Am 2. November feiert die Würzburger Bühnenfassung von Michail Bulgakovs Roman "Der Meister und Margarita" ihre Premiere. Das Stück hat bereits Konjunktur an deutschen Theatern. Wie der Teufel die Stadt Moskau in Stalins paranoidem Überwachungsstaat aufzumischen versucht – allein dieses fantastische Motiv bietet aktuelle politische Anknüpfungspunkte. In Erlangen wird zur Vorstellung des neuen Ensembles beispielsweise die ganz große Bühnenmaschine angeworfen. Schließlich bietet der literarische Klassiker der Moderne außer dem Mephistopheles-Plot eine dicke Faust voll weiterer Handlungsstränge.
Als jetzt das Würzburger Privattheater am Neunerplatz eine eigene Version ankündigte und die ersten Probenfotos verschickte, kam Erstaunen auf: Jedes Bild gehört in eine andere Romanwelt. Soll der Würzburger "Meister" so verwirrend wirken wie der 500-Seiter beim ersten Lesen? Und dann ist auch noch Musik integraler Bestandteil der Inszenierung. Geht es nicht ein bisschen schlanker?
Sechs Gründe für einen Theaterbesuch
Erhard Drexler hat den Theatertext aus dem Wälzer extrahiert, ein Team darauf eingeschworen und Regie geführt. Schon im Alter von 20 Jahren hat ihn Bulgakov fasziniert. Jetzt erfüllte er gerne den Wunsch von Sven Höhnke, Leiter des Theaters am Neunerplatz, wo vor einiger Zeit schonmal ein kleines Team mit seiner Fassung des "Meister und Margarita" gastiert hatte. Heuer wird mit der eigenen Produktion Höhnkes 60. und der 39. Geburtstag des Theaters am Neunerplatz gefeiert. Drexler rechnet vor: "Das macht zusammen 99 – die Doppelneun zum Neunerplatzjubiläum." Umgedreht wird eine Doppelsechs draus, ein Spiel mit der Zahl des Luzifer.
Viel komplizierter als diese Bezüge ist auch das Drama nicht. Drexler zählt die Zielgruppen auf: "Leute, die das Buch noch nicht gelesen haben, lernen ein russisches Volksgut kennen, das dort so bekannt ist wie hier der Faust-Stoff." Zweitens können sich Kenner der Materie an Querverweisen, Anspielungen und vielen Feinheiten ergötzen. Da ist schon mal für jeden was dabei. Hinzu kommt das Thema "Unterdrückung durch die Staatsgewalt und Zensur"; das ist relevant "grade, wenn deutsche Parteien davon träumen, die Kulturlandschaft zu bereinigen".

Viertens zeigt eine lange Binnenhandlung die Figur des Jesus in einer "ganz neuen Sicht" (der "Meister" ist Pilatus-Biograf). Wohnungsnot fällt Erhard Drexler als fünftes allgemein interessantes Gebiet ein, vor allem aber noch "Spektakel! Schostakowitsch-Streichquartette treffen auf Elektro-Pop, wenn in dieser hundertjährigen Geschichte bewegte Bilder und Szenen ineinanderfließen."
Die Hälfte des Ensembles ist neu
Mit dem musikalischen Leiter Tobias Debold arbeitet die Drexler-Familie seit Jahrzehnten zusammen. Erheblichen Schauwert gewinnt die Inszenierung durch Sven Höhnkes Bühnenbild, einen Trambahn-Waggon mit Drehbühnen-Funktion, und die Kostüme von Ute Friedrich, "mit Riesenfleiß und Auge fürs Detail in den Moden vom Barock bis in die 1950er", so Drexler.

Eine äußerst aufwendige Inszenierung macht es für den Zuschauenden einfacher: Das dramatische Geschehen ist so dicht, dass man sich ihm einfach mit allen Sinnen hingeben kann, sollte man den Sinn einer Szene einmal nicht auf Anhieb einordnen können. So funktionierte schon vor zwei Jahren das fulminante "Alice"-Musical am selben Ort. Nur, Überraschung: Die Hälfte der acht Spieler und Sängerinnen ist diesmal neu im Team.
Nach der Premiere am 2. November ist das Stück bis zum 14. Dezember meist Donnerstag bis Sonntag zu sehen. Dauer: zweieinhalb Stunden plus Pause. Weitere Informationen: Tel.: (0931) 415443 oder unter www.neunerplatz.de
