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Würzburg: Demos in Würzburg, Schweinfurt und der Region: Wie viel bringt es wirklich, gegen rechts auf die Straße zu gehen?

Würzburg

Demos in Würzburg, Schweinfurt und der Region: Wie viel bringt es wirklich, gegen rechts auf die Straße zu gehen?

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    In Würzburg lockten die Demonstrationen gegen Rechts mehrere tausend Menschen auf die Straße.
    In Würzburg lockten die Demonstrationen gegen Rechts mehrere tausend Menschen auf die Straße. Foto: Patty Varasano

    Sie wollen ein Zeichen gegen rechts setzen und zeigen, dass in Deutschland kein Platz für Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung ist. In den vergangenen Wochen gingen hunderttausende Menschen auf die Straße, nachdem das Recherchenetzwerk Correctiv über ein Treffen verschiedener Rechtsextremer Ende vergangenen Jahres in Potsdam berichtet hatte. Dort wurde die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland geplant.

    Auch in Würzburg kamen in den vergangenen Tagen tausende Menschen zusammen, um gegen rechts zu demonstrieren. Aber reichen Demonstrationen aus, um einen Rechtsruck der Gesellschaft zu verhindern?

    Diese Redaktion hat mit Bariş Yüksel, Sprecher vom Würzburger Bündnis Demokratie und Zivilcourage, über diese Frage gesprochen. Er setzt sich seit mehreren Jahren ehrenamtlich gegen Rassismus ein und forscht zu diesem Thema an der Tampere University in Finnland.

    Sie engagieren sich seit vielen Jahren in Würzburg für Antirassismus, Antidiskriminierung und gegen Antisemitismus. Was haben die Rechercheergebnisse von Correctiv bei Ihnen ausgelöst?

    Bariş Yüksel: Mich haben sie nicht überrascht und auch nicht schockiert. Betroffene von Rassismus warnen seit Jahren vor der Bedrohung durch rechts. Die NSU-Morde, die Anschläge in Halle und Hanau – das ist noch nicht lang her. Trotzdem wurde kontinuierlich weggeschaut. Auch bei der AfD, die nie ein Geheimnis daraus gemacht haben, dass ihr Ziel ein vermeintlich 'reines deutsches Volk' ist. Das ist nichts, was die Leute überraschen sollte und bedeutet, dass alle, die nicht in diese Ideologie passen, in großem Stil abgeschoben werden sollen. Auch das sollte nicht überraschen.

    Barış Yüksel arbeitet ehrenamtlich seit vielen Jahren beim Bündnis Demokratie und Zivilcourage und organisiert die Würzburger Woche gegen Rassismus.
    Barış Yüksel arbeitet ehrenamtlich seit vielen Jahren beim Bündnis Demokratie und Zivilcourage und organisiert die Würzburger Woche gegen Rassismus. Foto: Lisa-Marie Kaspar

    Dennoch scheint es ja bei vielen Menschen trotzdem etwas ausgelöst zu haben und sie sind auf die Straße gegangen. Was meinen Sie, warum?

    Yüksel: Es war schon ein Weckruf, weil es in so einer Deutlichkeit bekannt geworden ist. Auch im Zusammenhang mit bekannten Unternehmen, sodass dann Namen wie "Hans im Glück" oder "Backwerk" genannt geworden sind. Es ist auch nichts Neues, dass Unternehmen mit in diese rechten Netzwerke verstrickt sind. Aber das sind dann mal Namen, die jeder kennt und das hat dann doch bewegt.

    Nun gab es dieses starke Zeichen gegen rechts mit den Demos. Reicht das aus, um einen gesellschaftlichen Rechtsruck zu vermeiden?

    Yüksel: Absolut nicht. Es ist zwar schön, dass so viele Leute auf die Straße gegangen sind und so viel Potenzial gezeigt haben. Ich glaube aber, dass mit so einer Demo nichts gewonnen ist.

    Was können wir als Gesellschaft denn stattdessen tun, damit sich die Geschichte nicht wiederholt?

    Yüksel: Was wir brauchen, ist ein Bewusstsein dafür, dass es schon länger eine gesellschaftliche Schieflage gibt. Rassismus ist fest in der Gesellschaft verankert. Rechte und rassistische Positionen finden sich in der gesellschaftlichen Mitte und teilweise auch in progressiven Parteien wieder. In der Politik wird gerade nur darüber gesprochen, wie wir Migration eindämmen können. Das ist die Frage, die alle umtreibt und ich frage mich, ist das wirklich das große Problem? Darauf aufbauend müssen wir Strategien erarbeiten, wie wir uns von dem rechten Gedankengut lösen können.

    Was kann man denn als einzelne Person tun, abgesehen vom Demonstrieren?

    Yüksel: Ganz genau hinschauen und die politischen Vertreterinnen und Vertreter in die Verantwortung nehmen. Gerade werden viele beschönigende Begriffe, wie 'Rückführung' oder 'irreguläre Migration' benutzt, die eine sehr menschenfeindliche Politik beschönigen. Die logische Konsequenz ist, dass solche Positionen in der Gesellschaft ganz normal werden. Und natürlich gibt es in jeder Stadt – auch hier in Würzburg – bestehende Projekte, Gruppen und Initiativen, die sich gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus einsetzen. Die kann jede Person unterstützten, auch finanziell, und sich dort engagieren. Und das Wichtigste: viel mehr in Bildungsarbeit investieren und sich fortbilden.

    Viele fordern nun auch ein Verbot der AfD als Konsequenz aus den aufgedeckten Plänen. Glauben Sie, das ist eine Lösung?

    Yüksel: Es ist ein ganz kleiner Beitrag. Mit dem Verbot nimmt man der AfD die Grundlage der Finanzierung und setzt ein Zeichen. Aber es sind ganz viele andere größere Schritte, die genauso wichtig sind. Ich glaube, man müsste bei den progressiven Parteien anfangen und darauf drängen, dass man den Abschiebekurs aufgibt. Es gibt Studien, die zeigen, wenn man sich dem Kurs der AfD annähert, um Leute zurückzugewinnen, legitimiert man diese Positionen in der Gesellschaft. Man fördert also einen Rechtsruck.

    Wie passt das denn dann damit zusammen, dass gerade auch Vertreterinnen und Vertreter der Regierungsparteien auf den Demos Redebeiträge gegen rechts halten?

    Yüksel: Ich sehe das sehr kritisch. Wer sich auf eine Demo stellt und sagt: 'Wir wollen eine Brandmauer gegen rechts errichten', der muss auch seine eigene Politik hinterfragen. Wieso hat denn ein Rückführungsverbesserungsgesetz eine Mehrheit im Bundestag bekommen? Und zwar die von Grüne, SPD und FDP.

    Sie haben gesagt, dass rechtes Denken mittlerweile in der breiten gesellschaftlichen Mitte angekommen ist. Sind wir also schon mitten drin, die Geschichte zu wiederholen?

    Yüksel: Ich glaube, man muss ganz deutlich sagen: Die Geschichte wiederholt sich gerade jetzt. Wir sind mitten in dem Prozess. Deshalb ist Prävention auch nicht mehr das drängendste Thema. Es müssen jetzt Gegenmaßnahmen gefunden werden. Jetzt ist der Moment. Wenn es nicht jetzt passiert, dann ist es zu spät. Auch in meinem Umfeld spiegelt sich das deutlich wieder. Da ist die Angst seit vergangenem Jahr wirklich groß. Da schwingen Fragen mit wie: Wie lang sind wir noch sicher? Was passiert, wenn die AfD bei der Bundestagswahl die Mehrheit holt? Wer nimmt unsere Sorgen ernst?

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