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Würzburg: Christopher Street Day 2023: Queere Menschen im Alter wehren sich gegen Vorwurf, dass "Queer Sein" Jugendtrend ist

Würzburg

Christopher Street Day 2023: Queere Menschen im Alter wehren sich gegen Vorwurf, dass "Queer Sein" Jugendtrend ist

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    Wolfgang (links) und Günter Keller sind seit über 40 Jahren ein Paar. Früher haben sie sich oft für die queere Community starkgemacht. Heute sind sie viel seltener politisch aktiv. Doch warum?
    Wolfgang (links) und Günter Keller sind seit über 40 Jahren ein Paar. Früher haben sie sich oft für die queere Community starkgemacht. Heute sind sie viel seltener politisch aktiv. Doch warum? Foto: Johannes Kiefer

    Queere Menschen werden in den Medien oft als junge Liebende dargestellt, die kämpferisch die Regenbogenfahnen in die Luft heben und für gesellschaftliche Akzeptanz und Diskriminierung kämpfen. Dabei scheint die queere Community vor allem eines zu sein: jung!

    Doch der Eindruck täuscht. Die queere Bewegung feiert bereits seit über 50 Jahren den Christopher Street Day (CSD). Im Juni 1969 legten Homosexuelle und Transpersonen den Grundstein für die mittlerweile jährlich stattfindenden CSD Paraden weltweit. Bei dem sogenannten "Stonewall Aufstand" protestierten Homosexuelle und Transpersonen Seite an Seite gegen die Polizeigewalt gegen queere Menschen. Auch in Würzburg findet an diesem Wochenende der jährliche Protestmarsch mit anschließenden Feierlichkeiten am Mainufer statt – mit überwiegend jungem Publikum.

    Diese Redaktion hat das zum Anlass genommen, um mit queeren Menschen über das Thema Sichtbarkeit im Alter zu sprechen. Und über den häufigen Vorwurf, dass queer sein ein Trend unter jungen Menschen ist:

    Wolfgang und Günter Keller (66): Haben aus ihrem Schwulsein nie ein Geheimnis gemacht

     Wolfgang (links) und Günter Keller haben ihre Homosexualität nie versteckt und sich immer im WuF-Zentrum in Würzburg engagiert.
     Wolfgang (links) und Günter Keller haben ihre Homosexualität nie versteckt und sich immer im WuF-Zentrum in Würzburg engagiert. Foto: Johannes Kiefer

    "Wir sind seit 1980 ein Paar und seit 2018 in einer Ehe. Aus unserem Schwulsein haben wir nie ein Geheimnis gemacht. Als wir 1979 ins Wuf-Zentrum zur Schwulengruppe kamen, hatten noch viele Schwule Angst vor dem öffentlichen Auftreten, wie zum Beispiel bei den Info-Ständen in der Fußgängerzone. Denn leider kamen öfter auch Leute vorbei, die uns dann beschimpft und angefeindet haben. Da wurde dann gesagt, dass wir verschwinden sollen oder dass uns keiner will. Das ist sicher auch einer der Gründe, warum sich heute noch viele ältere queere Menschen kaum an die Öffentlichkeit trauen.

    Aber Menschen, die behaupten, dass queer sein ein Trend ist, erzählen Quatsch. Queere Menschen gab es schon immer. Wenn man heute mehr jüngere als ältere Menschen beim CSD sieht, dann mag das auch daran liegen, dass sie in anderen Zeiten aufgewachsen sind, in denen man sich nicht getraut hat, sich offen zu zeigen. Seit Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaften und dem Antidiskriminierungsgesetz hat sich das queere Leben in der Gesellschaft deutlich hin zu mehr Offenheit gewandelt.

    "Menschen, die behaupten, dass queer sein ein Trend ist, erzählen Quatsch."

    Wolfgang und Günther Keller, schwules Paar seit 1980

    Dafür haben wir durch den langen Kampf für gleiche Rechte die Grundlage geschaffen. Perfekt ist immer noch nicht alles. Gewalt und Diskriminierung nehmen, auch durch rechte Parteien, wieder zu. Dennoch ist die Thematik in der Mitte der Gesellschaft angekommen. In Serien und Filmen sind gleichgeschlechtliche Paare kein Tabu mehr, das ist auch gut so. Denn beeinflusst wird dadurch niemand, auch wenn das immer von homophoben Minderheiten behauptet wird. Wir sind durch die hetero geprägte Gesellschaft auch nicht heterosexuell geworden, sondern wir sind schwul, weil wir es schon immer waren."

    Sarah Christina Körschenhaus (60): Viele trans Personen möchten nicht sichtbar sein

    Sarah Christina Körschenhaus engagiert sich bei Trans-ident Würzburg und sagt, dass es ältere trans Personen immer gab und gibt, sie seien nur häufig nicht sichtbar.
    Sarah Christina Körschenhaus engagiert sich bei Trans-ident Würzburg und sagt, dass es ältere trans Personen immer gab und gibt, sie seien nur häufig nicht sichtbar. Foto: Gina Thiel

    "Ich als 60-jährige trans Frau bin nur sichtbar, weil ich mich dazu entschieden habe bei Beratungsstelle Trans-ident e.V. in Würzburg zu arbeiten und meine Erfahrungen an andere weiterzugeben. Es ist aber eher selten, dass trans Personen sich nach ihrem Angleichungsprozess dazu entscheiden, weiter sichtbar zu sein. Die meisten trans Menschen wollen einfach als nur Mann oder Frau leben und nicht auffallen. Das hängt auch mit dem schweren Leidensweg zusammen, den man als transgeschlechtliche Person hinter sich bringen muss. Man möchte damit irgendwann einfach abschließen.

    "Als ich zum Beispiel damals meinen Vornamen und Personenstand nach dem immer noch gültigen Transsexuellengesetz anpassen lassen wollte, musste ich von zwei unabhängigen Gutachtern bestätigen lassen, dass ich eine transidente Person bin. Das ist nicht nur wahnsinnig teuer, sondern kann auch extrem verletzend sein. Man muss einer völlig fremden Person das Privateste über sich offen legen, um zu beweisen, dass man mit den falschen körperlichen Geschlechtsmerkmalen geboren wurde. Da werden zum Beispiel Fragen nach dem Masturbationsverhalten gestellt oder welche Unterwäsche man trägt. Hinzu kommen dann die geschlechtsangleichenden Operationen, die mit extremen Schmerzen verbunden sind. Wer das alles hinter sich gebracht hat, möchte endlich als das wahrgenommen werden, was er oder sie ist und nicht an den schweren Prozess erinnert werden.

    Daher erscheint es oft so, als gäbe es ältere trans Personen nicht, aber ich kann sagen: Es gab uns schon immer. Wer darin einen Trend oder eine Modeerscheinung sieht, hat nicht verstanden, wie schwer der Prozess, sowohl psychisch als auch körperlich ist. Das tut man sich sicherlich nicht an, um cool zu sein."

    Gabriele Richter und Sigrid Kohm (62 Jahre): Mussten lange ein Doppelleben führen

    Sigrid Kohm (rechts) und Gabriele Richter aus Veitshöchheim sind seit 33 Jahren ein Paar. 
    Sigrid Kohm (rechts) und Gabriele Richter aus Veitshöchheim sind seit 33 Jahren ein Paar.  Foto: Gina Thiel

    "Als wir uns vor 33 Jahren kennengelernt haben, waren das noch ganz andere Zeiten als heute. Da wären wir nicht offen lesbisch auf die Straße gegangen. Das wäre gar nicht möglich gewesen – wir hätten unseren Job verloren. Wir mussten damals noch ein Doppelleben führen. Unsere Bekannten, Arbeitskolleginnen oder -kollegen  wussten nicht, dass wir ein Paar sind. Irgendwann haben wir gemerkt, dass uns dieses Versteckspiel auf Dauer krank macht und das beendet."

    "Wir sind also ein gutes Beispiel dafür, dass es Homosexuelle schon immer gegeben hat, auch wenn man früher weniger offen gelebt hat und dadurch seltener wahrgenommen wurde. Wir Lesben hatten es da lange noch einfacher als die Schwulen. Ihre Lebensweise war bis 1994 unter Paragraf 175 noch unter Strafe gestellt. Die haben mit ihrer Stellung in der Gesellschaft gespielt, wenn sie offen zugegeben haben, homosexuell zu sein." 

    "Vielleicht liegt es auch daran, dass man ältere queere Menschen seltener in den Medien sieht. Wir haben auch den Eindruck, dass diese Generation verhaltener ist. Dennoch wäre queer sein gesellschaftlich vielleicht akzeptierter, wenn man auch uns Ältere häufiger sehen würde. Damit eben nicht alle denken, dass nur junge Leute queer sind oder das etwas Vorübergehendes ist. Denn Homosexualität ist kein Trend, genauso wenig, wie heterosexuell sein ein Trend ist. Bei uns gibt es genauso langjährige und intensive Beziehungen, wie bei den anderen auch."

    Burkhard Hose (56): Hätte sich gern schon früher öffentlich geoutet

    Burkard Hose ist katholischer Hochschulpfarrer und hat sich erst im Alter geoutet. Er hat großen Respekt vor den queeren älteren Menschen, die damals auf die Straße gegangen sind.
    Burkard Hose ist katholischer Hochschulpfarrer und hat sich erst im Alter geoutet. Er hat großen Respekt vor den queeren älteren Menschen, die damals auf die Straße gegangen sind. Foto: Silvia Gralla

    "Ich habe mich erst vor anderthalb Jahren mit der Initiative #OutinChurch öffentlich geoutet. Danach sind auch zu mir junge Leute aus der Hochschulgemeinde gekommen, die sich bis dahin nicht getraut haben, weil sie beispielsweise Angst vor Ablehnung ihrer Familien hatten. Wenn mein Coming Out dazu beigetragen hat, anderen Mut zu machen, war es das wert. Ich hätte mich gern auch schon eher öffentlich geoutet. Die diskriminierende Lehre und das Arbeitsrecht der Kirche haben das aber für viele Menschen im kirchlichen Dienst unmöglich gemacht."

    "Wenn mein Coming Out dazu beigetragen hat, anderen Mut zu machen, war es das wert."

    Burkard Hose - schwuler, katholischer Hochschulpfarrer

    "Ältere queere Menschen sichtbar zu machen finde ich wichtig, denn auch ich habe Achtung vor ihnen. Sie sind noch unter ganz anderen politischen und gesellschaftlichen Umständen auf die Straße gegangen und für die Rechte eingetreten, die wir heute haben.  Sie haben zu einer Zeit gekämpft, in der ihnen ihre Lebensweise vom Gesetz verboten wurde. Queere Menschen im Alter zu zeigen ist aber auch wichtig, weil unsere Community Role-Models braucht. Denn sie zeigen, wie das Leben als queere Person im Alter aussehen kann."

    "Wenn Leute aus ideologischen Gründen aber behaupten, dass queer sein eine Phase ist, muss man auf die Tatsachenwahrheiten hinweisen. Die humanwissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen deutlich, dass sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität keine Phasen, sondern Teil der Persönlichkeit sind. Für mein Dasein als queerer Mensch muss ich mich weder rechtfertigen noch muss ich etwas daran ändern."

    Christopher Street Day in WürzburgAuch in diesem Jahr hat der Verein "Queer Pride Würzburg" den CSD organisiert und dabei ein buntes Programm auf die Beine gestellt. Das gesamte Wochenende steht im Zeichen des Regenbogens:Freitag, 23. Juni: Politische Eröffnung im Rathaus in Würzburg ab 19 Uhr; PRISM-Party im Dornheim ab 0 UhrSamstag, 24. Juni: Demozug durch die Innenstadt mit Startpunkt am Hauptbahnhof um 12 Uhr, Straßenfest an den Mainwiesen ab 14 Uhr; CSD-Aftershowparty im Labyrinth ab 22 UhrSonntag, 25. Juni: Queerer Gottesdienst ab 11.30 Uhr auf der Wiese am Apothekerweiher unterhalb des Zeller Tors auf dem Gelände der ehemaligen Landesgartenschau von 1990Quelle: Queer Pride Würzburg e.V.

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