Greta Bauer muss nicht lange überlegen, was das Besondere an ihren Schnickerli ist: "Sie sind butterweich, kein bisschen knorpelig und schmecken besser als jede Gulaschsuppe." Die Landwirtin aus Remlingen im Würzburg ist 86 Jahre alt. Aber für ihre Schnickerli steht sie immer noch selbst am Herd und schmort die kleingeschnittenen Pansen stundenlang mit vielen Gewürzen in Rotwein – ganz nach dem Rezept der Schwiegermutter.
"Die Leute kommen sogar von Würzburg oder Marktheidenfeld, um meine Schnickerli zu probieren", sagt Greta Bauer. Im Frühjahr und im Herbst, nach der Weinlese, gibt's ihre Spezialität– immer, wenn die Heckenwirtschaft geöffnet ist. Dann werden im urig-verwinkeltem Haus der Bauers die Möbel zur Seite gerückt, die Teppiche aufgerollt und Biertischgarnituren ins Wohnzimmer gestellt. Mangels Heizung im Haus wärmt Kaminfeuer die Gäste.
Heckenwirtschaft ohne Konzession: Nur einfache Speisen sind erlaubt
Wie die Hälfte der rund 180 Heckenwirtschaften, die es laut Fränkischem Weinbauverband in der Region heute noch gibt, arbeitet der Remlinger Weinbaubetrieb Bauer ohne Konzession: Der selbst erzeugte Wein darf dann an 16 Wochen im Jahr ausgeschenkt werden, maximal 40 Sitzplätze sind erlaubt. Und laut Gaststättengesetz dürfen in Hecken ohne Konzession nur einfache Speisen serviert werden, warm oder kalt. Ob Schnickerli allerdings eine "einfache Spezialität" sind?

Greta Bauer stammt aus einer Winzerfamilie aus Wertheim am Main. Als ihr Vater starb, sagt sie, "hab ich gelernt Chefin zu sei". Sie heiratete in den kleinen Winzerbetrieb in der 1500-Einwohner-Gemeinde Remlingen ein, lebte und arbeitete dort viele Jahre gemeinsam mit den Schwiegereltern unter einem Dach. Nach dem Tod ihres Mannes Georg vor elf Jahren, führte sie das Weingut mit ihrem Sohn Reinhold weiter. Wenn die Heckenwirtschaft geöffnet ist, helfen auch die Tochter und die beiden Enkel kräftig mit.
Wie man Schwimmerle selbst macht
Und das Kochen ist schon immer Greta Bauers Leidenschaft. Früher hat sie Tagelöhner verköstigt, die im landwirtschaftlichen Betrieb mithalfen. Heute steht sie während der Weinlese noch jeden Mittag am Herd und kocht für die Helfer. Rindersuppe mit Schwimmerle zum Beispiel, erzählt die 86-Jährige - viele wüssten ja gar nicht mehr, wie man die selber macht.
Greta Bauer rührt für ihre Schwimmerle Salz, Butter, Weizenmehl, Stärke und Eier zu einem geschmeidigen Teig. "Davon steche ich mit dem Löffel kleine Nockerln ab – und frittiere sie." Erst kurz vor dem Anrichten werden die Schwimmerle mit Schnittlauchröllchen in die Suppe gegeben.
Wie Greta Bauer Schnickerli kocht
Die Schnickerli rührt Greta Bauer an ihrem Gasherd in ihrem größten Kochtopf: "Ich mache eine Mehlschwitze und würze mit Piment, Curry, Paprika, Thymian und natürlich Salz und Pfeffer." Auch Zwiebeln, Nelken oder ein Lorbeerblatt gehörten in dieses urfränkische Gericht, serviert wird es mit einer Semmel. "Das genaue Rezept verrate ich aber nicht." Das sei Familiengeheimnis. Was sie verrät: Die Pansen von Rind oder Kalb werden etwa eine Stunde mit einer Flasche Rotwein butterweich gekocht - und zwar unter ständigem Rühren.
"Die Arbeit hält mich fit!"
Greta Bauer (86) aus Remlingen
Wegen dieser Prozedur hätte ein Lebensmittelkontrolleur in den 1990er Jahren Greta Bauers Schnickerli fast den Garaus gemacht. Es sei ein zu aufwendiges Essen für eine Heckenwirtschaft, lautete seine Begründung. Die Winzerin wehrte sich: "Ich habe über 600 Unterschriften gesammelt und nach München geschickt." Auch die Landtagsabgeordneten aus der Region bat die resolute Köchin, sich für ihre Spezialität einzusetzen. Mit Erfolg: Nach einem "riesigen Kuddelmuddel" durfte die Remlingerin ihre Schnickerli wieder servieren.
Pansen gibt es heute beim Metzger nur noch auf Bestellung. "Das Fleisch hat eine weiße bis beige Farbe", beschreibt Bauer. Typisch sei die grobe Noppen- oder Porenstruktur. "Ich koche gerne Gerichte mit Fleisch", sagt die Winzerin und verweist auf ihre Bratwürste mit Kraut und Soße, die ihre Gästen sehr loben würden. Fertigsoßen und andere Pulver sucht man in ihrer Küche vergeblich. "Für die Soße zu den Würsten bringt mir mein Sohn extra eine Kiste Rinderknochen mit." Fünf Stunden lässt sie die Knochen dann auskochen. Solche guten Soßen würde viele Jüngere gar nicht mehr kennen.
Auch mit 86 Jahren setzt sich Greta Bauer jeden Morgen auf ihren Traktor und fährt in ihre Weinberge. Einen Auto-Führerschein hat sie nie besessen, dafür hat sie immer ihre Schere dabei. "Im Weinberg gibt es das ganze Jahr etwas zu tun. Die Arbeit hält mich fit."

Zum Mittag- und zum Abendessen gönnt sich die Wirtin dann auch mal ein Gläschen vom eigenen Wein: "Aber nur als Schorle, mit viel Wasser." Dabei ist es ihr egal, ob Silvaner, Müller-Thurgau oder Scheurebe ins Glas kommt. "Getrunken wird immer der Wein, der gerade offen ist." Zu den Schnickerli passt perfekt ein Rotling, empfiehlt die Köchin. Darin werden die Pansen schließlich auch geschmort. Und im Frühjahr, wenn die Heckenwirtschaft Bauer das nächste Mal öffnet, wird sie dafür sicher wieder stundenlang am Herd stehen.
Pansen, Kutteln, Schnickerli - und ein RezeptDer Pansen ist der erste der vier Mägen eines Rindes, in ihm wird die Nahrung weiter zerkleinert und vorverdaut. Das Fleisch sei gesund, weil es viele Mineralien und Vitamine enthält, sagt Horst Schömig, der Obermeister der Metzgerinnung in Würzburg. Außerdem sei der Pansen nahezu fettfrei - und dank der Proteine trotzdem sättigend.Schnickerli sind Pansen, kleingeschnitten auch Kutteln genannt. Mittlerweile wird die fränkische Spezialität gar nicht mehr verlangt, sagt der Obermeister. Überhaupt würden nur noch wenige Kunden nach Innereien wie Leber, Herz oder Züngle fragen. Auf Vorbestellung könne man auch heute noch Pansen bekommen, allerdings müsse man in seiner Metzgerei dann gleich zehn Kilo abnehmen. Horst Schömigs Rezept für Schnickerli (für vier Personen)500 g Kutteln in feine Streifen geschnittenzwei kleine Zwiebeln8o g Fett60 g Mehl 1/8 Liter herber Weißwein500 ml Rinderfond Essig, Salz, Pfeffer und MuskatZubereitung: Die Kutteln wenn möglich schon fertiggekocht kaufen. Sie sollten so weich sein, dass man siesmit dem Finger zerdrücken kann. Die Zwiebeln im Fett anschwitzen, die Kutteln dazu geben und mit etwas Weißwein und Rinderfond ablöschen. Für die Soße eine Einbrenne machen, dazu das Fett erhitzen und bei mäßiger Temperatur das Mehl dazugeben. Ständig umrühren, bis das Mehl hell- bis dunkelbraun wird - es darf nicht verbrennen. Rinderfond dazugeben, bis eine dickflüssige Soße entsteht. Kutteln hinzufügen und mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken. Für die Säure ein Schuss Essig dazu - je nach Geschmack.Quelle: clk