Es ist die letzte Sitzung des Kreistags in diesem Jahr. Eigentlich sitzen die Damen und Herren Kreisräte anschließend bei einem Essen entspannt zusammen. Doch die Stimmung ist dieses Mal angespannt. Grüppchen bilden sich, es wird getuschelt, die Atmosphäre ist kühl. Landrat Thomas Eberth (CSU) wird später im Gespräch mit dieser Redaktion sagen: "Diese Sitzung hat heute auch der künftigen Zusammenarbeit des Gremiums geschadet." Was ist vorgefallen?

Ein Jahr und drei Monate bevor der Vorstandsvertrag mit der Chefin des landkreiseigenen Kommunalunternehmens (KU) ausläuft, wollten Grüne, SPD, UWG/Freie Wähler und ÖDP mit einem interfraktionellen Antrag Eva von Vietinghoff-Scheel vorzeitig um weitere fünf Jahre als KU-Vorständin bestellen. Sie sollte die Zusicherung bekommen, bis 31. März 2030 das KU weiterhin zu führen. Diese zeitige Wiederbestellung ist nicht ungewöhnlich. Auch der Vertrag ihres Vorgängers wurde vom Kreistag rechtzeitig vor Ablauf verlängert.
Bereits 2019 wurde der Übergang von Schraml auf Vietinghoff-Scheel vereinbart
Seit 1. April dieses Jahres leitet Eva von Vietinghoff-Scheel das Kommunalunternehmen mit seinen rund 1400 Beschäftigten in alleiniger Verantwortung. Die 43 Jahre alte Juristin trägt viel Verantwortung, beispielsweise für wie die Ochsenfurter Main-Klinik, alle Senioreneinrichtungen des Landkreises, den öffentlichen Nahverkehr oder die Abfallentsorgung.
Ein gleitender Übergang von Alexander Schraml auf Vietinghoff-Scheel war bereits im Jahr 2019, noch in der Amtszeit von Landrat Eberhard Nuß, vereinbart worden. Bis 31. März dieses Jahres führten beide noch gemeinsam das Unternehmen, Vietinghoff-Scheel aber als Vorständin im Beamtenstatus, besoldet nach A16. Erst nach dem Ausscheiden Schramls sollte sie wirtschaftlich gleich gestellt werden - mit einem Gehalt, das in der Besoldungstabelle nicht mehr abgebildet ist.
Aber bis heute hat Vietinghoff-Scheel keinen Vertrag. Seit etwa einem Jahr ziehen sich die Verhandlungen hin. Der Kreistag sollte ihr nun ein Signal der Sicherheit geben, und den Beschäftigten Stabilität und Planungssicherheit vermitteln. So begründete Karen Heußner (Bündnis90/Die Grünen einen interfraktionellen Antrag, der mit 38 möglichen Stimmen von Grünen, SPD, UWG/FW und ÖDP auch mehrheitsfähig gewesen wäre.
Landrat Eberth hält sich nicht an die Landkreis-Ordnung und schließt die Öffentlichkeit aus
Aber es kam anders. Wolfgang Kuhl (FDP) beantragte kurzum, die Öffentlichkeit auszuschließen. Eberth entschied schnell, ließ den Antrag zu und schickte Zuhörerinnen und Zuhörer vor die Tür. Zwischenrufe aus den Fraktionen, die ihn auf Rechtsverstöße hinwiesen, ließ er nicht gelten. Dabei regeln sowohl Paragraf 12 der Kreistags-Geschäftsordnung wie auch Art. 46 der Landkreisordnung, dass über einen Ausschluss der Öffentlichkeit der Kreistag in einer nichtöffentlichen Sitzung entscheidet - und nicht der Sitzungsleiter alleine.
"Nichtöffentlich war da nichts", ärgert sich Felix von Zobel (FW/UWG) über das Vorgehen. "Weder das Gehalt, nicht einmal das Geburtsdatum von Vietinghoff-Scheel wurden genannt", sagt er. Im Grunde – und das bestätigen auch Kreistagsmitglieder anderer Fraktionen – ging es nichtöffentlich um drei Dinge: Vietinghoffs Vorstandsvertrag, Veränderungen in der Satzung des Kommunalunternehmens und unterschiedliche Erwartungshaltungen. Landrat Eberth bestätigt das.

Unbestritten, so ist zu hören, sei die finanzielle Gleichstellung mit Alexander Schraml, die 2019 vertraglich festgehalten worden ist. Problematisch sehen aber manche, vor allem in der CSU-Fraktion, Vietinghoffs Ansprüche auf eine Altersabsicherung, die der Landkreis übernehmen müsste, berichten Sitzungsteilnehmer.
Grüne werfen der CSU "taktische Spielchen" vor
Auch Zulagen, die Vietinghoff-Scheel als Geschäftsführerin der Immobilien KU GmbH und ProCura Dienstleistungs GmbH erhält, werden kritisch hinterfragt. Rund 30.000 Euro im Jahr sind dies nach Informationen dieser Redaktion, die der 43-Jährigen zusätzlich zum Vorstands-Gehalt gezahlt werden. "Dafür arbeite ich mehr und wir sparen uns einen zusätzlichen Mitarbeiter", rechtfertigt sich Vietinghoff-Scheel.
Aber geht es wirklich darum? Ein "Herrschertyp" sei der Landrat, sagt ein Kreisrat. Andere behaupten, er habe was gegen starke Frauen. Dass die CSU zu wenig Kontrolle im KU habe "stinkt ihr gewaltig", meint ein weiterer Kreisrat. Sebastian Hansen (Bündnis90/Die Grünen) wirft der CSU öffentlich „taktische Spielchen“ vor, um Vietinghoff-Scheel los zu werden. Ein Vorwurf, den Fraktionschef Jungbauer sofort als „unfair“ zurückweist, weil aus seiner Sicht noch "offene rechtliche Fragen geklärt werden müssen".
Landrat Eberth spricht von intransparenten Vorgängen im Kommunalunternehmen
Volkmar Halbleib widerspricht: "Alle Fragestellungen, die der Verwaltungsrat aufgeworfen hat, sind mittlerweile geklärt“, sagt der SPD-Kreisrat, der zusammen mit Manfred Ländner (CSU) im Auftrag der Fraktionen zuletzt einen "beratungsfähigen Vorschlag" für einen Vorstandsvertrag entwickelt hat. Der Jurist Halbleib ist zuversichtlich, dass es eine Einigung geben wird, weiter äußern will er sich aber nicht, um nicht noch "mehr Öl ins Feuer zu gießen".
Tatsächlich hätte Vietinghoff-Scheel diesen Vertrag auch unterschrieben. "Ich habe Entgegenkommen gezeigt", sagt sie. Nach Informationen dieser Redaktion endete die Abstimmung über Vietinghoffs neuen Vertrag in der nichtöffentlichen Verwaltungsratssitzung aber mit einem Patt. In solchen Fällen entscheidet dann laut Satzung die Stimme des Verwaltungsratsvorsitzenden. Das ist Landrat Eberth – und der stimmte schließlich gegen den Vertrag, auf den sich Vietinghoff einlassen wollte.
Ist das also wirklich eine Frage der Macht, Herr Landrat? "Das Bedauerliche ist, es geht nicht um die Vorständin, sondern um interne Vorgänge im Kommunalunternehmen – und die waren intransparent hoch drei", sagt Eberth. Was meint er damit? Dass beispielsweise Alexander Schraml, kurz nach seinem Ausscheiden als Vorstand am 10. April Vollprokura erhalten habe, sei nicht mit der Politik abgesprochen gewesen.
Allerdings muss Vietinghoff-Scheel die Politik dazu gar nicht fragen. "Prokura bedeutet nur, dass Schraml eine Handlungsvollmacht hat. Mehr Geld bekommt er dafür nicht", sagt Vietinghoff-Scheel. Sie begründet die Entscheidung mit der Sicherung des Unternehmens, sollte ihr etwas zustoßen. Trotzdem räumt sie ein, dass es falsch war, sich nicht abzusprechen. "Dafür habe ich mich schon oft entschuldigt", erklärt sie.
Hinter verschlossenen Türen findet der Kreist zu einem Kompromiss
"Um eine politische Position geht es beim Vorstand des KU nicht", betont Eberth. Er möchte vielmehr eine Debatte über die Zukunft des Kommunalunternehmens führen, dessen Defizit von 12,4 Millionen im nächsten Jahr durch den Landkreis ausgeglichen werden muss. Auch die KU-Satzung will Eberth anpassen.

Nach gut einer Stunde öffnen sich die Türen des Sitzungssaals wieder. Ein Kompromiss wird verkündet. Der Kreistag strebt eine weitere Zusammenarbeit mit Vietinghoff-Scheel an, über eine erneute Bestellung als Vorständin für die Jahre 2025 bis 2030 soll aber erst im nächsten Jahr entschieden werden.
KU-Vorständin Vietinghoff-Scheel spricht von einer Niederlage
Während der nichtöffentlichen Diskussion haben nach Informationen dieser Redaktion Kreisrätinnen und Kreisräte aus den Reihen der FW/UWG-Fraktion und der ÖDP ihre Meinung geändert, sodass Karen Heußner die Mehrheit für den interfraktionellen Antrag gefährdet sah.

Den Kompromiss verkauft die CSU schließlich als Erfolg. "Wir konnten als Minderheit bei der Mehrheit Zweifel säen", sagt Björn Jungbauer. Dass die CSU ihre Absicht erklärt hat, an Vietinghoff-Scheel als Vorständin festzuhalten, bewerten wiederum Grüne, SPD, UWG/FW und ÖDP als positiv.
Nur die Frau, um die es eigentlich geht, spricht von einer "Niederlage". Getröstet wird sie nach der Sitzung von all ihren Führungskräften aus den KU-Betrieben, die aus Solidarität zu ihrer Vorständin in die letzte Kreistagssitzung des Jahres gekommen sind.