Die Gelassenheit, mit der Melissa Hager über die aktuelle Situation im Pflegeheim St. Josefs-Stift in Eisingen berichtet, ist beeindruckend. Immerhin hat die Heim-Sprecherin am Montag eine Hiobsbotschaft zu verkünden: 55 Menschen aus dem Umfeld der Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung wurden laut Hager in der vergangenen Woche positiv auf Corona getestet.

"Uns geht es den Umständen entsprechend gut", fasst Hager die Situation ihrer Einrichtung zusammen. Trotzdem führten die Umstände – 30 infizierte Bewohner, 23 infizierte Mitarbeiter und zwei infizierte externe Personen – ihre Einrichtung an die Belastungsgrenze: "Aktuell schaffen wir es noch, den Betrieb aufrechtzuerhalten", so Hager weiter. "Das ist aber nur wegen dem unglaublichen Einsatz unserer Mitarbeiter möglich." Zudem gebe es bislang immerhin keine schweren Krankheitsverläufe.
700 Tests sind im St. Josef-Stift durchgeführt worden
Unterstützt werde die Einrichtung aktuell von einer Sanitäterin des Katastrophenschutzes, man gehe zudem davon aus, bald Hilfe von weiteren Einrichtungen der Region zu erhalten. Zudem kläre man derzeit mit dem Gesundheitsamt, inwiefern positiv getestete, symptomfreie Mitarbeiter im Notfall eingesetzt werden könnten, so Melissa Hager.
213 erwachsene Bewohner und 380 Mitarbeiter hat das St. Josefs-Stift. In der vergangenen Woche hatte es dort erstmals den Verdacht auf Corona-Infektionen gegeben. Am Freitag folgte dann eine großflächige Reihentestung: 700 Tests waren durchgeführt worden, übers Wochenende tröpfelten die erschreckenden Ergebnisse ein. Zurückzuführen sei der Ausbruch auf Bewohner, und nicht auf Mitarbeiter, sagt Hager: "Das hat uns das Gesundheitsamt bestätigt."
Hinweis: In einer früheren Version wurden die Werk- und Förderstätten als Ursprung des Ausbruchs angegeben. Das ist falsch. Laut Sprecherin Hager können die Corona-Maßnahmen dort zuverlässig eingehalten werden. Der Ursprung sei bekannt und liege an anderer Stelle.
Menschen mit geistiger Behinderung haben beim Impfen nur "hohe Priorität"
Tragisch ist für Hager der Ausbruch insofern, als dass man Infektionen in der Einrichtung bisher komplett habe vermeiden können. "Wir hatten gehofft, wir schaffen das noch bis zur Impfung." Das Thema Impfung sei aus ihrer Perspektive ein sehr ärgerliches Thema. So ließe sich zwar feststellen, dass die lokalen Behörden ihr Bestmöglichstes für eine rasche Impfung von Menschen mit geistiger Behinderung tun würden. "In der Praxis kommt bei uns aber leider nicht wirklich etwas an."

Die Priorisierung, in welcher Reihenfolge Bevölkerungsgruppen geimpft werden, ist in der Corona-Impfverordnung des Bundes geregelt. Höchste Priorität haben laut Verordnung etwa Senioren über 80 Jahre. Menschen mit einer geistigen Behinderung sowie Mitarbeiter in entsprechenden Einrichtungen werden laut Verordnung mit hoher Priorität, also nachfolgend geimpft.
Pflegeheim-Sprecherin wünscht sich höhere Impf-Priorisierung ihrer Klienten
Angesichts der besonderen gesundheitlichen und mentalen Schutzbedürftigkeit geistig behinderter Menschen wünscht sich Heim-Sprecherin Melissa Hager eine höhere Priorisierung dieser Bevölkerungsgruppe. Für viele ihrer Klienten stelle das Virus ein hohes gesundheitliches Risiko dar, und auch psychisch seien Krisen wie aktuell in Eisingen oft nur schwer zu verarbeiten. So seien zwar viele ihrer Klienten in der Lage, aktuelle Entwicklungen und Zusammenhänge zu verstehen, aber nicht alle: "Der Ausbruch und die ungewohnte Schutzkleidung können durchaus verstörend wirken."
Laut Gesundheitsamt sollen die Außenwohngruppen des Pflegeheims bereits ab dieser Woche geimpft werden. Das Haupthaus in Eisingen selbst werde aufgrund des nicht einzugrenzenden Ausbruchgeschehens jedoch vorerst zurückgestellt.
