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Würzburg: Doch kein Urteil: Hat ein Mann als Frau verkleidet Männer am Würzburger Hauptbahnhof angelockt und vergewaltigt?

Würzburg

Doch kein Urteil: Hat ein Mann als Frau verkleidet Männer am Würzburger Hauptbahnhof angelockt und vergewaltigt?

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    Zu viele Zweifel am Würzburger Landgericht: Richter Reinhold Emmert stellte das Verfahren gegen einen Angeklagten, der als Frau verkleidet Männer in seine Wohnung gelockt haben soll, ein.  
    Zu viele Zweifel am Würzburger Landgericht: Richter Reinhold Emmert stellte das Verfahren gegen einen Angeklagten, der als Frau verkleidet Männer in seine Wohnung gelockt haben soll, ein.   Foto: Thomas Obermeier

    Die Person mit dem kurzen Kinnbart auf der Anklagebank wirkt trotz ihrer Größe zierlich, ihre Bewegungen wirken weiblich. Doch sie sieht aus wie ein Mann. Das ist nicht immer so. Er sei "im falschen Körper geboren", fühle sich als Frau und "trage häufig Frauenkleider", sagt der Beschuldigte über sich selbst. Dass er aber als Frau gekleidet am Würzburger Hauptbahnhof heterosexuelle Männer in seine Wohnung gelockt und dort vergewaltigt haben soll, wie es ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft, das streitet er vor dem Landgericht Würzburg vehement ab.

    Seine angeblichen Opfer hätten über sein wahres biologisches Geschlecht Bescheid gewusst, lässt der 35-Jährige über seinen Anwalt erklären. Nichts sei gegen ihren Willen passiert.

    Weißes Pulver konsumiert und vergewaltigt worden?

    In der Anklageschrift klingt das anders. Demnach soll der 35-Jährige im Kleid und mit Zöpfen im November 2023 einen heute 30 Jahre alten Mann am Bahnhof angesprochen haben. In der Annahme, er habe gerade eine 29-jährige Frau kennengelernt, soll das mutmaßliche Opfer dem Angeklagten 50 Euro gegeben haben. Für ein Zugticket nach Frankfurt, um dort für beide Drogen zu kaufen. 

    Gegen Mitternacht, so der Staatsanwalt weiter, hätten sich die beiden in der Wohnung des Angeklagten wieder getroffen. Dort sei der 35-Jährige zudringlich geworden. Der andere Mann soll die Annäherungsversuche zunächst abgewehrt haben. Er wolle die angebliche Frau "erst kennenlernen".

    Gemeinsam hätten die beiden dann laut Anklage ein weißes Pulver konsumiert, von dem das mutmaßliche Opfer bewusstlos geworden sei. Als der 30-Jährige wieder zu sich gekommen sei, habe ihn der Angeklagte gerade vergewaltigt.

    Obdachlosen Mann in Bahnhofsmission angesprochen

    Noch während die Polizei in dem Fall ermittelte, soll der Beschuldigte im Januar 2024 erneut in Frauenkleidern in der Bahnhofsmission am Hauptbahnhof einen Mann angesprochen haben. Laut Anklage bot er dem Obdachlosen an, bei ihm zu duschen und zu übernachten. Als der 19-Jährige in der Wohnung des Angeklagten erkennt, dass er gerade mit einem Mann im Bett liegt, soll auch er die Annäherungsversuche abgewehrt haben. Er sei jedoch geblieben und eingeschlafen. Als er 30 Minuten später aufgewacht sei, habe ihn der 35-Jährige vergewaltigt.

    Die Würzburger Staatsanwaltschaft wirft dem Mann zwei Vergewaltigungen, versuchte Vergewaltigung und einen sexuellen Übergriff vor. Dass nicht auch noch Körperverletzung dazu kommt, weil der Angeklagte HIV-positiv ist, liegt nur daran, dass eine Ansteckung dank einer Therapie unwahrscheinlich sei.

    Zeuge bekommt am Würzburger Landgericht kein Wort heraus

    Die Vorwürfe klingen unglaublich und wiegen schwer. Sechs Monate verbrachte der 35-Jährige in Untersuchungshaft. Doch der Auftritt der beiden mutmaßlichen Opfer im Zeugenstand lassen Richter Reinhold Emmert zweifeln.

    So bekommt der 19-jährige Obdachlose quasi kein Wort heraus - ob aus Scham oder weil seine beiden Aussagen bei der Polizei möglicherweise erfunden waren, bleibt offen. Vor Gericht sagt er mit tränenerstickter Stimme lediglich: "Von dem Tag weiß ich nichts mehr wirklich."

    Dagegen ist der 30-Jährige, der angeblich im November 2023 unter Drogen gesetzt und vergewaltigt worden sein soll, zumindest zu Beginn im Zeugenstand in Plauderlaune. Der Angeklagte habe ihn "mit Perücke am Hauptbahnhof angesprochen" und Fotos geschickt, als er nach Frankfurt fuhr. Für ihn sei damals klar gewesen: "Eindeutig eine Frau."

    Filmriss? Ein gelöschter Chat wirft Fragen auf

    Welche Drogen schließlich in der Wohnung genommen wurden, kann der 30-Jährige nicht sagen. Er habe einen "Filmriss" gehabt und sei in einem "tranceartigen Zustand" gewesen. Die sexuellen Handlungen habe er nicht gewollt. Weil er vor Schwindel kaum stehen konnte, sei er nicht weggelaufen. Vielmehr sei er eingeschlafen und erst am nächsten Morgen gegangen.

    Doch spätestens hier wirft die Aussage Fragen auf: Warum ist er nicht direkt danach zur Polizei gegangen? Sondern erst in den frühen Morgenstunden ein paar Tage später? Was hat er in der Zwischenzeit gemacht? War er einen ganzen Tag lang in der Wohnung seines angeblichen Vergewaltigers?

    Warum schrieb er dem Angeklagten noch 20 Minuten, bevor er damals zur Polizei ging, Nachrichten, in denen er ihm vorwarf, ihm Drogen und Geld gestohlen zu haben? Warum ist die Vergewaltigung darin aber kein Thema? Und warum wurden diese Nachrichten nur auf dem Handy des Angeklagten gefunden und waren auf seinem eigenen gelöscht?

    Verdacht des Richters: Aus Rache Vergewaltigung erfunden

    Erklärungen dafür kann der Zeuge vor Gericht nicht liefern. "Ich bin fassungslos", empört sich Richter Emmert. Sein Verdacht: "Sie haben die ganze Geschichte nur erfunden, als Rache, weil es zum Streit um Drogen oder Geld gekommen ist."

    Was wirklich passiert ist, bleibt auch nach zwei Prozesstagen offen. Letztlich beendet das Landgericht Würzburg die Beweisaufnahme und stellt das Verfahren ein. Dafür verzichtet der Angeklagte auf eine Entschädigung für seine Zeit in Untersuchungshaft.

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