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Würzburg: Diese ständige Veränderung: Wie sie uns bereichert statt erschöpft – und warum wir auch mal innehalten sollten

Würzburg

Diese ständige Veränderung: Wie sie uns bereichert statt erschöpft – und warum wir auch mal innehalten sollten

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    Die besten Ideen beim Müßiggang: Sarah Schöllhammer auf der Alten Mainbrücke in Würzburg. Die Wirtschaftsprofessorin wirbt für einen positiven Umgang mit Veränderungen und Innovation.
    Die besten Ideen beim Müßiggang: Sarah Schöllhammer auf der Alten Mainbrücke in Würzburg. Die Wirtschaftsprofessorin wirbt für einen positiven Umgang mit Veränderungen und Innovation. Foto: Christoph Weiss

    Kaum ein Tag ohne Krisen, ohne neue Entwicklung. Dazu Technologien wie Künstliche Intelligenz, die die Welt im rasanten Tempo verändern. Viele Menschen fühlen sich überfordert: Ständig soll man sich anpassen oder neu erfinden – das kann anstrengend sein. Oder ist es vielmehr spannend und bereichernd?

    Wie gelingt die Balance im Wandel? Veränderung positiv angehen, sie aktiv und doch gelassen gestalten – dafür wirbt Wirtschaftsprofessorin Sarah Schöllhammer in ihrem Buch "Anpacken und Tee trinken". Die 37-Jährige kommt aus Würzburg, hat International Management und Innovationsmanagement studiert und ist Professorin für Innovation und Entrepreneurship an der Hochschule Ansbach.

    In ihrem Ratgeber zum Umgang mit Veränderung bezieht Schöllhammer auch Strategien aus der Positiven Psychologie und dem Buddhismus ein.

    Frage: Frau Schöllhammer, wie steht's um Ihre Vorsätze fürs Neue Jahr? Wollen Sie etwas verändern?

    Prof. Sarah Schöllhammer: Es ist auf jeden Fall sinnvoll, über den Jahreswechsel in Ruhe nachzudenken und sich neu auszurichten, auch wenn viele Vorsätze keine lange Lebensdauer haben. Ich persönlich schaue lieber regelmäßig und das ganze Jahr über, was in meinem Leben veränderungswürdig ist, und probiere Ideen gleich aus. Was ich mir vorgenommen habe, ist mehr Zeit für gemeinwohlorientierte Initiativen zu nutzen – mich mit anderen zusammen für eine lebenswerte und nachhaltige Stadt zu engagieren zum Beispiel.

    Setzt das gemeinsame Handeln mit anderen besondere Kräfte frei?

    Schöllhammer: Ja, Menschen sind soziale Wesen und brauchen das Gefühl, in eine Gemeinschaft eingebunden zu sein, die uns Halt gibt. Freiwillige Helfer oder Ehrenamtliche erleben es zudem als sinnstiftend, wenn sie sich für etwas Größeres engagieren, das über sie selbst hinausgeht. Sinn wirkt wie ein Stresspuffer und hilft, auch schwierige Zeiten durchzustehen. Und zusammen können wir auch wesentlich mehr bewirken als allein.

    Klingt gut. Es gibt aber viele Menschen, die veränderungsmüde sind. Die das Gefühl haben, sich immer öfter anpassen müssen. Verstehen Sie solche Müdigkeit?

    Schöllhammer: Auf jeden Fall. Zahlreiche Krisen gleichzeitig, radikal neue Technologien wie KI, ständige Change-Prozesse in der Firma – unser Gehirn ist nicht dafür gemacht, ständige Veränderungen in diesem Ausmaß zu bewältigen.

    Wie kommt man trotzdem ins selbstbestimmte Handeln?

    Schöllhammer: Bezogen auf den Umgang mit Krisen ist der erste Schritt, dass wir Gefühle wie Überforderung oder Angst anerkennen, statt zu verdrängen. Auch ein Faktencheck bringt Klarheit: Manchmal malen wir uns Dinge viel dramatischer aus, als sie sind. Was wir nicht beeinflussen können, sollten wir gelassen hinzunehmen lernen. Lieber konzentrieren wir uns auf das, was wir tatsächlich beeinflussen können und gehen Probleme – oder auch Chancen – aktiv an. Auch wenn es nur kleine Schritte sind, fühlen wir uns wirksam. Diese Selbstwirksamkeit gibt uns Hoffnung und wirkt gegen Stress und Ohnmacht.

    Oft geht es gar nicht um Krisen, sondern in der Arbeitswelt um das nächste Programm, die neue Maschine, neue Abläufe. Eine Neuerung jagt die nächste...

    Schöllhammer: Ja, in der Arbeitswelt passiert enorm viel. Der Wettbewerbsdruck ist hoch, wir sind extrem vernetzt, müssen immer am Ball bleiben. Dabei sind die Organisationen in der Verantwortung zu klären: Wie viele Veränderungsprojekte gleichzeitig können wir unseren Mitarbeitenden zumuten? Hier ist vor allem die Führung gefragt. Veränderung gelingt eher, wenn Betroffene das Warum und das Ziel der Veränderung mit Herz und Hirn begreifen, aktiv mitgestalten können – und nicht zu vergessen: auch kleine Erfolge gemeinsam feiern.

    "Man muss zum Glück nicht jeden Hype mitmachen": Innovationsexpertin Sarah Schöllhammer.
    "Man muss zum Glück nicht jeden Hype mitmachen": Innovationsexpertin Sarah Schöllhammer. Foto: Christoph Weiß

    Häufig haben Ältere im Betrieb das Gefühl, nicht mehr mitzukommen. Was raten Sie?

    Schöllhammer: Das Alter an sich ist gar nicht so entscheidend, es gibt ja auch Ältere, die experimentierfreudig und geübt sind, was beispielsweise digitale Technologien angeht. Im Vergleich zu digitalen Generationen haben Ältere schon viel mehr Technologiewechsel bewältigt, wie von der Schreibmaschine zu PC und Internet und jetzt KI. Und mit den Jahren kommt ja auch eine gewisse Gelassenheit, dass man zum Glück nicht jeden Hype mitmachen muss. Es lohnt sich aber zu überlegen, wo man am Ball bleiben will. Was zudem hilft, ist eine neugierige Grundhaltung, die Bereitschaft – zum Beispiel mit neuen Programmen – zu experimentieren, schrittweise zu lernen und sich auch helfen zu lassen.

    Sind wir tendenziell zu ängstlich bei Veränderungen?

    Schöllhammer: Tatsächlich haben wir die Tendenz, die Risiken des Neuen zu überschätzen und die Chancen zu unterschätzen. Das ist evolutionär bedingt, denn wir stammen von den vorsichtigen Steinzeit-Vorfahren ab, wer zu mutig war, hat sich häufiger aus dem Genpool verabschiedet. Heute ist diese Prägung hinderlich, weil wir uns mit ständiger Veränderung schwertun und durch Risikovermeidung mögliche Innovationen verhindert werden.

    "Die besten Ideen kommen zum Beispiel im Halbschlaf, beim Duschen oder beim Spazierengehen."

    Sarah Schöllhammer plädiert für bewussten Müßiggang

    Muss ich eigentlich immer verändern oder hat auch das Innehalten seinen Wert?

    Schöllhammer: Absolut! Gerade in fordernden Zeiten tut es uns gut, bewusst Raum für Muße und positive Erlebnisse zu schaffen. Das können auch kleine Dinge sein, wie ein schönes Buch, ein Gespräch mit einer Freundin oder ein Spaziergang. Ein positiver Nebeneffekt: Die besten Ideen kommen oft beim Müßiggang – also gerade, wenn wir nichts Produktives tun, zum Beispiel im Halbschlaf, beim Duschen oder beim Spazierengehen.

    Was hindert uns an Veränderung?

    Schöllhammer: Trägheit, der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier. Ob persönlicher Lebensstil, Firmen mit veralteten Geschäftsmodellen oder die Weltgemeinschaft in Sachen Klimawandel - solange es auch so geht, machen wir oft lieber weiter wie bisher. Hier zeigt sich, dass in Krisen auch Chancen liegen: Oft erst, wenn es richtig weh tut, sind wir bereit, alte Gewohnheiten zu hinterfragen, uns zu bewegen und grundlegend Neues zu wagen. Was auch motiviert, ist die Zuversicht, dass sich die Situation durch unser Zutun zum Positiven verändern könnte. Zukunft ist ja kein festgelegtes Schicksal, sondern gestaltbar und sie wird ein Stück weit, was wir daraus machen. Deswegen ist Zweckoptimismus sinnvoll, auch wenn die Lage nicht gerade rosig sein sollte.

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