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WÜRZBURG: Brillenkönig Hünig dreht an der Sonne

WÜRZBURG

Brillenkönig Hünig dreht an der Sonne

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    Auch wenn das Material seiner Erfindungen meist Karton ist, was Hünig seit 27 Jahre produziert, ist nicht von Pappe. Mit besagtem Planetarium lässt sich bestens demonstrieren, wie sich die Erde um die Sonne und sich selbst dreht, wie der Mond um die Erde kreist und in welcher Geschwindigkeit sich Merkur und Venus um die Sonne bewegen. Dazu braucht's nur Einsatz an der kleinen Kurbel. 52-mal gedreht, und schon hat die Erde die Sonne einmal umrundet, ein Jahr ist um.

    Das klingt einfacher als die Konstruktion des 30 Zentimeter hohen Planetariums ist: Damit das Verhältnis der verschiedenen Umlaufzeiten der Planeten zueinander stimmt, musste der „autodidaktische Barfuß-Astronom“ (Hünig über Hünig) gewaltig tüfteln – mit einzelnen Bahnscheiben und dem Getriebe aus Gummiriemen und Rillenrädern. Besonders stolz ist Hünig auf die Sonne, eine kleine Leuchtkugel mit LED-Licht, mit der man Mondphasen und eine Sonnenfinsternis herbeikurbeln kann.

    Seit 20 Jahren liebäugelte Hünig mit dem Projekt, das er vor zwei Jahren startete – mit seiner gewohnten Arbeitsmethodik: erst konstruiert er „im Kopf“, dann mit Bleistift und Computer. Anschließend organisiert er die Produktion der Bausätze. Beim Planetarium sind das über 80 Einzelteile. Das alles dauerte etwa eineinhalb Jahre, bei Entwicklungs- und Produktionskosten von rund 30 000 Euro. Vor dem 11. August 1999 wäre das nicht möglich gewesen, sagt Hünig.

    Der Tag der Sonnenfinsternis (SoFi) hat das Leben des ehemaligen Waldorflehrers nachhaltig verändert: Eine folienbeschichtete Schutzbrille zum Blick auf die verdunkelte Sonne hatte Hünig erfunden – und einen Volltreffer gelandet. Rund 17 Millionen europaweit verkaufte Pappbrillen hätten dem heute 62-Jährigen einen frühzeitigen Ruhestand ermöglicht. „Ich glaube, das wär' mir nicht gut bekommen“, mutmaßt Hünig. Es treibt ihn der Ehrgeiz „jedes Jahr ein dickes Ei zu legen“, also ein neues Modell oder eine Erfindung herauszubringen.

    Auf der „ellenlangen Liste“ stehen eine Dampfmaschine, ein Rechenschieber aus Karton und für das „Internationale Jahr der Astronomie 2009“ eine Nachbildung des Telekops von Galileo Galilei, das dieser 1609 erstmals einsetzte. Man muss Zeit mitbringen, wenn Hünig von seinen Wunschprojekten erzählt: Ideen für mindestens fünf Jahre.

    Die dank SoFi-Brille finanzielle Unabhängigkeit nutzt Hünig für das Ausleben seiner Kreativität: „Wenn ich Spaß an etwas habe, dann mach ich's.“ Und Hünig hat viel Spaß an seinen wissenschaftlich-technischen Basteleien. Der Himmelskunde hat er sich autodidaktisch genähert: „Ich wusste, dass ich zu wenig weiß.“ Was 1981 mit einem kuppelförmigem Sternenhimmel für die Waldorfschule begann, hat sich mittlerweile zu einem Angebot von über 100 Artikeln ausgeweitet. Der AstroMedia-Verlag, den Hünig mit einem Vertriebspartner und zwei Mitarbeitern betreibt, ist mit seinem „Bastelspaß, der Wissen schafft“ (Werbespruch) laut Firmengründer europaweit erfolgreich: „Ich hab da eine Nische gefunden, ohne danach zu suchen.“

    „Wer weiß, wie Dinge funktionieren, kann souveräner mit ihnen umgehen“

    Klaus Hünig, Erfinder und Verlagschef

    Die Kunden: „Vom interessierten Schüler bis zum passionierten Ingenieur“, sagt Hünig. Sie alle begeistert wohl das Leitmotiv von Hünig: „Bei den Geräten soll man die Entwicklung von Technik und Wissenschaftsgeschichte nachvollziehen können. Es muss ein Bausatz sein, um durchs Zusammenbauen zu erkennen, wie's funktioniert.“ Nach Hünigs Auffassung kann unverstandene Technik unterschwellige Ängste verursachen. „Es sollte eigentlich niemand Straßenbahn fahren, der nicht ungefähr weiß, wie sie funktioniert.“

    Neben dem Verständnis hat Hünig noch einen Anspruch an seine Bausätze: Sie sollen nicht viel kosten. So gibt's die Postkarten-Sternenuhr schon für 60 Cent während das „Highlight“ Kopernikus-Planetarium mit 31,90 Euro das teuerste Angebot ist. Die erste Auflage von 3000 Stück ist schon verkauft. Nur an einen Flop kann sich Hünig erinnern: Ein Sammelgedichtband zum Thema Sterne. Da gab's aber auch nichts zu basteln.

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