Nicht einmal fünf Minuten vom Randersackerer Friedhof entfernt füllt sich im „Alten Keller“ in der Maingasse langsam die Tanzfläche. Der gelbe Flyer verspricht: „In ist, wer drin ist. Die beste Alternative zu jeder Disco.“ In einem ehemaligen Rübenkeller mit dem Charme der 60er und 70er Jahre trifft sich von Donnerstag bis Samstag ein vorwiegend „mittelalterliches“ Publikum. Gemeinsame Leidenschaft: das Tanzen. Für die Musik verantwortlich: Discjockey Hans Kollenbrath. „Tanzen befreit und lockert den Körper und die Seele“, sagt der 65-jährige Österreicher aus Radenthein in Kärnten.
1977 ist Kollenbrath nach Würzburg gekommen. „Eigentlich war das als Intermezzo gedacht. Der damalige Besitzer des ,Monokel‘, Helmut Schumann, wollte den Laden auch unter der Woche zum Laufen bringen.“ Nach Randersacker kam Kollenbrath, weil auch der 1964 eröffnete „Alte Keller“ nicht mehr so recht lief. Am 21. September 1983 hat er das Gewerbe bei der Gemeinde Randersacker angemeldet, und am 17. Oktober 1983 hat die Gemeinde den Antrag bestätigt. „Ich habe also im letzten Jahr mein 30-jähriges Jubiläum gefeiert“, erzählt Kollenbrath und beobachtet aufmerksam die fünf, sechs Paare, die gerade einen Walzer tanzen. „Wir sind das einzige Lokal in der Gegend, wo man Standardtänze oder lateinamerikanische Tänze wie einen Cha Cha Cha tanzen kann“, behauptet er.
Gleich zu Beginn hat der Österreicher im „Alten Keller“ auch seine spätere Frau Renate kennengelernt, die er 1987 geheiratet hat. Aus den drei Jahrzehnten in Randersacker könnte er viele Geschichten erzählen – aber er schweigt. „Ich nenne aus Prinzip keine Namen. Das bin ich meinen Gästen schuldig.“ Die amüsieren sich unter der silbernen Discokugel und den rot-türkis erleuchteten Stalaktiten, die an der Decke des ehemaligen Rübenkellers hängen.
„Bei uns tanzt der Rechtsanwalt mit der Sekretärin, und der Handwerksmeister steht neben dem Hilfsarbeiter“, sagt der DJ, und seine Frau ergänzt: „Unser Einzugsgebiet reicht von Wertheim über Bad Mergentheim bis nach Schweinfurt.“ Ein Gast aus dem Stuttgarter Raum, der von sich behauptet, als Event-Manager Millionen zu verwalten, wirft ein: „Hier triffst Du Menschen, die auf der Suche nach dem kleinen Glück sind. Die werfen sich jeden Abend in Schale und fahren zu den Tanzlokalen.“
An der Einrichtung des „Alten Keller“ hat sich in den drei Jahrzehnten nicht viel verändert – bis auf die Lampen über der Theke, die früher aus Holz waren. Der Wiedererkennungseffekt sei ganz wichtig, damit sich seine Gäste auch nach längerer Abwesenheit wieder zuhause fühlten, sagen die Kollenbraths.
„Träum’ mit mir“, fordert gerade ein deutscher Schlager auf. Viele Träume seien im „Alten Keller“ wahr geworden, erzählt Kollenbrath. „Das Schöne ist, dass hier so viele Menschen zueinander gefunden haben.“ Über 100 Paare, schätzt er, haben sich seit 1983 in der Maingasse 10 gefunden. Immer wieder sei er auch gebeten worden, Trauzeuge zu sein. Nicht selten vererbe sich die Begeisterung für den „Alten Keller“ von den Eltern auf die Kinder. „Über all die Jahre sieht man, wie die Familie wächst. Ich kenne die Eltern, und die Kinder sind inzwischen schon Stammgäste.“
Sein Haus bezeichnet er als „Generationentanzlokal“ mit Kultstatus. Deswegen spiele er nicht nur deutsche Schlager, sondern auch die aktuellen Charts – Jennifer Lopez, Kylie Minogue, Shakira. Das komme gut an, und so tanzten beispielsweise nach dem „Fleckenfest“ junge und nicht mehr ganz so junge Gäste auch den „Alten-Keller-Clubtanz“. „Den hat vor 40 Jahren die ganze Welt getanzt. Der ähnelt einem Line Dance“, erklärt Kollenbrath.
Unterdessen hört seine Frau Renate aufmerksam einem Paar zu, das von seinem Urlaub erzählt. „Ich bin Ansprechpartnerin für alles: Familie, Arbeit, Urlaub, Krankheit“, sagt die 55-Jährige.
Als die Stimmungskurve auf der Tanzfläche etwas abzuflachen droht, legt Kollenbrath „Sempre, sempre“ von Al Bano und Romina Power aus dem Jahr 1986 auf. „Das spiele ich immer, wenn wenig getanzt wird. Mein Allheilmittel“, lächelt der erfahrene DJ. Ansonsten unterscheide sich der Musikgeschmack von Jung und Alt deutlich: „Dancing Queen“ von Abba, Udo Jürgens’ „Ich war noch niemals in New York“ und Boney M. wünschten sich die 20- und 30-Jährigen – bei den 40-, 50-Jährigen seien Barry White und Lionel Ritchie gefragt.
Kollenbraths Grundsatz: Je voller die Tanzfläche, desto besser der Abend. Sein Ziel: „Die Menschen sollen glücklicher herausgehen, als sie gekommen sind.“
Mittlerweile singt Andrea Berg „Zum Teufel mit der Einsamkeit“, und neun Paare tanzen dazu einen Walzer oder einen Discofox. „Mein Leben, so wie es ist, reicht mir. Die Arbeit ist mein Jungbrunnen“, sagt Kollenbrath. So werden sich im „Alten Keller“ wohl noch einige Jahren Geschichten anbahnen. Ausgang offen.
„Hier triffst Du Menschen, die auf der Suche nach dem kleinen Glück sind. Die werfen sich jeden Abend in Schale und fahren zu den Tanzlokalen.“
Ein Stammgast