Die elf Helfer der „Mobilen Flüchtlingshilfe“ aus Würzburg sind zurück aus Kroatien und Serbien. Die vier Kleinbusse voller Kleidung, Schuhen, Decken und Zelten, mit denen sie aufgebrochen waren, sind leer. Das gespendete Geld ist ausgegeben. Wie vielen Flüchtlingen sie damit helfen konnten, wissen sie nicht. Hunderten? Tausend? Oft mit einer Mütze, einem Schal oder einer Tasse Tee. Manchmal mit ein paar Winterschuhen. Viel zu oft nur mit einem Lächeln und ein paar aufmunternden Worten.
Sechs Tage waren der Würzburger Student Christian Ludwig und elf Helfer aus Unterfranken und dem Sauerland mit ihrer „Mobilen Flüchtlingshilfe“ entlang der Balkanroute unterwegs. Die erste Station der unterfränkischen Flüchtlingshelfer war das slowenische Dobova. Dort haben sie Kleiderspenden sortiert und Lebensmittel für die Flüchtlinge gekauft.
Doch bald war klar, dass es weiter im Süden Flüchtlingscamps gibt, in denen die Hilfe aus Unterfranken dringender benötigt wird. Daher ging es weiter nach Slavonski Brod, eines der größten Aufnahmelager in Kroatien. Ein Team aus sechs Leuten blieb dort, der Rest fuhr weiter nach Serbien, nach Dimitrovgrad an der bulgarischen Grenze. Sie hatten gehört, dass dort die Situation besonders dramatisch sein sollte.
Christian Ludwig blieb mit fünf anderen Helfern in Kroatien und half beim Sortieren und Verteilen von Kleidung. Bis zu 5000 Menschen passieren jeden Tag das Aufnahmelager in Slavonski Brod. Es gibt dort große Zelte mit Stockbetten, Duschen und sanitäre Einrichtungen, das Rote Kreuz kümmert sich um die Essensversorgung, Hilfsorganisationen verteilen Hygieneartikel und Kleidung.
„Die Menschen, die dort ankommen, sind so erschöpft, dass sie kaum noch stehen können“, sagt der 22-jährige Student. „Sie sind in ihren Schuhen seit Monaten unterwegs. Die Füße sind wund, die Schuhe kaputt, durchnässt und beginnen zu stinken.“ Doch die Helfer haben nicht genug Schuhe für alle. „Es ist ein schreckliches Gefühl, jemandem, dem man die Hoffnung auf ein neues paar Schuhe gemacht hat, mitzuteilen, dass keine mehr da sind.
“ Fehlende Winterschuhe sind derzeit eines der größten Probleme in den Aufnahmelagern entlang der Balkanroute. „Wenn wir das vorher gewusst hätten, hätten wir vor der Abfahrt gezielter um Schuhspenden gebeten“, sagt Vera Hoxha, die die „Mobile Flüchtlingshilfe“ von Würzburg aus unterstützt und organisiert hat. Als das unterfränkische Hilfsprojekt startete, war man vor allem davon ausgegangen, dass es den Flüchtlingen an Essen, Zelten und Decken fehlt.
Doch jetzt sind es die Schuhe. Das Team, das weiter nach Serbien gefahren ist, durfte erst gar keine Schuhe mitnehmen. „In das Nicht-EU-Land dürfen keine gebrauchten Schuhe importiert werden“, erklärt Vera Hoxha. Also haben die Mitglieder der „Mobilen Flüchtlingshilfe“ in Serbien und Kroatien das gespendete Geld für neue Schuhe und Socken ausgegeben. Rund 3000 Euro.
Große Probleme hatten die Helfer vor Ort mit der Polizei, die in Slavonski Brod für die Organisation des Camps verantwortlich ist. „Wir mussten mehrfach mit ansehen, wie Polizisten Flüchtlinge geschlagen und geschubst haben“, berichtet Christian Ludwig. „Aber wir konnten nichts sagen, weil die Polizisten das dann wieder an den Flüchtlingen ausgelassen hätten.“
In Reih und Glied müssen die Flüchtlinge vor dem Registrierungszelt warten bis sie dran sind, danach geht es weiter in Reihen zu den Versorgungszelten und später wieder geordnet in die Busse. Wenn es den Polizisten zu langsam geht, drängen sie nicht nur zur Eile, sondern werden dabei manchmal auch handgreiflich, erzählt Ludwig.
Die Helfer haben nur wenige Minuten Zeit, um für die ankommenden oder abfahrenden Flüchtlinge passende Schuhe oder Jacken zu organisieren. Viele Kleiderspenden kommen unsortiert an und bis man in den Kisten etwas Passendes für einen Flüchtling gefunden hat, ist er oft schon weitergetrieben worden.
„Deshalb haben wir uns angewöhnt, mit Mützen und Schals auf die Flüchtlinge zu warten“, so Christian Ludwig. „Wir haben ihnen dann direkt Mützen aufgesetzt, Schals umgebunden oder Handschuhe angezogen“, erzählt er. Vor allem die Kinder hätten so kalte Hände gehabt, dass sie die angebotenen Sachen kaum greifen konnten. „Das direkte Anziehen geht schneller und man schafft Nähe und Herzlichkeit“, sagt der 22-Jährige. Viele Flüchtlinge seinen überrascht über den Körperkontakt gewesen, hätten dann aber angefangen zu lächeln.
Was die Helfer in den Aufnahmelagern erlebt haben, haben sie auch eine Woche nach ihrer Rückkehr noch nicht verarbeitet. Besonders schlimm soll es in Dimitrovgrad an der bulgarischen Grenze gewesen sein. „Unsere Helfergruppe dort durfte nicht ins Camp“, erzählt Vera Hoxha. Die Flüchtlinge müssen kilometerweit alleine durch einen Wald laufen, bis sie die serbische Grenze erreichen. „Unsere Helfer haben sie dann am Waldrand mit einem Feuer, Suppe und Tee empfangen“, berichtet Hoxha. „Viele Flüchtlinge haben von korrupten bulgarischen Polizisten berichtet, die ihnen ihr Geld und die Handys weggenommen haben. Und fast jede Gruppe hatte jemanden im Wald verloren.“