Würden Sie einen Bürgermeisterkandidaten wählen, der Ihren Gruß nicht erwidert? Ein Nein in der Wahlkabine könnte die Antwort sein - oder auch ein Missverständnis! Denn was, wenn der Bürgermeisterkandidat einen Zwillingsbruder hat, von dem er optisch kaum zu unterscheiden ist? Einen genau solchen Fall gibt es im Landkreis Würzburg: Der Bürgermeisterkandidat der Gemeinde Estenfeld, Joachim Sadler, und sein Bruder Jürgen sind eineiige Zwillinge und sehen sich zum Verwechseln ähnlich.
Nicht nur ihr Aussehen, auch ihre Stimme klingt nahezu identisch. Und weil sich die beiden in ihrer Kindheit noch ähnlicher waren als heute, wie sie selbst sagen, kam es schon damals zu amüsanten Situationen. Ihre gesamte Jugend haben sie immer dieselben Sportarten ausgeübt. Etwa Judo, wo das Kampfgewicht mitunter ausschlaggebend für die jeweilige Kampfklasse der Einzelsportler ist. Da habe Jürgen seinen Bruder unterstützt, wie es nur den wenigsten Geschwistern möglich ist: Da er immer weniger Körpergewicht auf die Wage brachte als Joachim, habe er sich beim Wiegen kurzum für seinen Bruder ausgegeben, um diesen mal eben zwei Kilo leichter zu machen, erzählt er.

Schon immer ein enges Verhältnis
Die Brüder erklären, dass sie schon immer ein sehr gutes Verhältnis hatten. Natürlich heißt das nicht, dass es unter den Geschwistern nicht auch mal ordentlich gekracht hätte. So erzählen die beiden von einem Streit im Alter von etwa sieben Jahren, als die Eltern nicht zu Hause waren. Jürgen brachte Joachim so sehr auf die Palme, dass dieser ihn wutentbrannt durch das Haus verfolgte. Jürgen legte sich im Esszimmer auf den Boden und hielt die Tür mit beiden Füßen zu. Joachim stämmte sich gegen die Tür, welche mit einer großen Glasscheibe in der Mitte ausgespart war.
Die Glasscheibe sprang aus dem Türrahmen und erwischte Jürgen am Fuß. "Da habe ich geblutet wie ein Schwein", resümiert Jürgen Sadler. "Der neue Teppich war innerhalb kürzester Zeit von einem riesigen Blutfleck durchtränkt", erinnert sich auch Joachim Sadler. In der ernsten Lage löste sich die Aggression rasch in Luft auf - Joachim verband den Fuß seines Bruders provisorisch, setzte ihn auf sein Klapprad und radelte zum örtlichen Hausarzt. Verzweifelt versuchte er anschließend mit Tintenkiller und Essig, den Blutfleck auf dem Teppich zu entfernen.

Trotz der immer wieder mal vorkommenden Meinungsverschiedenheiten hatten die beiden immer ein gutes Verhältnis, was nur unschwer zu erkennen ist, wenn man sie am Kaffeetisch gemeinsam scherzen sieht. Weil die Brüder beide Frühaufsteher sind, richten sie ihre Kaffeekränzchen gerne am Samstagmorgen aus.
Das berüchtigte "unsichtbare Band" zwischen den Zwillingen gebe es aber nicht, erklärt Jürgen. "Wenn einer sich in den Finger schneidet, hat der andere keine Schmerzen", sagt Joachim und beide lachen. "Wir haben aber schon eine engere Bindung als andere Geschwister", fügt er mit gefestigtem Ton hinzu. Für längere Zeit getrennt waren sie nur in den 80er Jahren, als Joachim beruflich in Wackersdorf im Einsatz war. Heute haben sie sogar den selben Arbeitgeber: Während Joachim Ausbilder bei der Polizei ist, ist Jürgen dort als Anlagenmechaniker für das Technische zuständig.
"Wenn ich Bürgermeister wäre, könnte ich den Maibaum in zwei Ortschaften gleichzeitig aufstellen!"
Joachim Sadler, Bürgermeisterkandidat in Estenfeld
Verwechslungen auf der Straße begegnen den Zwillingen oft, insbesondere Jürgen, weil Joachim Sadler in Polizeikreisen, aber auch wegen seiner Kandidatur für das Bürgermeisteramt in der Gemeinde einen hohen Bekanntheitsgrad genießt. Als Jürgen seinen Schwiegervater aus der Tagespflege abholte, hörte er die Senioren rufen: "Der Bürgermeister kommt!"
Aber auch zu unangenehmen Begegnungen sei es aufgrund des identischen Äußeren schon gekommen. Das bereitet in erster Linie Jürgen Sorgen. Denn durch die zunehmende Gewalt gegen Kommunalpolitiker könnte auch er zur ungewollten Zielscheibe von Pöblern werden. Einen großen Vorteil gebe es aber dennoch, wie Joachim Sadler scherzend feststellt: "Wenn ich Bürgermeister wäre, könnte ich den Maibaum in zwei Ortschaften gleichzeitig aufstellen!"