"So ein Draag!", dachte ich mir zunächst als klar war, es kommt im Rahmen der Corona-Krise zu einer, nennen wie sie: "Zwangs-Entschleunigung". Das sogenannte Home-Office war mir durch die Arbeit im hausangrenzenden Büro der Firma meines Mannes nicht fremd, das Home-Schooling allerdings schon. Und ganz ehrlich, zwischendurch wusste ich nicht, wen das schlimmer trifft: Meine Kinder oder mich selbst?
Ich musste erst lernen, dass diese landesweiten Beschränkungen der persönlichen Freiheiten auch Möglichkeiten aufzeigen. Die Möglichkeit etwa, unseren Kindern auch mal in Ruhe alltagsnotwendige Arbeiten zu erlernen, wie beispielsweise Kochen und Backen. Auf einmal haben wir sogar Zeit. Zeit zum Zuhören, aber auch Zeit zum Nachdenken, und vielleicht auch die Zeit, um existenzielle Entscheidungen zu treffen.
Meine Wahrnehmung hat sich verändert
Ich denke, im Moment geht jeder seinen ganz privaten "Jakobsweg" – wenn auch nur in den eigenen vier Wänden. Beim Pilgern geht es ja eigentlich um nichts anderes als diese Selbstfindung. Man sucht eine glasklare Sicht auf sein Leben.
Meine Wahrnehmung hat sich verändert. Ich merke von Tag zu Tag mehr, wie viele liebenswerte Menschen sich im Laufe der fast 47 Jahre meines Lebens um mich gesellt haben. Ich erfahre momentan Begegnungen, die mir richtig ans Herz gehen. Manchmal treffe ich beim Spaziergang auf Menschen, die stehen bleiben, nur um mir zu sagen, wie wichtig ihnen mein Humor sei. Oder ich bekomme Nachrichten aus den unterschiedlichsten Schichten und Bundesländern, in denen mir berichtet wird, wie wertvoll meine Social-Media-Posts seien. Ich würde damit die Menschen ablenken von ihren teilweise misslichen Lagen und ihnen wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern, so dass sie zumindest kurzzeitig ihre Sorgen vergessen können.
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Kürzlich traf ich auf eine entfernte Bekannte, die mir auf offener Straße sagte, dass man mich mit meiner positiven und offenen Art unbedingt erfinden müsste, wenn es mich noch nicht gäbe. Die Menschen tragen offensichtlich ihr Herz plötzlich wieder auf der Zunge, dies ist eine wundervolle Entwicklung! Bewahrt Euch diese Herzlichkeit und Wertschätzung unter- und füreinander! Ich wünsche Euch allen von Herzen den "mit Abstand" schönsten Tag!
Ines Procter (46) wurde bekannt als "närrische Putzfraa" in der fränkischen Fastnacht. Sie lebt mit ihrer Familie in Leinach bei Würzburg. Dieser Beitrag gehört zur Main-Post-Serie "Der gute Morgen", in der in Zeiten der Corona-Krise Menschen aus Franken ihre positiven Gedanken aufschreiben und mit unseren Leserinnen und Lesern teilen.