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Würzburg: Doppelt so alt wie Erwin Pelzig: Barwasser wird 60

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Doppelt so alt wie Erwin Pelzig: Barwasser wird 60

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    Blick voraus: Frank Markus Barwasser in seiner berühmten Rolle, hier im Theater der Stadt Schweinfurt.
    Blick voraus: Frank Markus Barwasser in seiner berühmten Rolle, hier im Theater der Stadt Schweinfurt. Foto: Martina Müller

    Nein, nein, weg mit diesem Bild im Kopf, mit dieser Stimme im Ohr. . . Runter mit dem braunem Cord-Hüdli, raus aus dem Trachtenjanker. Das rot-weiß-kleinkarierte Hemd gedanklich ausgezogen, das Herrenhandtäschli zur Seite gelegt. Und fränkisch, gar mainfränkisch gesprochen wird jetzt erst einmal auch nicht. Denn der Jubilar, um den es hier geht, ist nicht jener, der riesige Hallen füllt und Fernsehkarriere machte. Der Star eines Kinofilms und Hauptdarsteller eines von ihm geschriebenen Theaterstücks war und bundesweit als Würzburger Berühmtheit womöglich noch vor Residenz, Festung und Bocksbeutel kommt.

    Wobei. . . natürlich geht es um den Mann, der viele, viele Jahre lang im Bayerischen Rundfunk eine der beliebtesten Sendungen hatte und dann im Zweiten, mit dem man besser sieht, die wichtigste und erfolgreichste Satiresendung des deutschen Fernsehens mit bestritt. Aber es ist nun mal so: Erwin Pelzig wird in diesem Jahr erst 30. Seinen doppelt so runden Geburtstag aber feiert an diesem Sonntag der andere gebürtige Würzburger. Der ohne Hütchen und Lederhandtäschchen und Karohemd. Der Mann hinter der Kunstfigur nämlich. Tatsächlich, Frank-Markus Barwasser wird 60.

    Und Barwasser sagt ja: „Pelzig ist Pelzig, und ich bin ich.“

    Also bleibt hier in Gedanken das schon ein bisschen abgenutzte Cordhütli runter vom Lockenkopf. Und die fränkische Zunge im Zaum. Mag Erwin Pelzig noch so direkt in der Ansprache sein und hemmungslos auf andere zugehen. Barwasser, sein Erfinder, redet hochdeutsch, ist zurückhaltend und charmant, drängt sich eher in kein Rampenlicht und ist froh, wenn er an seinem heutigen Wohnort Mainz und anderswo auf der Straße nicht erkannt wird.

    Eigentlich wollte er den Pelzig nur für zwei Monate oder so spielen

    Schnell das Wikipedia-Wissen über Barwasser in Erinnerung gerufen: 1960 im Würzburger Steinbachtal geboren, Vater Richter aus Köln, Mutter evangelische Religionslehrerin aus Freiburg, vier Geschwister. Schwierige Zeit in der Schule, dann doch Abi gemacht, bei der Main-Post volontiert und Journalist geworden, in München und Salamanca dann Politik und Geschichte studiert . . . und nebenbei beim Marionettentheater die Bühne entdeckt.

    Vor 35 Jahren hat Frank-Markus Barwasser seine kabarettistische Laufbahn begonnen. Und vor 30 Jahren, da war er Radioreporter beim Bayerischen Rundfunk, für seine Glossen diese markante Figur des typischen Spießers mit rustikalem Humor und schamlos-proletischer Offenheit erfunden. Für zwei Monate oder so sei dieser Erwin Pelzig gedacht gewesen, hat Barwasser seitdem oft erzählt. Dass es viele Monate mehr wurden und sie „irgendwann verheiratet waren“ quasi.

    Kaum ohne denkbar: Frank-Markus Barwasser mit kleinkariertem Hemd, Hütli und Handtäschli als Pelzig in Aktion.
    Kaum ohne denkbar: Frank-Markus Barwasser mit kleinkariertem Hemd, Hütli und Handtäschli als Pelzig in Aktion. Foto: Dita Vollmond

    Jetzt also doch das Herrentäschli in die Hand genommen, es machte den Unterfranken schließlich bundesweit bühnen- und bildschirmberühmt. 1993 trat Barwasser mit seinem Pelzig erstmals auf, im Würzburger Theater am Neunerplatz – in kurzen Hosen und so (ziemlich) derb, dass es dem Schöpfer heute „fast peinlich“ ist. Und dieser Pelzig, den Barwasser über die Jahre stetig fortentwickelte und dem er eine ziemliche Schlitzohrigkeit und auch Weisheit angedeihen ließ und der auch deutlich politischer und kritischer wurde, sollte also groß Karriere machen. Und seinen Schöpfer zu inzwischen 20 bedeutenden Kabarett- und Kleinkunstpreisen führen.

    Was dokumentiert Wikipedia noch? Acht Bühnenprogramme, zwei Kinofilme, von 1998 bis 2010 die BR-Talkshow „Aufgemerkt! Pelzig unterhält sich“, 2010 vom unterfränkischen Kabarettkollegen Urban Priol in die ZDF-Anstalt geholt und dort drei Jahre lang gewesen. Bis es irgendwann zu viel wurde mit dem Erfolg, dem Druck, den zu vielen Terminen. „Pelzig hält sich“ lief dann zwei Jahre noch.

    2015 machte Frank-Markus Barwasser Schluss mit der Fernsehkarriere. Wurde Vater, heiratete, ging ein Jahr in Elternzeit. Und Erwin Pelzig, dieser gar nicht einfach gestrickte Moralist, der gleichzeitig komisch und melancholisch sein, synchron poltern und plaudern kann, lebt damit, dass heute Sohn Benno an erster Stelle kommt. Getrennt hat sich Barwasser nicht von Pelzig. Auch wenn er immer haderte mit der Figur und sie nur zwei Monate lang spielen wollte. Wie es dem Kabarettisten am Sechzigsten geht? Fragen wir ihn.

    Herr Barwasser, wie geht es?

    Frank-Markus Barwasser: Prima geht’s mir. Ach je, ich ahne schon, warum Sie anrufen.

    Genau. Hat denn die Sechs vorne dran für Sie irgendeine Bedeutung?

    Barwasser: Klar hat die Sechs eine Bedeutung. Jeder Tag mehr ist ein Tag weniger, das ist einfach so. Aber die Sechs stürzt mich keineswegs in eine Krise. Ich hatte ja durchaus damit gerechnet oder jedenfalls gehofft, irgendwann mal 60 zu werden. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass es so schnell passieren würde.

    An diesem Sonntag passiert es. Wie und wo feiern Sie?

    Barwasser: Jedenfalls ausgiebig. Ich wollte erst gar nicht groß feiern, aber meine Frau meinte, doch, wir feiern, freudig und offensiv.

    Barwasser als Barwasser 2011.
    Barwasser als Barwasser 2011. Foto: Horst Galuschka

    Was sind die Pläne fürs neue Lebensjahrzehnt?

    Barwasser: Wichtigster Plan: gelassen bleiben, auch wenn ich manchmal denke, bei diesem Weltenwahnsinn hast du nur noch die Wahl, verrückt zu werden oder religiös. Ich habe allerdings festgestellt, dass für mich beide Optionen nicht in Frage kommen. Also suche ich einen anderen Weg. Sie dürfen mir dabei Glück wünschen.

    Viel Glück! Apropos Weg. Welche Wege geht Erwin Pelzig?

    Barwasser: Für den Herbst diesen Jahres ist ein neues Bühnenprogramm geplant. Alles andere ist noch nicht spruchreif.

    Pelzig wird 30 dieses Jahr. Wie findet er eigentlich das mit Ihrem Alter?

    Barwasser: Pelzig war ja gefühlt und optisch schon immer eher in dem Alter, in das ich jetzt hineinschlittere. Insofern ändert sich für ihn nichts. Ich muss ab jetzt allerdings schwer daran arbeiten, dass er weiterhin älter ausschaut als ich. Umgekehrt empfände ich es als für mich verstörend und unerfreulich.

    Ihr Tournee-Kalender für 2020 und 2021 ist ja unheimlich dicht und voll. Nur Norddeutschland ist komplett ausgespart. Aus Sprachgründen unbespieltes Terrain?

    Barwasser: Keine Sorge, der Norden kommt wie immer auch an die Reihe, aber erst in der zweiten Tournee-Runde. Unbespieltes Terrain gibt es inzwischen kaum noch. Inzwischen bin ich sogar schon in Liechtenstein und vor der deutschen Gemeinde in Belgrad aufgetreten. Ansonsten habe ich die Zahl meiner Auftritte reduziert. Mit der Geburt unseres Sohnes vor fast vier Jahren haben sich die Prioritäten ohnehin etwas verschoben. Da sind um die 50 Vorstellungen im Jahr genug.

    Das sieht nicht nach Frührente aus.

    Barwasser: In diesem neuen Lebensjahrzehnt passiert ja normalerweise recht viel: Pensionierung, Wohnmobil, spätestens jetzt die ersten Enkel. Das dürfte bei mir anders laufen: Verrentung bestimme ich selbst, Wohnmobil ist nicht mein Ding und Enkel würde ich für die nächsten zehn Jahre mal ausschließen.

    Haben Sie sich ein Ziel gesetzt, wie lange Sie das machen, was Sie machen?

    Barwasser: Nein, da bin ich ohne Plan. Das werde ich intuitiv entscheiden, das habe ich bei wichtigen Schritten immer so gemacht. Diese ganze Planerei hat sowieso wenig Sinn. Wie hat Pelzig mal so schön gesagt: Man soll das Glück gar nicht suchen, es reicht völlig, sich ihm einfach anzubieten.

    Dann nur eine letzte Frage noch und ein Tipp: Was hält Sie so fit?

    Barwasser: Ich laufe sehr viel. Also nicht joggen, sondern einfach laufen. Laufen. Laufen. Wie Forrest Gump. Kann ich nur empfehlen. Der Körper freut sich und der Geist auch, weil es ziemlich entschleunigt. Und vielleicht vergeht ja auf diese Weise die Zeit etwas langsamer als bisher.

    Dann in diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

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