Wie sehr die Erlabrunner Schoppensänger mit ihren Liedern von der Faschingsbühne in die Alltagswelt gedrungen sind, zeigte sich im vergangenen Herbst: Als in Margetshöchheim Margareta Höpfinger zu Grabe getragen wurde, erklang als Begleitmusik aus den Boxen das Lied "Bäck-Drive". Viele Jahre hatte die "Greta", wie sie gerufen wurde, in Erlabrunn eine Bäckereifiliale geführt. Mit dem Song hatten ihr die Schoppensänger im Jahr 2000 auf den Prunksitzungen ein musikalisches Denkmal gesetzt. Zur Beisetzung hatte sich die Familie das Lied gewünscht. "Das hat uns sehr berührt", sagt Schoppensänger-Gründungsmitglied René Martin.
1989 war die A-Cappella-Gruppe auf Initiative des Männergesangvereins gegründet worden und eroberte in der Fasenacht im Sturm die Herzen: In keiner Session der Erlabrunner Narrekröpf fehlte die Gruppe seitdem. Doch jetzt ist Schluss: Nach 36 Jahren verabschiedeten sich die Schoppensänger bei den jüngsten Prunksitzungen in Erlabrunn von der Faschingsbühne. "Irgendwann muss es ja mal vorbei sein", sagt Armin Steinmetz, ebenfalls Gründungsmitglied und über all die Jahre der charmante Conférencier der Gruppe. Seine oft ebenso ausschweifenden wie witzigen Liedankündigungen gerieten stets zu eigenen kleinen Nummern.

Es war die Kunst der Schoppensänger, Menschen und Alltagssituationen im Dorf genau zu beobachten und diese dann zu bekannten Melodien pointensicher in wunderbaren Liedtexten zu verewigen. Der Dorfwirt, die Friseurin, der örtliche Bierlieferdienst, sie alle wurden ebenso besungen wie der Zeller Bock, das Nachbardorf Marokko oder die Deutsche Bahn.
Klassiker sind so entstanden, die bei Festen oder Feiern zu später Stunde wie selbstverständlich gesungen werden. "Hier wo der Mee" und "In Erlabrunn geht die Sonne nicht unter" sind solche Ohrwürmer – oder "Brudschie", die Hymne im Erlabrunner Dialekt an "etwas transusige Damen", wie Steinmetz mit einem Schmunzeln sagt.

Wechselten in der Anfangszeit mehrfach die Mitglieder der Schoppensänger, so fand sich 1999 jene Besetzung, die über ein Vierteljahrhundert bei den Prunksitzungen auftrat: Neben dem Raumausstattermeister René Martin (57) und dem Diplom-Kaufmann Armin Steinmetz (63) sind dies: Matthias Eckert (Polizist/48), Wolfgang Karches (Schreinermeister/62), Klaus Eckert (Schlossermeister/61), Hillar Schuh (Geschäftsführer eines Dentalgroßhandels/62), Lothar Hohmann (Maschinenbauingenieur/60) und Jürgen Faust (Landschaftsarchitekt/65).
Die musikalische Leitung hatte Lothar Hohmann, Matthias Eckert kümmerte sich darum, dass die jeweiligen Notentexte für jede Stimme zu Papier gebracht wurden. Die Texte ihrer Lieder ersannen sie gemeinsam in bisweilen weinseligen Probenabenden, meist sonntags.
Ein wenig Wehmut kommt auf, wenn die Acht an ihre Erlebnisse und Auftritte denken. Höhepunkte waren zwei abendfüllende Konzerte in der Erlabrunner Turnhalle in den Jahren 2013 und 2018, aber auch Ausflüge nach Dresden und Gastauftritte in Leinach, Margetshöchheim oder Reichenberg. "Schön war auch die gemeinsame Aufnahme des ‚Franken-Rap‘ mit Ines Procter", sagt 1. Tenor Armin Steinmetz, der auch Vorsitzender des Männergesangvereins ist, dem alle Schoppensänger angehören. Die fränkische Putzfraa aus "Fastnacht in Franken", selbst im Erlabrunner Fasching groß geworden, ist traurig: "Mein Herz blutet", sagt Procter, "aber eure Lieder bleiben unvergessen".
Den Gedanken aufzuhören, hatte die Gruppe schon länger: "Es ist uns zunehmend schwerer gefallen, zündende Ideen für unsere Texte zu finden", sagt Jürgen Faust, und Hillar Schuh ergänzt: "Wir haben alle Erlabrunner Originale abgearbeitet."

Die Erlabrunner Narrekröpf bereiteten ihren Dauerbrennern nach dem letzten Lied auf der Prunksitzung einen rührenden Abschied, in dem sie auf einer Großbildleinwand Bilder aus 36 Jahren zeigten – begleitet vom langanhaltenden Applaus des Publikums. "Das war überwältigend, sehr emotional", sagt Wolfgang Karches.
Dem Straßenfasching bleiben die Schoppensänger treu
Was die Zukunft bringt? "Ich hätte mir gewünscht, dass wir junge Sänger gefunden hätten, die das Erbe übernehmen", sagt Matthias Eckert und die anderen pflichten ihm bei. Doch entsprechende Initiativen blieben ohne Erfolg. "Früher wurde oft am Lagerfeuer gesungen", sagt Armin Steinmetz, "heute läuft bei Feiern in der Flur nur Partymusik aus Boxen".
Matthias Eckert, der Jüngste, ist überzeugt davon, dass er in anderer Form auf die Bühne zurückkehren wird – und zumindest dem traditionellen Straßenfasching in Erlabrunn bleiben die Schoppensänger erhalten. Längst ist eine Freundschaft über den Gesang hinaus entstanden. Am Rosenmontag, nach dem Gedenkgottesdienst, springen die Acht gemeinsam ins Narreklääd und ziehen von Haus zu Haus. Dort schmettern sie dann sicher eines ihrer bekanntesten Lieder über die "Einzigartigkeit der närrischen Tage in unserem Dörfle", so Steinmetz: "Erlabrunner Fasenacht".