Etwa 10000 Menschen bringen sich nach Angaben der Stiftung Deutsche Depressionshilfe jedes Jahr um, 9000 als Folge einer psychischen Erkrankung, mehr als 5000 wegen einer Depression. Sie täten das, sagt Andreas Menke, der Sprecher des Würzburger Bündnisses gegen Depression, obwohl eine Depression "gut behandelbar" sei. Er nennt die Depression eine Volkskrankheit, von der in Europa 30 Millionen Menschen betroffen seien. Keine andere Erkrankung koste Kranken so viele Jahre ihres sozialen und Berufslebens.
Das Bündnis hatte ins ZEP, das Zentrum für Psychische Gesundheit der Uni (früher: Nervenklinik) eingeladen, um die Würzburger zu sensibilisieren für die Erkrankten, die Krankheit und ihre Folgen. Die Leute müssten wissen, sagte Menke, ein Leitender Oberarzt am ZEP, "da sitzt nicht einer faul in der Ecke. Der ist ernsthaft krank."
Krankheit mit vielen Gesichtern
Depression ist eine Krankheit mit vielen Gesichtern. Ihre Hauptsymptome sind Interessen- und Freudlosigkeit, Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit. Dazu kommen unter anderem, je nach Form, Verlauf und Dauer der Erkrankung, ein Konzentrations- und Aufmerksamkeitsdefizit, ein Mangel an Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit, eine gefühlte Perspektivlosigkeit, Ess- und Schlafstörungen.
Der Stiftung Deutsche Depressionshilfe zufolge ist ein Mensch an einer Depression erkrankt, wenn er über zwei Wochen lang mindestens an zweien der drei Hauptsymptome und zusätzlich an mindestens zwei der Nebensymptome leidet. Etwa 150 Leute kamen ins ZEP, wo Einrichtungen sich vorstellten, die depressiven Menschen Hilfe anbieten, wie Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), Integrationsfachdienst, Diakonisches Werk oder Bayerisches Rotes Kreuz. Das seien "Brückenangebote" für die Zeit des Wartens auf einen Therapieplatz, erklärte die Familientherapeutin Ursula Berninger in einer Gesprächsrunde mit dem Publikum.
Situation in Würzburg "ganz schlimm"
Kranke berichteten von Problemen, Hilfe zu bekommen. Es gebe zu wenige Therapeuten, die Wartezeiten dauerten viel zu lange. Eine Teilnehmerin meinte, "ganz schlimm" sei "die Situation in Würzburg. Mit einer Depression kriegt man einen Therapeuten erst, wenn man gesprungen ist." Schwer fällt Kranken auch die Wahl der Therapieform und der Zugang zu den Brückenangeboten. Klaus Miller vom Sozialpsychiatrischen Dienst des Erthal-Sozialwerks sagte, "man muss schon sehr gesund sein, um durch diesen Dschungel zu gehen". Grund dafür sei, berichtete eine weitere Teilnehmerin, was das Wesen der Depression ausmacht: "die Handlungsunfähigkeit". Kranke, deren psychische Kraft kaum reicht, um aufzustehen, fehlt erst recht die Kraft, sich zu informieren, zu entscheiden und sich zu Terminen aufzuraffen.
Depression ist unsichtbar
Im Dokumentationsfilm "Die Mitte der Nacht ist der Anfang vom Tag", den das Bündnis zeigte, beschrieb eine Kranke ihre Krankheit als Agonie, sie sei "wie abgeschnitten" von ihren Sinnen und Gefühlen. Eine andere erzählte, sie fühle sich wie eingesperrt in einem nachtschwarzen Keller. Vielen Kranken scheinen die eigenen Krankheitssymptome selbst unerklärlich, umso mehr plagen sie sich mit ihrer Wirkung gegenüber Dritten. Eine Teilnehmerin der Veranstaltung berichtete vom Problem, dass die Krankheit dem kranken Menschen nicht anzusehen sei und deshalb vom Umfeld nicht ernstgenommen werden würde. Einem anderen kranken Teilnehmer zufolge ist es auch deswegen "sehr wichtig, dass man offen mit dieser Krankheit umgeht".
Drei Hauptformen der Depression gibt es: die unipolare, in der depressive Episoden mit Phasen völliger Gesundheit wechseln, die bipolare, in der auf eine depressive Episode eine manische folgt, und die Dysthymie, in der eine depressive Stimmung über mindestens zwei Jahre anhält. Der Psychiater Menke sagt, "prinzipiell" sei "eine Depression völlig in den Griff zu kriegen". Das schütze aber nicht davor, dass man sie wieder kriegt. "Wenn man mal eine Depression hatte, ist das Risiko größer, wieder depressiv zu werden."