Die meisten Regale sind gähnend leer, Kühlfächer verhängt. Zwischen leeren Obst- und Gemüsekörben ragen einsam die Halter für die kleinen Plastiktütchen heraus. Auf wenige Fächer konzentriert sich das stetig schrumpfende Restangebot: in Dosen, Tüten oder Kartons abgepackte Lebensmittel, Flaschen mit Wein, Likör und alkoholfreien Getränken. „20 Prozent auf alles“ verheißen Plakate seit Wochen. Endzeitstimmung im Kupsch-Markt an der Brunnenstraße. Der Räumungsverkauf läuft bei minimaler Personalbesetzung mit verringerten Öffnungszeiten bis Silvester. Dann endet für das Geschäft nicht nur ein Jahr. Am 31. Dezember 2015 um 13 Uhr ist absoluter Ultimo, „der Kupsch“ in Ochsenfurt nach 89 Jahren nur noch Geschichte.
Der traditionsreiche Lebensmittelladen wurde in seiner Art von der Zeit, vor allem vom geänderten Kundenverhalten eingeholt. Dem Trend zu großen Märkten außerhalb der engen Innenstädte, mit vielfältigen Angeboten und massenhaft Parkplätzen konnte er trotz aller Sympathiebekundungen aus der Bevölkerung und treuer Stammkunden nicht standhalten. Die großen Discounter hatten Ochsenfurt als Absatzmarkt erkannt.
Auch der Edeka-Konzern, zu dem Kupsch gehört, hat sich auf die Entwicklung eingestellt und an der Ecke Dr. Martin-Luther-Straße/Kniebreche, am wichtigsten Straßenknotenpunkt der Stadt, ein E-Center gebaut - mit Riesensortiment, Bäckereifiliale mit Café im Haus und einer Tankstelle vor der Tür. Dass der Kupsch-Laden dennoch nicht gleich geschlossen wurde, war das Ergebnis einer Übereinkunft mit der Stadt Ochsenfurt, die eine fünfjährige Bestandsgarantie vorsah. Diese Frist läuft jetzt ab.
Die in Würzburg ansässige Lebensmittelhandelskette Kupsch war in Ochsenfurt von Anfang an mittendrin. Das erste Lädchen befand sich am Beginn der Langgasse auf der linken Seite hinter der Ratsapotheke. Deutlich besser im Blickfeld, geräumiger und günstiger erreichbar für Lauf- und Fahrkundschaft war dann das Geschäft in der Hauptstraße, wo sich heute Ernsting's Familiy befindet. Dort wurde der Lebensmittelladen „modern“ - mit Selbstbedienung! Und er war ein Ort der Begegnung. Der Tratsch beim Kupsch gehörte dazu.
So blieb es auch nach dem Umzug 1981 in das Gebäude an der Klingentorkreuzung. Kunden und Personal kannten sich meist persönlich. Man hatte Zeit für ein Gespräch. Der Laden war überschaubar, aber durchaus gut sortiert. Es gab eine Frischetheke mit Wurst, Fleisch, Käse, Fisch und Backwaren. Geschätzt war die Auswahl an Obst und Gemüse. Stammkunden aus der Altstadt und näherer Umgebung, sowie ältere Leute hielten die Treue. Das konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Großen die Uhren anders tickten. Anfangs vorhandene Pläne für eine Erweiterung blieben letztlich in der Schublade.
Die Bilanzen waren ernüchternd. Manfred Schmidt, der in Ochsenfurt das E-Center wie den Kupsch-Markt betreibt, berichtet, dass Kunden schon länger zweigleisig gefahren seien. Im E-Center würden die vielseitige Auswahl und der große Frischebereich angenommen. Zudem gebe es Angebote für Kunden mit besonderen Bedürfnissen, etwa ein Allergiker-Sortiment. Die letzten drei Jahre sei bei Kupsch kein wirtschaftliches Ergebnis mehr erzielbar gewesen, 2015 sogar „katastrophal“, was den Entschluss zur Schließung endgültig bestätigt habe. Der Anfang vom Ende war die Aufgabe der Frischetheke zum 31. August 2015.
Nicht nur Kunden, auch Beschäftigte waren Kupsch Jahrzehnte lang treu. Auch sie müssen sich umstellen. Es habe aber keine Entlassungen gegeben, betont Schmidt. Ein Großteil sei ins E-Center übernommen worden und dort bereits integriert. Einige gehen in den Ruhestand, so wie Marktleiter Roland Weter. Er ist seit 49 Jahren im Lebensmittelhandel tätig, davon 45 Jahre bei Kupsch. Ihm fällt es am Silvestertag zu, als Letzter das Licht auszumachen.
Was aus dem Gebäude wird, ist noch offen. Wie von der Besitzerfamilie Lehrmann zu erfahren war, werde eine Nachnutzung angestrebt. Vor einer Entscheidung seien aber noch einige Fragen zu klären.