Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Stadt Würzburg
Icon Pfeil nach unten

Würzburg: Darf man mit der Pflege keinen Profit machen? Warum sich Verbandschef Alexander Schraml über private Betreiber ärgert

Würzburg

Darf man mit der Pflege keinen Profit machen? Warum sich Verbandschef Alexander Schraml über private Betreiber ärgert

    • |
    • |
    War 25 Jahre Vorstand im Kommunalunternehmen des Landkreises Würzburg und dort auch für Pflegeheime verantwortlich: Prof. Alexander Schraml, Vorsitzender des Bundesverbandes der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen.
    War 25 Jahre Vorstand im Kommunalunternehmen des Landkreises Würzburg und dort auch für Pflegeheime verantwortlich: Prof. Alexander Schraml, Vorsitzender des Bundesverbandes der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen. Foto: Daniel Peter

    Die Finanzierung der Pflege wird angesichts eines steigenden Bedarfs immer schwieriger, hinzu kommt das Personalproblem. Laut Bank für Sozialwirtschaft ist jedes fünfte Pflegeheim in Deutschland von der Pleite bedroht. In privater Hand sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Zahlen für 2021) rund 43 Prozent der Pflegeheime in Deutschland. Doch gerade private Träger hätten in der Vergangenheit zu viel Geld aus dem System gezogen, kritisiert Alexander Schraml.

    Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen war lange Jahre Vorstand des Kommunalunternehmens des Landkreises Würzburg. Im Interview spricht Schraml darüber, ob und wie viel Geschäft man mit der Pflege machen darf.

    Frage: Viele Pflegeheime bangen um ihre Existenz. Was läuft da schief?

    Alexander Schraml: Generell ist die Finanzierung von Pflegeheimen grenzwertig. Wenn dann noch Einschläge kommen, wird es eng. Beispiel Belegung: Mit Blick auf die Erstattungen von den Kassen bräuchten wir eine Auslastung in den Heimen von mehr als 95 Prozent. Die schafft man heute schon wegen des Personalmangels kaum mehr. Wir gehen davon aus, dass deshalb etwa zehn Prozent der Betten nicht belegt sind. Das ist eine Gefahr für die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen.

    Aber jeder Betrieb muss doch in besseren Zeiten für schlechtere vorsorgen, oder?

    Schraml: Das ist richtig. Und ja, es besteht der Verdacht, dass manche privaten Träger in den vergangenen Jahren und gerade in der Corona-Zeit zwar Zuschüsse und Förderungen eingestrichen, aber nicht ins Heim oder in Rücklagen gesteckt haben. Und jetzt machen sie unrentable Häuser dicht. So geht das nicht. Es kann nicht sein, dass Geld aus dem System abgegriffen wird. Ich vergleiche es mit der Müllabfuhr: Da müssen wir die Gebühren so kalkulieren, dass ein möglicher Überschuss immer wieder dem Gebührenzahler zugute kommt. Das muss ein in sich geschlossenes System bleiben.

    Wie passt das zusammen? Einerseits, sagen Sie, sind Pflegeheime wenig lukrativ, gleichzeitig werden Gewinne abgeführt?

    Schraml: Bis letzten Herbst gab es für die Gehälter keine Tarifbindung. Dann kam die Tariftreueregelung und viele private Anbieter mussten ihre Gehälter anheben. Man konnte also nicht mehr Gewinn auf Kosten des Personals machen. Uns als kommunale Träger hat diese angelaufene Konkurswelle nicht gewundert.

    Als Geschäftsmodell funktioniert also die private Pflege nicht mehr so gut wie früher?

    Schraml: Man muss unterscheiden. Es gibt private Familienunternehmen, die mit einem hohen Ethos unterwegs sind und schon immer sozialverträgliche Gehälter bezahlt haben. Aber daneben gibt es als Heimträger größere Ketten, denen es vorrangig um die Rendite geht.

    Sorgte Anfang des Jahres für große Verärgerung und Probleme: Für das Seniorenheim Fuchsenmühle in Ochsenfurt (Lkr. Würzburg) hat der private Betreiberkonzern Curata Insolvenz angemeldet.
    Sorgte Anfang des Jahres für große Verärgerung und Probleme: Für das Seniorenheim Fuchsenmühle in Ochsenfurt (Lkr. Würzburg) hat der private Betreiberkonzern Curata Insolvenz angemeldet. Foto: Gerhard Meißner

    Und Sie fordern mit Ihrem Verband nun ernsthaft einen Stopp neuer Einrichtungen dieser Betreiber?

    Schraml: Das Pflegesystem wird über Pflichtbeiträge finanziert. Es kann nicht sein, dass daraus Geld an Investoren oder Aktionäre ausgeschüttet wird.

    Aber wer investiert dann noch in die private Pflege, wenn ich keinen Gewinn damit machen darf?

    Schraml: Gewinn sollte man ruhig machen dürfen. Aber er muss im System bleiben. Man kann auch ein ordentliches Geschäftsführergehalt bezahlen, dagegen spricht nichts. Es gibt im übrigen auch private gemeinnützige Betreiber. Natürlich müssen sich auch die Kommunen und Landkreise stärker engagieren, sie haben einen Versorgungsauftrag für die Pflege. So wie sie auch Kindergärten betreiben.

    Auch gemeinnützige Träger können in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, oder?

    Schraml: Natürlich, das beobachten wir auch im ambulanten Bereich. Deshalb ist es wichtig, dass sich Kommunen oder Landkreise dafür mit der richtigen Unternehmensform einbringen. Man sollte ein Pflegeheim nicht wie eine Kfz-Zulassungsstelle verwalten. Auch die großen gemeinnützigen Träger müssen sich wieder mehr engagieren.

    Wenn man nun privaten Betreibern keine neuen Heime mehr genehmigt – wird dann der Pflegekollaps nicht beschleunigt?

    Schraml: Oder man fördert stattdessen die seriösen, nachhaltig arbeitenden Einrichtungen. Es ist eine Katastrophe, wie viele private Heime jetzt schließen. Da fehlt es an Verlässlichkeit. Solange Geld abgegriffen werden konnte, wurden private Pflegeheime gebaut und betrieben – und danach nicht mehr und man hat Geld aus dem System rausgenommen. Es muss aber in jedem Fall einen Bestandschutz für bereits zugelassene Heime geben.

    Wäre die Pflege ohne die privaten Anbieter nicht schon längst zusammengebrochen?

    Schraml: In der Tat ist das System ohne private Akteure heute nicht denkbar, deshalb sollen die bestehenden auch bleiben. Aber man muss sehen: Private Heime wurden über viele Jahre gefördert. Mittlerweile gibt sogar der Bundesgesundheitsminister zu bedenken, ob die Privatisierung von Pflegeheimen eine so gute Idee oder doch eher ein Fehler war.

    In der letzten Bundesratssitzung hat Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) einen Vorstoß gegen die Leiharbeit unternommen. Auch Sie gelten als scharfer Kritiker. Was stört Sie daran?

    Schraml: Leiharbeit ist für die Träger von Pflegeheimen sehr teuer. Als Verband sehen wir vor allem aber den qualitativen Aspekt. Es gibt einen eindeutigen Zusammenhang zwischen einer hohen Zahl an Leiharbeitskräften und schlechterer Qualität in der Altenpflege. Wer nach drei Wochen wieder weg ist, übernimmt oft weniger Verantwortung und liefert eine schlechtere Dokumentation als das Stammpersonal. Schulungen sind schwierig. Außerdem entsteht eine Zweiklassengesellschaft, weil sich die Leiharbeiter ihre Schichten und Dienste häufig raussuchen können. Die Pflege ist aber nun mal ein 24-Stunden-Job.

    Sie und Ihr Verband wollen die Leiharbeit in der Pflege verbieten?

    Schraml: Wer einen gesetzlichen Versorgungsvertrag will, sollte sich als Heimbetreiber verpflichten, keine Leiharbeiter einzusetzen. Ausnahmen für Notfälle könnte man ja machen. Auch eine prozentuale Beschränkung von Arbeitsstunden durch Leiharbeiter wäre denkbar. Und, da sind wir uns mit Holetschek einig: Der Aufbau von Springerpools könnte vieles an Leiharbeit überflüssig machen.

    Glauben Sie wirklich, dass bei einem Verbot die Leiharbeitskräfte in der Pflege automatisch in reguläre Beschäftigungsverhältnisse zurückkehren?

    Schraml: Das ist ein großer Kritikpunkt. Klar, möglicherweise verlieren wir den einen oder die andere, die nicht zurückkehren und die Branche wechseln. Aber für noch größer halte ich die Gefahr, dass wir Menschen aus der Stammbelegschaft verlieren, weil sie das ungerechte System der Leiharbeit nicht mehr ertragen. Es gibt ja erste Träger, die für ihre Heime keine teuren Leiharbeiter mehr einsetzen. Lieber steht dann ein Bett leer.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden