Die Geschichte von der schwarzen Spinne ist knapp 200 Jahre alt. Doch sie hat an Aktualität nichts verloren. Bis heute gibt es Verantwortungslosigkeit, Schwindelei, Feigheit und freche Tricks.
Der Schweizer Pfarrer Jeremias Gotthelf, wie er sich im Pseudonym nannte, war ein sorgfältiger Beobachter des bäuerlichen Lebens seiner Zeit. In der Novelle "Die schwarze Spinne" – Thomas Mann nannte sie seinerzeit "ein Stück Weltliteratur" – beschreibt er erschreckend realistisch, wie sich Menschen verhalten, wenn der Alltag sie überrollt.
Es geht um die Leibeigenen des grausamen Ritters Hans von Stoffeln. Der verlangt von seinen Untertanen eine in der vorgegebenen Zeit nicht zu bewältigende Anpflanzung von Buchen rund um sein Schloss, um nicht der sengenden Sonne ausgesetzt zu sein. Die Dorfbewohner sind verzweifelt. Bis der Teufel in Gestalt eines grünen Jägers auftaucht und ihnen einen Pakt anbietet. Er wird die Bäume pflanzen, wenn er dafür mit einem ungetauften Kind entlohnt wird. Die Bäuerin Christine lässt sich auf den Deal ein, da die Männer zu unentschlossen und zögerlich sind. Als Pfand gibt "der Grüne" der Bäuerin einen Kuss auf die Wange, der sich zu einem grausamen Mahnmal entwickelt.
Wie Menschen in Krisensituationen reagieren
Wer die Produktion im Theater Ensemble besucht, sollte die Geschichte kennen, sonst erschließen sich die einzelnen Szenen nur schwer. Unter der Regie von Tobias Schmidt, der den Inhalt auf die Spielzeit von einer guten Stunde komprimiert hat, zeigen Alisa Schmitt, Jannik Pitt und Johannes Kern, die wechselseitig alle Rollen übernehmen, wie Menschen in Krisensituationen reagieren. Wie sie miteinander, gegeneinander, mit der Wahrheit und mit ihren Entscheidungen ringen. Es geht um Schuld, um falsche Freunde, um Frauen und Männer, um Gut und Böse. Mit einer ungewöhnlichen Interpretation auf die Vorgabe von Gotthelf blättert sich ein kraftvolles Stück Theater auf, in dem sich Rahmenhandlung, Erzählung, Spielszenen und Videoeinspielungen zu einem Ganzen fügen.
Das spielt sich hinter einer Seilkonstruktion auf unterschiedlichen Ebenen ab, über die die jungen Schauspieler nahezu akrobatisch balancieren, springen, kriechen, trampeln oder tanzen (Choreografie: Vanessa Straßer). Dazu erklingt aufwühlende, rhythmische, tropfende, treibende Musik (Alexander Renner, Cornelius Grömminger). Voller Enthusiasmus treiben die schwarz gekleideten Protagonisten die Handlung voran, sprechen (manchmal zu) schnell, schreien, flüstern. Eine durchaus sehenswerte Produktion, die mehr Zuschauer verdient.
Die Schwarze Spinne ist noch bis 20. November im Würzburger Theater Ensemble auf dem Bürgerbräugelände, Frankfurter Strasse 87, zu sehen. Tel.: (0931) 44545 oder E-Mail an info@theater-ensemble.net
