Seit dem Start der Corona-Impfungen werden mögliche Nebenwirkungen immer wieder kontrovers diskutiert. Im Internet kursieren zahlreiche Falschbehauptungen über angeblich hohe Zahlen von Geschädigten. Gleichzeitig müssen wirklich Betroffene teils gegen Vorbehalte kämpfen.
Fakt ist: Wie bei jeder Impfung kann es auch bei der Impfung gegen das Coronavirus zu Impfreaktionen und sehr selten zu schweren Nebenwirkungen kommen. Wie häufig aber sind diese Fälle? Worin unterscheiden sich Impfreaktionen, Komplikationen und Impfschäden? Und wie viele Impfschäden wurden in Bayern bisher anerkannt? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie viele Verdachtsfälle von Nebenwirkungen der Corona-Impfungen wurden bislang gemeldet?
Zuständig für die Überwachung von Impfstoffen ist in Deutschland das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). In seinem regelmäßig erscheinenden Sicherheitsbericht listet es die Meldungen über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen. Demnach wurden zwischen 27. Dezember 2020 und 30. Juni 2022 bundesweit mehr als 182 Millionen Corona-Impfungen verabreicht. Im selben Zeitraum wurden dem Institut 323.684 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen gemeldet.
Die Melderate von Verdachtsfällen beträgt damit laut PEI für alle Corona-Impfstoffe zusammen 1,8 Meldungen pro 1000 Impfdosen. Darin seien auch Fälle enthalten, "die bekannt, erwartbar, und vorübergehend sind, wie Lokalreaktionen, Unwohlsein, leichtes Fieber", erklärt eine Sprecherin des Instituts. Für Verdachtsfälle schwerwiegender Nebenwirkungen und Impfkomplikationen wurden demnach 0,3 Meldungen pro 1000 Impfdosen registriert.

Die meisten Verdachtsmeldungen auf eine schwerwiegende Reaktion finden sich der PEI-Sprecherin zufolge bei den Vektorimpfstoffen von Astrazeneca und Johnson & Johnson, die allerdings kaum noch genutzt würden, sowie bei dem Impfstoff von Novavax. Dieser sei jedoch bis zum Zeitpunkt des PEI-Berichts nur wenig verimpft worden, die Melderate sei daher mit Vorsicht zu interpretieren.
Auffallend ist: Die Melderate nach Booster-Impfungen war niedriger als nach der Grundimmunisierung. Blickt man beispielsweise auf den Impfstoff von Biontech, mit dem knapp drei Viertel aller Impfungen in Deutschland erfolgten, lag die Melderate von Verdachtsfällen laut Paul-Ehrlich-Institut nach der ersten Dosis bei 1,5 pro 1000 Impfungen, nach der zweiten Dosis bei 1,2 und nach den Auffrischungsimpfungen bei 0,5. Die Meldezahl schwerwiegender Nebenwirkungen hingegen blieb konstant bei 0,1 pro 1000 Impfungen.
Warum ist die Melderate nach Booster-Impfungen niedriger als nach der Grundimmunisierung?
Für die Corona-Impfstoffe sei zunächst eine vorläufige Zulassung erteilt worden, sagt der Würzburger Virologe Prof. Lars Dölken. Das heißt, man habe "zu Beginn noch recht wenig über die Häufigkeit seltener allgemeiner und spezieller Nebenwirkungen der einzelnen Impfstoffe" gewusst. Daher sei die Hemmschwelle gering gewesen, in den ersten Wochen nach einer Erstimpfung aufgetretene Symptome an das PEI als mögliche Nebenwirkungen zu melden, sagt Dölken.

Zudem hätte es natürlich zunächst Ängste und Skepsis vor den Impfstoffen in der Bevölkerung gegeben – "auch dies erhöhte die Melderaten". Der Rückgang der Meldezahlen möglicher leichter Impfnebenwirkungen erkläre sich daher vor allem durch die sinkende Angst bei den Geimpften.
Was sagen die Verdachtsfallmeldungen über die Sicherheit der Corona-Impfstoffe aus?
Das Melden von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen sei eine zentrale Säule für die Beurteilung der Sicherheit von Impfstoffen, schreibt das Pau-Ehrlich-Institut in seinem Bericht. So könnten Risikosignale frühzeitig erkannt werden.
Wichtig: Bei den Zahlen handelt es sich eben um Verdachtsmeldungen – also Symptome und Vorfälle, die in zeitlicher Nähe zu einer Covid-19-Impfung auftraten. Das sind laut PEI jedoch keine nachgewiesenen Nebenwirkungen. So müsse man beispielsweise beachten, "dass unerwünschte Reaktionen oftmals im zeitlichen, nicht aber unbedingt im ursächlichen Zusammenhang mit einer Impfung gemeldet werden".
Wie unterscheiden sich Impfreaktionen, Komplikationen und Impfschäden?
Das Robert Koch-Institut (RKI) nennt als Impfreaktionen typische Beschwerden nach einer Impfung wie Rötungen, Schwellungen und Schmerzen an der Einstichstelle, aber auch Allgemeinreaktionen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen. Diese Reaktionen dauerten "in der Regel" wenige Tage an.

Impfkomplikationen hingegen sind laut RKI schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen und "sehr selten". Der Verdacht auf eine solche "über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung" ist meldepflichtig.
Als Impfschaden wird laut RKI die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer "über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung" bezeichnet.
Welche Reaktionen wurden nach den Corona-Impfungen gemeldet?
Was die Impfreaktionen betrifft, zeige sich bei den Corona-Impfstoffen ein "ähnliches Bild wie bei anderen Impfungen", sagt Virologe Lars Dölken. In den ersten zwei bis drei Tagen nach einer Impfung müsse man mit einem um die Einstichstelle schmerzenden Arm, Abgeschlagenheit und vielleicht leichtem Fieber rechnen. "Diese Symptome zeigen quasi an, dass unser Körper auf die Impfung immunologisch reagiert."
Im aktuellsten Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts wurden am häufigsten solche vorübergehende Impfreaktionen berichtet wie Kopfschmerzen (Melderate 0,37 pro 1000 Impfungen), Ermüdung (0,32), grippeähnliche Symptome (0,26), Schmerzen an der Injektionsstelle (0,25) oder Fieber (0,24).

Als schwerwiegende Nebenwirkungen seien bei den Corona-Impfstoffen vor allem Herzmuskelentzündung und Herzrhythmusstörungen zu nennen, sagt Dölken. Beides könne zu Atemnot führen und trete selten auf. "In aller Regel heilen diese Herzprobleme in einigen Wochen aber folgenlos wieder ab."
So wurden laut PEI-Bericht zum Beispiel bei dem bundesweit meistverimpften Vakzin von Biontech die meisten Meldungen für Atemnot (Melderate 6,83 pro 100.000 Impfungen), Herzrhythmusstörungen (4,85) und Herzmuskelentzündungen (1,58) registriert. Bei dem in Verruf geratenen Impfstoff von Astrazeneca wurden die höchsten Melderaten bei Atemnot (11,84 pro 100.000 Impfungen), Herzrhythmusstörungen (5,71), Lungenembolien (3,95), Thrombozytopenie (3,69), Atemstörungen (3,27) und Venenthrombosen (3,08) vermerkt.
Wie viele Impfschäden nach der Corona-Impfung wurden in Bayern bisher anerkannt?
In Bayern sind nach Angaben des zuständigen Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) in Bayreuth seit Beginn der Corona-Impfungen insgesamt 1285 Anträge auf Anerkennung eines Impfschadens gestellt worden. Davon seien 479 abschließend bearbeitet und bislang 49 dauerhafte Impfschäden anerkannt worden.

Wie muss ein Impfschaden nachgewiesen werden?
Damit ein dauerhafter Impfschaden anerkannt werden kann, müssen die Beschwerden mindestens sechs Monate andauern. In vielen Fällen sei zudem eine fachärztliche Begutachtung notwendig, teilt ein Sprecher des ZBFS mit. Lägen alle Informationen wie etwa medizinische Befunde und Daten zur Impfung vor, prüfe der ärztliche Dienst des ZBFS, ob zwischen der gesundheitlichen Schädigung und der Impfung ein Kausalzusammenhang bestehe. Dieser müsse "über ein rein zeitliches Zusammentreffen hinausgehen" und gegenüber anderen möglichen Ursachen "überwiegend wahrscheinlich" sein.
Welche Entschädigungen bekommen Betroffene?
Wird durch eine öffentlich empfohlene Impfung ein Impfschaden verursacht, richten sich die möglichen staatlichen Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz. Je nach Schweregrad der Schädigung steht Betroffenen unter anderem eine Grundrente von 164 bis 854 Euro pro Monat zu.
Daneben gibt es laut Zentrums Bayern Familie und Soziales Fälle, in denen der Impfschaden durch eine dritte Person verursacht wurde, die dann nach zivilrechtlichen Gesetzpunkten haftet – beispielsweise, wenn die ärztliche Behandlung oder Aufklärung fehlerhaft waren.
Geschädigte hätten dann teilweise Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld, sagt der Würzburger Rechtsanwalt Alexander Lang von der Kanzlei Steinbock. Dieser Anspruch richte sich aus Amtshaftung gegen das Bundesland, in dem die Impfung erfolgt sei. Als Fachanwalt für Medizinrecht hat Lang nach eigenen Angaben in den vergangenen drei Monaten mehr als 100 Fälle zum Thema Impfnebenwirkungen angenommen – in nahezu allen sei die Impfaufklärung "unzureichend" gewesen. Eine erste Klage sei fertiggestellt.