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Würzburg/Schweinfurt: Corona in Unterfranken: Ist die Kontaktnachverfolgung überhaupt noch möglich?

Würzburg/Schweinfurt

Corona in Unterfranken: Ist die Kontaktnachverfolgung überhaupt noch möglich?

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    Viele Menschen ohne Maske auf engstem Raum: Feiern in Clubs ist seit  1. Oktober wieder möglich.  
    Viele Menschen ohne Maske auf engstem Raum: Feiern in Clubs ist seit  1. Oktober wieder möglich.   Foto: Fabian Gebert

    Wo hat sich ein Mensch mit positivem Corona-Test angesteckt? Welche Personen hat er getroffen und möglicherweise infiziert? In den ersten drei Pandemiewellen haben Kontaktverfolger genau diese Fragen gestellt, Betroffene aufgeklärt und dann akribisch recherchiert, um wirklich alle denkbaren Kontaktpersonen zu identifizieren. Jetzt aber, in der vierten Welle mit Rekord-Inzidenzen, stoßen die unterfränkischen Kontaktverfolger immer öfter an ihre Grenzen. Der Anspruch, alle Kontaktpersonen zu finden, sei nicht mehr immer umsetzbar, heißt es bei den Gesundheitsämtern in Würzburg, Schweinfurt und Miltenberg. 

    Miltenberger Landrat: Kontaktnachverfolgung wie 2020 passt nicht zur Lebensrealität 2021

    Warum das "Contact Tracing" nicht mehr vollumfänglich funktionieren kann? "Das ist doch vollkommen klar. Die Kontaktnachverfolgung, so wie sie vor einem Jahr gelaufen ist, passt nicht mehr zu unserer Lebensrealität", sagt der Miltenberger Landrat Jens Marco Scherf (Grüne). "Die Art und Weise, wie wir aktuell leben, also in möglichst großer Normalität und mit Besuch von Veranstaltungen in engen Räumen, führt dazu, dass Ansteckungen in großer Zahl passieren."

    Die Staatsregierung hat Corona-Regeln für alle Veranstalter und Gastronomiebetriebe gelockert. 
    Die Staatsregierung hat Corona-Regeln für alle Veranstalter und Gastronomiebetriebe gelockert.  Foto: Thomas Obermeier

    Im vergangenen Jahr hätten Infizierte den Corona Tracern "vielleicht drei, vier, fünf Kontaktpersonen" angegeben, erklärt Scherf. "Aber jetzt sind es Dutzende. Manchmal Hunderte, etwa beim Besuch eines Restaurants oder Clubs." Die Ansteckungsmöglichkeiten hätten sich dermaßen vervielfacht, dass zumindest bei hohen Inzidenzen - "etwa ab 200" - das Aufspüren aller Kontaktpersonen utopisch sei. Bei einem Treffen bayerischer Landräte, sagt Scherf, hätten sich viele Teilnehmer zuletzt genau deswegen besorgt gezeigt.

    Wie ermittelt man Kontakte eines Partygängers, der auf sechs Partys hintereinander war?

    Auch in Würzburg ist das Gesundheitsamt an seine Grenzen gestoßen. Schon Ende Oktober wurden dort innerhalb einer Woche "fast hundert neue Positivfälle" registriert, sagt Dagmar Hofmann, Sprecherin des Landratsamts Würzburg. In einem Fall hatte der Betroffene in kürzester Zeit sechs Clubs hintereinander besucht. "Man kann sich vorstellen, wie lang dessen Kontaktliste war", sagt Hofmann. Und: "Es gibt auch immer mal wieder Probleme mit Leuten, die sich mit Phantasienamen, unvollständigen Namen oder falschen Telefonnummern eintragen."

    Contact Tracer im Gesundheitsamt Würzburg: Aktuell arbeiten hier 63 Personen daran, die Kontakte Infizierter zu finden. Die Zahl der Tracer soll laut Pressestelle möglichst noch erhöht werden. 
    Contact Tracer im Gesundheitsamt Würzburg: Aktuell arbeiten hier 63 Personen daran, die Kontakte Infizierter zu finden. Die Zahl der Tracer soll laut Pressestelle möglichst noch erhöht werden.  Foto: Thomas Obermeier

    Aufgrund der unübersichtlichen Vielzahl von Kontakten gerade bei jüngeren Infizierten werden in Würzburg nicht mehr alle angegebenen Kontaktpersonen aktiv kontaktiert, bestätigt Dr. Barbara Finkenberg, die stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamts für Stadt und Kreis Würzburg: "In Zukunft werden wir dies nur in Bezug auf vulnerable, also verletzbare Gruppen machen können."

    Bayerisches Gesundheitsministerium hält Strategiewechsel beim Contact Tracing für erforderlich

    Nachdem das Gesundheitsamt Würzburg schon vor einigen Tagen seine Arbeitsabläufe entsprecht verändert hat, zog am Donnerstag auch das Gesundheitsamt für Stadt und Kreis Schweinfurt nach. Die Behörde verweist auf ein Schreiben des bayerischen Gesundheitsministeriums vom 29. Oktober. Darin heißt es, es sei "ein Strategiewechsel mit konsequenter Depriorisierung des Kontaktpersonenmanagements erforderlich, da in der jetzigen Phase der Pandemie die bisherige aufwändige Ermittlung und Nachverfolgung der Kontaktpersonen nicht mehr zu bewältigen ist".

    Auch in der Region Schweinfurt werden also in Zukunft nicht mehr alle Kontaktpersonen eines Infizierten informiert werden –vor allem dann nicht, wenn die Ansteckung dort stattfand, wo vor allem junge, mutmaßlich gesunde Leute unterwegs sind: also etwa in Diskotheken oder bei Großveranstaltungen.

    Infizierte Bürger sollen Kontaktlisten zusammenstellen und vorab informieren

    Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet dies, dass sie nicht unbedingt damit rechnen können, zeitnah und persönlich vom Gesundheitsamt über eine mögliche Ansteckung informiert zu werden. Zwar kündigt etwa das Gesundheitsamt Schweinfurt an, enge Kontaktpersonen künftig per Mail erreichen zu wollen. Die Behörde setzt aber gleichzeitig auf die Mithilfe der Infizierten: Sie sollten, heißt es, selbst eine Liste mit möglichen Kontakten zusammenzustellen. Auch das Würzburger Gesundheitsamt bittet Betroffene darum, solche Kontaktlisten ans Amt zu schicken. Diese würden dann bearbeitet, das könne aber dauern.

    "Man muss ehrlich sagen, wenn man sich mit vielen Personen an engen Orten trifft, geht man eine gewisse Gefahr ein", warnt Ärztin Dr. Barbara Finkenberg vom Würzburger Gesundheitsamt. Sie rät deshalb nochmals ausdrücklich zur Corona-Impfung.

    In Kitzingen und Main-Spessart noch uneingeschränkte Kontaktverfolgung

    Nicht alle unterfränkischen Gesundheitsämter haben aktuell das Ziel aufgegeben, wirklich alle potentiellen Kontaktpersonen zu erreichen. Auf Nachfrage teilten die Gesundheitsämter Main-Spessart und Kitzingen mit, dass die Kontaktnachverfolgung noch "uneingeschränkt“ laufe.

    Einzelne Landratsämter bitten schon wieder um Unterstützung durch die Bundeswehr

    Laut der Regierung von Unterfranken sind aktuell rund 255 Vollzeitstellen im Bereich des Contact Tracing besetzt. Zum Vergleich: Ende November 2020 arbeiteten rund 410 Personen bei den unterfränkischen Gesundheitsämtern in der Kontaktnachverfolgung. Damals wurden auch Bundeswehrsoldaten eingesetzt. Und nach denen wird gerade wieder gerufen. Wie Regierungssprecher Nicolas Rupp bestätigt, haben bereits einzelne Landratsämter, Schweinfurt etwa, erneut Bundeswehrkräfte zur Unterstützung angefragt.

    Wo Kontakte noch erfasst werdenDie Kontaktnachverfolgung gestaltet sich aktuell auch deshalb schwierig, weil anders als in früheren Pandemie-Wellen nicht überall die Kontaktdaten erfasst werden. Laut der aktuellen bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung ist die Erhebung auf Schwerpunktbereiche mit hohem Risiko von Mehrfachansteckungen beschränkt. Dazu zählen  geschlossene Veranstaltungen ab 1000 Personen, Clubs, Diskos und Bordelle sowie gastronomische Angebote mit Tanzmusik. Außerdem müssen die Kontaktdaten nach wie vor bei körpernahen Dienstleistungen wie Friseuren oder Masseuren oder in Gemeinschaftsunterkünften erfasst werden. In allen anderen Bereichen, etwa in der Gastronomie ohne Tanzmusik, entfällt die Kontaktdatenerhebung. Quelle: Bayerisches Innenministerium

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