentenfunktion auch als SPD-Politiker aufgetreten
zu sein. Macht sich die CSU nicht unglaubwürdig, wenn sie jetzt die Bewerbung von Frau Jörg unterstützt? Sie ist immerhin Fraktionsvize im Stadtrat und führt den Ortsverband Versbach der CSU.
Bötsch: Ich bin dafür, dass ein Referent auch parteigebunden sein darf. Ich halte diese Funktion auch nicht für etwas Hyperneutrales. Sollte Judith Jörg gewählt werden, gehe ich aber davon aus, dass sie ihre politischen Funktionen in den Hintergrund stellen wird. Aber das Erstaunliche ist doch: Diejenigen, die seinerzeit mit Muchtar Al Ghusain einen neutralen Referenten zum OB-Kandidaten gemacht haben, regen sich jetzt am meisten auf.
Inwieweit gibt es bezüglich der Bewerbung Absprachen zwischen der CSU und anderen Fraktionen im Stadtrat?
Bötsch: Frau Jörg ist von sich aus auf andere Fraktionen zugegangen, mit denen wir im Stadtrat zusammenarbeiten. Ihr ging es um die Information der Kollegen, sie sollten das nicht von dritter Seite erfahren. Den Kollegen hat sie auch ihre Ideen vorgestellt, ebenso wie bei uns in der Fraktion, aber wir kennen ihre Fähigkeiten und Vorstellungen auch aus der Fraktionsarbeit. Ich mag das Wort „Absprachen“ nicht, und ich glaube auch nicht, dass Absprachen etwas bringen würden.
Die Referentenwahl ist ein offenes Verfahren. Und wie sehr man sich da im Vorfeld irren kann, hat sich nicht zuletzt bei der Wahl von Al Ghusain 2006 gezeigt, als er gegen die hoch favorisierte Hanne Vogt gewann.