Die Orchidee lässt die Blätter hängen, die Monstera ist von Milben befallen und der Ficus in der Ecke hat auch schon bessere Zeiten gesehen - der richtige Umgang mit Zimmerpflanzen ist für viele eine Herausforderung. In dementsprechend traurigem Zustand landen viele der Pflanzen irgendwann im Biomüll.
Das wollen Theresa Wild und Steffi Sperling aus Würzburg ändern. Rund 170 eigene und fremde Pflanzen betreuen die beiden Studentinnen in ihrer "Pflanzen-WG" im Würzburger Stadtteil Grombühl. Hier können Würzburgerinnen und Würzburger ihre kranken Sorgenkinder abgeben, die zwei Frauen päppeln sie wieder auf und geben sie gegen eine geringe Unkosten-Pauschale entweder an den Besitzer oder die Besitzerin zurück oder vermitteln die genesenen Pflänzchen über ihren Instagram-Account an andere liebevolle Pflanzenfans weiter.
Patientin Nr. 1: "Lisa", die Yuccapalme mit dem gebrochenen "Arm"
"Die Idee hatten wir im Januar", sagt Steffi Sperling. "Im Internet werden so viele Pflanzen verkauft oder verschenkt, die einfach nicht mehr gut aussehen. Und wenn sie nicht gut aussehen, holt sie auch keiner ab und dann landen sie irgendwann im Müll", sagt die 24-jährige Bauingenieurwesen-Studentin. Eine Tatsache, die die beiden Pflanzenfans nicht länger hinnehmen wollten. "Also haben wir spontan entschlossen: Wir gründen jetzt einen Account und nehmen die Pflanzen auf", so Sperling.
Gesagt, getan. Die erste Patientin lies nicht lange auf sich warten: "Lisa", die Yuccapalme einer Freundin, die sich bei einem Umzug einen abgeknickten Ast zugezogen hatte. Die kreative Lösung der damaligen Besitzerin für das Dilemma: den Ast mit Klebeband befestigen.
"Das hat natürlich überhaupt nicht funktioniert", sagt Theresa Wild und lacht. Immerhin habe das Tape die Bruchstelle aber so feucht gehalten, dass die beiden Studentinnen den Ast noch retten und in einem Wasserglas neue Wurzeln heranzüchten konnten. "Lisa" überlebte.

Mit ihrer Erste-Hilfe-Station für Zimmerpflanzen scheinen die beiden Studentinnen einen Nerv getroffen zu haben. Rund 35 Sorgenkinder haben Theresa Wild und Steffi Sperling in den wenigen Wochen seit Beginn der Pflanzen-WG bereits verarztet und zum Teil auch schon weitervermittelt.

Die meisten Probleme entstehen durch falsches Gießen
"Es hat Anfragen geregnet", sagt Theresa Wild. Teilweise habe sie noch früh morgens eine Stunde mit dem Beantworten von Nachrichten verzweifelter Pflanzenbesitzerinnen und -besitzer verbracht. Der Großteil der Probleme ließe sich dabei auf falsches Gießverhalten zurückführen, meint die 21-jährige Medienkommunikations-Studentin.
"Die meisten Leute kommen nicht mit dem Gießen klar", sagt Wild, "entweder sie gießen zu viel oder zu wenig". Gerade jetzt im Winter bräuchten die Pflanzen oft deutlich weniger Wasser als vermutet, denn die Erde trocknet langsamer aus. "Ich glaube, das große Problem ist, dass man immer denkt, die Pflanzen brauchen viel Wasser", sagt Steffi Sperling, "dabei leiden sie auch unter Wasserstress, wenn sie zu viel Wasser bekommen".
Um festzustellen, ob die Pflanze gegossen werden muss, empfehlen die beiden einen einfachen Trick: "Den Finger drei Zentimeter tief in die Erde stecken", sagt Sperling, "wenn da alles trocken ist, dann sollte man wieder gießen. Das ist eine gute Faustregel".

Ein weiteres Problem sind Schädlinge wie Trauermücken, Spinnmilben oder Thripsen. "Trauermücken hat eigentlich jede Pflanze, die hier ankommt", sagt Theresa Wild. Die kleinen schwarzen Mücken halten sich gerne in feuchter Erde auf und legen dort ihre Eier ab. Die Larven können dann die Wurzeln der Topfpflanzen angreifen.

Gegen sie empfehlen Wild und Sperling vorbeugend das sogenannte "Bottom Watering" (Bodenbewässerung). Dabei wird der Zuchttopf in Wasser gestellt, das die Pflanze dann durch ihre Wurzeln aufnimmt. Dadurch bleibt die Erde im oberen Bereich des Topfes trocken. Auch auf scharfkantigen Quarzsand schwören die beiden Pflanzenfans. "Wenn die Larven schlüpfen, schneiden sie sich daran auf", erklärt Wild, "das ist zwar brutal, aber effektiv".
Tauschbörse für Pflanzen als neues Projekt?
Kommt ein Sorgenkind in der Pflanzen-WG an, wird es in der Regel zunächst einmal umgetopft. Dafür mischen Wild und Sperling spezielle Erde an, checken die Wurzeln und schneiden die Pflanzen zurück, damit sie voller Kraft neu austreiben können. "Wenn die Wurzeln schwarz und abgestorben sind, ist es leider zu spät", sagt Sperling, "und wenn oben dann kein Grün mehr ist, kann man nicht einmal mehr Ableger machen".
Meistens können die beiden den Pflanzen aber helfen. Das Wissen dafür haben sich die Studentinnen über pflanzenaffine Freunde und Familienmitglieder, Fachliteratur und Internet angeeignet. "Viel kommt aber auch über die Erfahrung", sagt Wild.

Die gesunden Pflanzen bekommen dann einen Namen und landen samt Gebrauchsanweisung auf Instagram. Gegen eine Material-Gebühr von fünf Euro für kleine und zehn Euro für größere Pflanzen, können Würzburgerinnen und Würzburger Uwe, Karsten, Cecilia und Co. dann adoptieren. Die Namen sollen dabei Bindung zu den Pflanzen schaffen. "Das macht es persönlicher", sagt Sperling. "Sie sind dann kein Grünzeug mehr, sondern wie ein kleines Haustier."

Für die Zukunft denken die beiden Studentinnen auch über eine Tauschbörse für Pflanzen nach. "Ich glaube, wenn die Leute bei einer Pflanze keinen Wow-Effekt erleben, dann kümmern sie sich weniger darum und sie geht irgendwann ein", sagt Sperling. Das könnte eine Tauschbörse vielleicht verhindern. Wenn die eigene Pflanze nicht mehr gefällt, tauscht man sie einfach gegen das Exemplar eines oder einer anderen Tauschwilligen.
Zudem sollen auf dem Instagram-Account der Pflanzen-WG noch mehr Erste-Hilfe-Tipps erscheinen. "Wir wollen, dass die Leute, wenn sie ihre neuen Pflänzchen mit nach Hause nehmen, den gleichen Enthusiasmus und die Liebe spüren, die wir für die Pflanzen haben", sagt Steffi Sperling.