Bewusstlos sein, den Ärzten ausgeliefert: Viele Patienten fürchten sich bei einer Operation vor der Narkose – und vor möglichen Nebenwirkungen. Wie sicher ist eine Narkose heutzutage? Und was kann man tun, um Risiken gering zu halten? PD Dr. Jan Stumpner, Chefarzt der Anästhesiologie am Klinikum Würzburg Mitte (KWM), erklärt, wie häufig es zu Komplikationen kommt - und ob es einen Trick gegen die Angst vor der geplanten Bewusstlosigkeit gibt.
Frage: Herr Dr. Stumpner, Sie arbeiten seit mehr als 15 Jahren als Anästhesist im Krankenhaus. Ein Job, in dem man keine Fehler machen darf?
PD Dr. Jan Stumpner: Wir haben eine hohe Verantwortung. Bei einer Narkose nehmen wir den Patienten vorübergehend wichtige Vitalfunktionen durch Medikamente weg – das Bewusstsein, bei manchen Narkosen auch die Atmung. Es ist also ein Job, in dem man fast keine Fehler machen darf. Der Druck ist schon da, wir sind jedoch durch unsere Ausbildung und regelmäßiges Training sehr gut darauf vorbereitet.
Wie gehen Sie mit diesem Druck um?
Stumpner: Wir müssen die Patienten vorher sehr gut kennen, damit wir wissen, mit welchen Risiken wir zu rechnen haben. Das betrifft zum Beispiel Vorerkrankungen des Herzens, der Lunge, der Niere, der Leber oder der Blutgerinnung oder Unverträglichkeiten auf bestimmte Stoffe. Auch ob ein Patient Medikamente einnimmt, ob es Probleme bei Vornarkosen gab oder ob in der Familie angeborene Erkrankungen bestehen, die das Narkoserisiko erhöhen. Für uns ist es wichtig, vorab so viel wie möglich über den Patienten zu wissen – dann können wir die Narkose am besten planen.
Wie sicher ist eine Narkose?
Stumpner: Eine Narkose ist heutzutage so sicher, wie sie noch nie war. Die Patienten sind so gut überwacht wie nie, der Herzschlag, der Blutdruck, der Sauerstoffgehalt im Blut, die Narkosetiefe, das Ausmaß der Muskelerschlaffung. All diese Parameter kontrollieren wir pausenlos.
Ist eine Vollnarkose gefährlicher als eine Teilnarkose?
Stumpner: Den Patienten macht meist eine Vollnarkose Angst, weil sie mit einem Kontrollverlust einhergeht. Man bekommt nicht mit, was gemacht wird und man kann nicht eingreifen. Generell kann man aber nicht sagen, dass eine Teilnarkose besser wäre – das kommt auf den einzelnen Patienten an, seinen gesundheitlichen Zustand, auf die Medikamente, die er nimmt und auf die Art des Eingriffs. Und manche Patienten wollen sogar lieber eine Vollnarkose, um nichts von der Operation mitzukriegen.
Was sind mögliche Komplikationen bei einer Narkose?
Stumpner: Bei einer Vollnarkose können Halsschmerzen auftreten, verursacht durch den Beatmungsschlauch. Es kann auch sein, dass Mageninhalt in die Lunge gerät – deshalb müssen wir wissen, was haben die Patienten wann zuletzt gegessen. Und deshalb sollen Patienten für einen gewissen Zeitraum vor der Operation nüchtern bleiben, um dieses Risiko zu minimieren. Grundsätzlich kommt es bei einer Narkose aber sehr selten zu Komplikationen.
Was heißt sehr selten?
Stumpner: Die Aspiration von Mageninhalt liegt bei nüchternen Patienten im Promillebereich. Halsschmerzen können bei etwa fünf bis zehn Prozent der Patienten auftreten. Schwerwiegende Komplikationen, die Patienten nachhaltig beeinträchtigen, sind noch viel seltener. Wenn man das Extrem nimmt, also Todesfälle, die mit der Anästhesie assoziiert werden, da sind wir ungefähr bei einem pro 150.000 Patienten. Allein durch die Anästhesie bedingte Todesfälle sind nochmal um den Faktor zehn seltener.
Haben Sie selbst schon erlebt, dass ein Patient nach einer Narkose nicht mehr aufgewacht ist?
Stumpner: Ich habe das in meiner mehr als 15-jährigen klinischen Tätigkeit noch nie erlebt. Es gibt einzelne Fallberichte dazu, aber dieses Risiko geht im Prinzip gegen null. Ich kenne auch keinen Kollegen, der darüber berichtet hätte.
Es gibt den Spruch, jede Narkose ist wie ein Vollrausch – stimmt das?
Stumpner: Manche Patienten empfinden das so. Auf molekularer Ebene passieren aber ganz andere Dinge: Durch die Narkosemedikamente werden die elektrischen Reize im Gehirn für eine gewisse Zeit stark reduziert und das Bewusstsein wird heruntergefahren, die Schmerzwahrnehmung findet nicht mehr statt. Das kann sich danach anfühlen wie ein Vollrausch – es ist aber keiner.
Schädigt eine Narkose den Körper?
Stumpner: Dafür gibt es keine gesicherten Hinweise. Bei den meisten Patienten bleibt nach einer Narkose nichts übrig. Ältere Menschen können manchmal eine vorübergehende kognitive Dysfunktion entwickeln – aber das liegt nicht nur an der Narkose, sondern an der Kombination aus Narkose und Operation, dem Stress und der ungewohnten Umgebung.

Also ist es Humbug, dass bei einer Narkose Gehirnzellen absterben?
Stumpner: Das ist kein kompletter Humbug – das kann es theoretisch geben, aber davor muss man keine Angst haben. In der Regel erholen sich die Patienten sehr gut von Narkosen.
Und kann eine Narkose Demenz auslösen?
Stumpner: Nein, dafür gibt es keine gesicherten Hinweise.
Warum spüren gerade junge Menschen nach einer Narkose oft noch mehrere Tage Nachwirkungen wie Schwindel?
Stumpner: Patienten vertragen die Narkose unterschiedlich gut. Manchmal braucht es etwas mehr Zeit, bis sich der Kreislauf sortiert hat und der Flüssigkeitshaushalt wieder normal hergestellt ist. Die Medikamente an sich sind nach wenigen Stunden nicht mehr im Blut nachweisbar. Und es gibt übrigens keinen klaren geschlechtsspezifischen Unterschied bei der Verträglichkeit.
Was ist die maximale Zeit, in der man einen Menschen unter Narkose setzen kann?
Stumpner: Im Prinzip gibt es kein Limit. Bei manchen Erkrankungen wie etwa bei Schädel-Hirn-Verletzungen müssen Patienten sogar über mehrere Tage sehr tief sediert werden, was einer Narkose gleichkommt. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass Patienten nach einer längeren Narkose länger brauchen, um aufzuwachen und vielleicht auch länger Nachwirkungen spüren.
Was kann man als Patient tun, um eine Narkose möglichst gut wegzustecken?
Stumpner: Das Wichtigste ist, dass die Aufklärungsbögen gewissenhaft und ehrlich beantwortet werden, damit wir so viele Informationen wie möglich über den Gesundheitszustand haben. Zudem sollte man in den Tagen vor einer Narkose ausreichend trinken und essen – erst sechs Stunden vorher nicht mehr essen. Trinken darf man bis circa ein, zwei Stunden vor einer Narkose.
Und was hilft gegen die Angst vor der Narkose?
Stumpner: Das ist von Patient zu Patient unterschiedlich. Einen Geheimtrick gibt es nicht. Ich denke, dass man im Aufklärungsgespräch mit dem Narkosearzt keine falsche Scheu haben und alle Fragen stellen sollte. Denn oft hat Angst etwas mit Ungewissheit zu tun – und einen Teil der Ängste kann man durch Information abbauen.
Sie meinen so auf "Sendung mit der Maus" Niveau ;)
Kleiner Tip -> Google
Wenn die MP schon so einen informativen Artikel bringt sollten auch Fremdwörter ins deutsche übersetzt werden , wie zB , kognitive Dysfunktion ,.