Kaum zu glauben, aber außer Corona gab es 2020 auch noch weitere Themen, die die Menschen stark bewegten. Vor allem Gastronomen ärgerten sich zum Anfang des vergangenen Jahres massiv. Grund war die Einführung der Bonpflicht: Seit 1. Januar 2020 müssen Einzelhändler und Gastronomen bei jedem Verkauf einen Kassenbon ausdrucken. Damit will die Bundesregierung Steuerbetrug durch manipulierte Ladenkassen eindämmen, denn laut Bundesrechnungshof werden geschätzt jedes Jahr zehn Milliarden Euro Steuergelder hinterzogen.

Bonpflicht ist trotzdem noch Thema
Es war kein leichtes Jahr für Gastronomen - in vielerlei Hinsicht. "Corona hat alles überschattet", sagt Bernd Ohlmann, Pressesprecher des Handelsverbands Bayern. "Trotzdem verschwand die Bonpflicht nicht ganz aus den Köpfen."
Anfang 2020 rechnete der Handelsverband Bayern im Freistaat mit mehr als 300 000 Kilometern zusätzlicher Länge an Kassenbons im Jahr. "Dies ist natürlich nicht eingetroffen", erklärt Ohlmann. Grund sei die Kundenfrequenz. Diese sei im Corona-Jahr um etwa 30 bis 40 Prozent zum Vorjahr gesunken. "Die Menschen gingen weniger in die Stadt, kauften weniger ein und somit wurden weniger Bons gedruckt", so der Pressesprecher.
Café Cosmo: Das Drucken der Bons ist sinnlos
"Was waren das noch für Zeiten, als man sich im Januar über solch Nichtigkeiten wie die Bonpflicht echauffiert hat. Es kommt einem vor, wie aus einem anderen Leben", erzählt Laura Kelly vom Café Cosmo in der Würzburger Peterstraße. "Aber wir bleiben dabei, dass die Bonpflicht, so wie sie Stand heute durchgeführt wird mitsamt damit verbundenen Regelungen und Vorkehrungen, suboptimal ist." Zwar verstehe sie, dass dies dem Finanzsystem zu Gute kommt und dass nur so der Sozialstaat funktionieren kann, jedoch sehe sie das Drucken der Bons als "sinnlos" an. "Jeder Schritt ist im elektronischen Kassensystem einsehbar, zurückverfolgbar und im Nachgang zu kontrollieren. Wozu noch den verdammten Bon ausdrucken?"
"Jeder Schritt ist im elektronischen Kassensystem einsehbar, zurückverfolgbar und im Nachgang zu kontrollieren. Wozu noch den verdammten Bon ausdrucken?"
Laura Kelly, Geschäftsführerin vom Café Cosmo
Laut Kelly war die Bonpflicht unbeeindruckt von Corona im Gespräch mit dem Gast stets Thema am Tisch. Viele Gäste seien verwundert darüber gewesen, dass die Bons ausgedruckt werden müssen, "da wir sonst an allen Ecken auf umweltverträgliche Lösungen achten." Die Gastronomin nennt Glasstrohhalme oder Lampen aus recyceltem Müll als Beispiele. Die Anzahl der Bons, die tatsächlich von den Gästen mitgenommen wurden, gehe gen Null, so Kelly.
Auch in Bäckereien werden die Bons liegen gelassen
Wie der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks schreibt, wollen in Bäckereien nur weniger als drei Prozent der Kunden einen Beleg. Cornelia Thein, Inhaberin der Bäckerei Gehrold, kann dies nur bestätigen: "Die Mehrzahl der Kunden lässt den Beleg bei uns." Nur etwa fünf bis zehn Kunden am Tag nehmen den Bon mit nach Hause. Übrig bleibt ein großer Korb voller Zettel, der pro Filiale am Ende des Tages entsorgt werden muss. Zudem kritisiert Thein das enorme Müllaufkommen mit Blick auf die Umwelt. "Durch das Essen to go in der Gastro oder der Kaffee im Pappbecher wird der Umweltgedanke im Moment sowieso schon vernachlässigt", ärgert sich Thein. "Das ist wirklich sehr schade."
Wegen dieser Verschwendung und Belastung durch das umweltschädliche Thermopapier, mit dem Bons grundsätzlich gedruckt werden, hat eine Würzburger Bäckerei deshalb auf Ökobons, also Belege frei von chemischen Mitteln, umgestellt. Bereits seit 2018 setzt die Bäckerei Köhler auf die Ökobons, mittlerweile verwendet der Vollkornbäcker sie in allen vier Würzburger Filialen. Die Bonpflicht werde jedoch in der Bäckerei Köhler kaum noch thematisiert, erklärt die Vertriebsleiterin Corinna Kuhn. "Das dominierende Thema im Jahr 2020 ist Corona gewesen", sagt sie. Trotzdem könne auch sie bestätigen, dass der Großteil der Kunden den Bon in der Bäckerei liegen lässt.
Jeder Tastendruck hinterlasse Spuren
Aktuelle Erfahrungswerte und Rückmeldungen zur Umsetzung der Bonpflicht liegen dem Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga Bayern) aufgrund der monatelangen coronabedingten Schließungen der Betriebe nicht vor. "Von Mitte März bis Mitte beziehungsweise Ende Mai waren unsere Restaurants geschlossen und Hotels nur noch für Touristen geöffnet. Jetzt leidet die Branche unter dem erneuten Lockdown", sagt Pressesprecher Frank-Ulrich John auf Anfrage dieser Redaktion. "Da rückt ein Thema wie die Bonpflicht in der Tat in den Hintergrund."
"Die verpflichtende Ausgabe von Bons für alle Betriebe ist bürokratisch, teuer und überflüssig."
Frank-Ulrich John, Pressesprecher Dehoga Bayern
Als generelle Einschätzung zu dem Thema möchte er jedoch festhalten, dass es richtig sei, im Interesse eines fairen Wettbewerbs Steuerbetrug zu bekämpfen. Jedoch: Bei den manipulationssicheren, nach dem neuen Kassengesetz aufgerüsteten Kassen hinterlasse jeder Tastendruck Spuren, die sich nicht mehr löschen lassen. "Insofern ist die verpflichtende Ausgabe von Bons für alle Betriebe bürokratisch, teuer und überflüssig." Auch John kann bestätigen, dass der Bonmüll Kunden wie Unternehmer nerve. Vor allem "in Zeiten, in denen wir alle auf Nachhaltigkeit und Abfallvermeidung achten."