Wenn die Kneipp-Werke in absehbarer Zeit den Sitz ihrer Verwaltung aus dem Waldhaus im Steinbachtal abziehen (siehe nebenstehenden Artikel), geht ein langes Kapitel in der ereignisreichen Geschichte des Gebäudes zu Ende. Denn seit 1958 hatten die Kneipp-Werke das idyllisch gelegene Anwesen im Steinbachtal vom Verschönerungsverein Würzburg (VVW) gemietet. Doch die Geschichte des Hauses reicht noch viel weiter in die Vergangenheit zurück.
Errichtet wurde es ursprünglich im Jahr 1865 als Pulvermagazin von der damaligen Militärverwaltung. Dazu gehörte auch ein Wachhaus in der Nachbarschaft, das ebenfalls bis heute erhalten geblieben ist. Wie das ursprüngliche Pulvermagazin ausgesehen hat, ist nicht überliefert. Es gibt weder Zeichnungen noch Fotografien, ergaben Recherchen der Talgemeinde Steinbachtal, die 2001 eine Broschüre zum hundertjährigen Bestehen des Waldhauses veröffentlichte.
Etablissement zur Annehmlichkeit
Schon 1896 bemühte sich der Verschönerungsverein das Pulvermagazin im Steinbachtal zu erwerben, schließlich war es der VVW, der ab 1895 die dortigen Grünanlagen nach Plänen des Landschaftsarchitekten Carl Oschmann anlegen ließ. Man plane dort „ein feineres, wohleingerichtetes Wirtschaftsetablissement zur Annehmlichkeit und Bequemlichkeit der zahlreichen Besucher des Guttenberger Waldes“ einzurichten, hieß es damals in einem Schreiben an das zuständige Kriegsministerium. Es dauerte dann aber bis Dezember 1907, ehe das Ministerium dem Verkauf zustimmte. 1908 wurde das Gelände dem VVW angeboten – für 19 000 Mark. Der Kaufvertrag wurde im Februar abgeschlossen.
Damit war es dem VVW möglich, die Lücke zwischen den bisher geschaffenen Steinbachtalanlagen und dem Guttenberger Wald zu schließen. Mit dem Umbau des Militärgebäudes wurde der Architekt Rudolf Hofmann beauftragt. Dessen Pläne sahen vor, nur die Grundmauern des Hauses stehen zu lassen und einen zweigeschossigen Neubau für einen Wirtschaftsbetrieb zu errichten.
Mit der Elektrischen zum Biergarten
Aus der Würzburger Bevölkerung flossen reichlich Spenden, so dass bereits an Pfingsten einige Räume provisorisch für den Wirtschaftsbetrieb eröffnet werden konnten. Die offizielle Eröffnung des „Waldhauses“ fand am 10. Juli 1909 statt. Die ersten Pächter der Wirtschaft waren die Wirtseheleute Adolf und Therese Neuschwanger, die zuvor die renommierte Würzburger Harmoniegaststätte betrieben hatten. Unter ihrer Leitung entwickelte sich das Waldhaus schnell zum beliebten Ausflugsziel. Zum Erfolg trug auch die „Elektrische“, also die Straßenbahn, bei, die seit 1902 vom Sanderring zum Waldhaus fuhr.
1914 erwarb der Verschönerungsverein eine große Halle, die zuvor im Veitshöchheimer Hofgarten für die Bewirtung der Besucher benutzt und dort nicht mehr benötigt wurde. Die Halle wurde hinter dem Hauptgebäude aufgestellt und diente als Sommerschänke. Zum Waldhaus gehörten damals zwölf Fremdenzimmer, ein Badezimmer, drei Wirtschaftszimmer und ein Nebengebäude.
Als im gleichen Jahr der Erste Weltkrieg ausbrach, begannen für das Waldhaus erstmals ernste Zeiten. 1915 starb Adolf Neuschwanger und neuer „Waldhaus-Wirt“ wurde Hans Zöllner. In der Folge wechselten die Pächter mehrfach. Ab September 1932 war Karl Adam der Chef im „Waldhaus“. Er blieb aber nicht lange, denn schon bald wurde das Gebäude von den Nationalsozialisten für den Reichsarbeitsdienst beschlagnahmt. 1938 wurde das Haus an den Verschönerungsverein zurückgegeben und anschließend gründlich saniert und umgebaut. Es nannte sich nunmehr „Waldhotel“ mit 40 Betten in 24 Fremdenzimmern und einem Gasthof mit 300 Plätzen. Und schnell kamen auch die Gäste wieder.
Doch schon ein Jahr später begann der zweite Weltkrieg und über dem „Waldhotel“ zogen abermals dunkle Wolken auf. 1941 beschlagnahmte die Wassen-SS das Haus und funktionierte es zu einem Lazarett für Leichtverwundete und Genesende um. Um Neugierige fernzuhalten, wurde das Areal mit Stacheldraht umzäunt und von Wachen gesichert. Im April 1945 wechselte der Besitzer erneut, denn jetzt besetzte die US-Armee das Haus und nutzte es als Offizierskasino. 1956 räumten die Amerikaner das Gelände, und es gab mehrere Interessenten – von der Universität bis zur Caritas. Schließlich konnte das zwischenzeitlich erneut renovierte Gebäude ab 1958 langfristig an die Kneipp-Heilmittelzentrale vermietet werden.
Dieses vorerst letzte Kapitel in der Geschichte des Waldhauses geht nun auch zu Ende. Welches das nächste sein wird, kann heute noch niemand mit Bestimmtheit sagen.
Beliebter Treffpunkt: Die Kneipp-Wiese
Eng mit dem Waldhaus verbunden ist auch die benachbarte Kneipp-Anlage mit mehreren Becken zum Wassertreten. Sie wurde 1959 von Apotheker Luitpold Leusser, dem damaligen Leiter des Kneipp-Heilmittel-Werkes, zusammen mit dem VVW eingerichtet und fand schnell viele Freunde unter der Würzburger Bevölkerung. Neben einem Schaugarten mit Heilkräutern gab es hier auch eine große Wiese für Gymnastik, zum Ausruhen oder Spielen. Die Pflege der Anlage übernahmen die Kneipp-Werke, das Wasser für die Becken spendierte die Stadt Würzburg.
2006 kündigten die Kneipp-Werke den Vertrag zum Betrieb der Anlage. Der VVW dachte darüber nach, den Betrieb selbst zu übernehmen, doch die Mitglieder lehnten dies mit der Begründung ab, es entspreche nicht der Satzung eine „Wellness-Anlage“ zu betreiben. Auch beim städtischen Gartenamt winkte man ab, schließlich unterhält dieses schon an der Frankenwarte einen Kneipp-Garten. Damit war das vorläufige Ende der Kneipp-Anlage besiegelt. Heute ist die Anlage geschlossen und befindet sich in einem traurigen Zustand.