"Brot oder Bienen? Ernährung sichern. Artenvielfalt erhalten", heißt eine öffentliche Veranstaltung, zu der die Katholische Landvolkbewegung am 2. Februar nach Fährbrück im Landkreis Würzburg einlädt. Der Titel habe im Vorfeld für Wirbel gesorgt, sagt Wolfgang Meyer zu Brickwedde, Bildungsreferent der Diözese Würzburg. Dabei gehe es an dem Abend gerade nicht darum, die Landwirtschaft für das Artensterben verantwortlich zu machen.
Vielmehr soll der "Gesprächsabend", an dem Fachvorträge, eine Podiumsdiskussion und die Diskussion mit dem Publikum geplant sind, Verbraucherinnen und Verbraucher mit Landwirtinnen und Landwirten ins Gespräch bringen. Denn das Verständnis für die Landwirtschaft sei bei vielen verloren gegangen, die keinen direkten Kontakt mehr zur Landwirtschaft haben, sagt Meyer zu Brickwedde.
Was muss sich dringend ändern, um unsere Ernährung zu sichern und gleichzeitig das Artensterben zu stoppen? Antworten geben zwei der Referenten des Abends vorab im Interview: Jan Thiele, Wissenschaftler am Thünen-Institut für Biodiversität in Braunschweig und Anja Eyrisch, Referentin für Agrar-, Verbraucherschutz und Ökologiefragen der Diözese Würzburg.
Frage: Der Titel der Veranstaltung lautet "Brot oder Bienen": Heißt das: Wenn wir uns dafür entscheiden, Getreide anzubauen, leben wir bald in einer Agrarwüste ohne Bienen?
Jan Thiele: Nein, Landwirtschaft und Artenvielfalt haben jahrhundertelang zusammen funktioniert. Die traditionelle Landwirtschaft hat einen Großteil der Biodiversität erst geschaffen. Die Naturlandschaft wäre heute nicht so artenreich, hätte es die Landwirtschaft nicht gegeben. Es gab immer schon Brot und Bienen.

Im Jahr 2023 klingt das grundfalsch. Noch nie war der Verlust der Artenvielfalt, etwa bei Insekten und Vögeln, und der Verlust der Lebensräume für Tiere und Pflanzen, so hoch wie heute.
Thiele: Die moderne Landwirtschaft ist völlig anders als die traditionelle Landwirtschaft. Wir bearbeiten heute unsere Böden mechanischer als früher. Wir verwenden Dünger. Dadurch verschwinden Pflanzen, die unter nährstoffarmen Bedingungen vorkommen. Wir nutzen Pestizide, die direkt auf Pflanzen und Tiere wirken. Im Mittelalter hat die traditionelle Landwirtschaft Artenreichtum geschaffen. Damals hat man nicht so intensiv gewirtschaftet. Auf den Äckern wuchsen Wildkräuter. Es gab Grünland und aufgelichtete Wälder. Heute ist das anders. Seit den 1960er-Jahren erleben wir einen dramatischen Schwund an Pflanzen- und Tierarten.
Heißt das, wir müssten wieder zurück zu einer Landwirtschaft aus dem Mittelalter?
Thiele: Das ist utopisch. Damals in der "Dreifelderwirtschaft" lag ein Drittel der Felder brach. Das ist heute nicht mehr vorstellbar. Doch eines muss sich ändern: Im Landwirtschaftsgesetz von 1955, das noch heute gilt, steht als eines der Hauptziele die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität. Wir sind aber schon vor Jahrzehnten bei einem Maximum an Produktivität angekommen. Heute wollen wir maximale Produktivität und maximale Biodiversität. Das beißt sich! Das geht nicht zusammen.
Wie wollen Sie Landwirten vermitteln, dass sie sich künftig mit weniger Ertrag zufrieden geben sollen? In Zeiten steigender Energiekosten, billiger Konkurrenz aus dem Ausland und vielem mehr.
Thiele: Das geht nur über den Geldbeutel der Landwirte. 50 Prozent der Einkommen der landwirtschaftlichen Höfe sind Subventionen. Die Politik entscheidet, wofür es die Subventionen gibt. Etwa für die Produktion, für die Pflege der Landschaft, für die Förderung der Biodiversität. Neben der Produktion müsste man Landwirten heute viel mehr für Biodiversitätsleistungen bezahlen.
Frau Eyrisch, haben Verbraucherinnen und Verbraucher dann überhaupt einen Einfluss darauf, ob die Landwirtschaft in Unterfranken ökologischer wird?
Anja Eyrisch: Natürlich. Verbraucher können bio und regional einkaufen. Doch die Verantwortung liegt nicht allein beim Verbraucher. Das Landwirtschaftsgesetz ist nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Damals war es wichtig, dass es günstige Lebensmittel in hoher Verfügbarkeit gab. Es war wichtig, die Produktion immer weiter zu steigern. Das ist heute anders. Doch auch heute haben wir in unserer Gesellschaft Menschen, die darauf angewiesen sind, günstige Lebensmittel zu erwerben. Das hat sich in den letzten Monaten noch verschärft.

Wie realistisch ist es also, dass Menschen, die an den hohen Energiekosten zu knabbern haben, künftig im Bioladen einkaufen statt bei Aldi und Lidl?
Eyrisch: Das ist genau das Dilemma. Jeder Landwirt möchte das Maximum an Tierwohl haben. Und bekommt oft keinen angemessenen Preis dafür. Jeder Verbraucher möchte das beste Lebensmittel kaufen. Und trotzdem soll es möglichst günstig sein. Wenn man aber bei Verbrauchern Verständnis für die Leistungen der Landwirtschaft weckt, werden sie eher bereit sein, mehr Geld für ihre Lebensmittel auszugeben. Für Menschen, die am Existenzminimum leben, müssen wir eine andere Lösung finden – etwa über die Sozialpolitik, über faire Löhne. In der Vergangenheit ist das Problem der Armut in unserer Gesellschaft immer auf die Landwirtschaft abgewälzt worden. Man hat gesagt: Lebensmittel müssen günstig sein. Davon müssen wir wegkommen!
Haben Sie einen Tipp, wie man günstig und trotzdem ökologisch einkaufen kann?
Eyrisch: Ja, indem man saisonale Lebensmittel direkt beim Produzenten, etwa bei Hofläden, einkauft.
Wann und wo der Gesprächsabend stattfindetDer Vortragsabend "Brot oder Bienen? Ernährung sichern. Artenvielfalt erhalten" mit Podiumsdiskussion findet am Donnerstag, 2. Februar, von 19.30 bis 22 Uhr im Eventcenter Hubertushof in Fährbrück bei Hausen im Landkreis Würzburg statt. Weitere Infos unter www.kljb-wuerzburg.de/brot-oder-bienen. Anmeldung erwünscht: Telefon (0931) 386-6 37 21.akl